31.07.2011 | 5. Mose 7,6-11 | 6. Sonntag nach Trinitatis

Gott ist nicht cool. Cool zu sein ist heutzutage ja in: keine Emotionen zu zeigen, keine Schwäche zu zeigen, sein Ding durchzuziehen und dabei nicht zu zeigen, wie einem eigentlich zumute ist. Nur so hat man Erfolg; ja, wer immer cool bleibt, der kann mit der Bewunderung derer rechnen, die solche Coolness nicht aufbringen, die sich doch stärker von ihren Empfindungen leiten lassen und deshalb möglicherweise auch Hemmungen haben, all das umzusetzen, was den eigenen Interessen dient.
Von Gott sollte man doch eigentlich erwarten, dass er ganz cool ist, dass er sich durch nichts und niemand aus der Fassung bringen lässt, dass er sich durch niemand beeinflussen lässt, sondern einfach sein Ding durchzieht, eben das, was seiner Ehre dient. Genau so haben sich Menschen Gott tatsächlich auch immer wieder vorgestellt: Da gibt es Religionen, in denen Gott einfach nur als der überaus große Gott verehrt wird, der in der Tat ganz cool bleibt, unendlich entfernt von uns Menschen, so weit, dass man eigentlich überhaupt nicht ahnen kann, was er wirklich über uns Menschen denkt – über uns Menschen allgemein und erst recht über einen jeden von uns persönlich. Gott zieht sein Ding durch, und wir können nur hoffen, dass wir dabei nicht am Ende zu denen gehören, für die Gott nichts anderes übrig hat als Gleichgültigkeit oder Verachtung. Und selbst innerhalb der christlichen Kirche hat es immer wieder die Vorstellung gegeben, wonach ein cooler Gott schon längst vor der Erschaffung der Welt gewürfelt hat, einige Menschen, die er später erschaffen würde, dazu bestimmt hat, für immer gemeinsam mit ihm zu leben, und die große Mehrzahl dazu bestimmt hat, am Ende für immer in der ewigen Verdammnis zu enden. Und zu welcher Gruppe wir nun gehören – wer weiß? An unserer Taufe können wir es dieser Theorie zufolge jedenfalls nicht festmachen, denn, so lehrte es Johannes Calvin, der bekannteste Vertreter dieser Theorie, wenn ein Mensch, der von Ewigkeit her zur Verdammnis vorherbestimmt ist, getauft wird, dann spielt Gott mit ihm in Wirklichkeit nur, dann distanziert er sich innerlich ganz und gar von dem, was dort in der Taufe geschieht. Nun ja, wenn ich Erfolg in meinem Leben, Erfolg in meinem Beruf habe, dann kann das darauf hindeuten, dass ich wohl doch zu den Erwählten gehöre – aber wenn dann was in meinem Leben schief läuft, dann bleibt mir nicht viel an Gewissheit übrig angesichts dieses coolen Gottes, dem es letztlich nur um seine Ehre, um seine Gerechtigkeit geht.

Doch Gott ist nicht cool, so macht es uns schon Mose in seiner Rede an das Volk Israel im letzten der fünf Mosebücher deutlich. Gott ist in Wirklichkeit ganz anders, als wir Menschen uns ihn vorstellen und ausmalen mögen. Er bleibt gerade nicht auf Abstand zu uns Menschen, baut nicht innerlich eine Wand zwischen sich und uns auf, sondern, so macht es uns Mose hier deutlich, Gott ist
- verliebt
- verbindlich
- verlässlich

I.
Den jungen Mann hatte es glatt von den Socken gehauen: Da hatte er in der Disco ein Mädchen gesehen, und dieser Anblick hatte bei ihm eingeschlagen wie der Blitz: Unsterblich verliebt hatte er sich in sie, versuchte von da an alles, um die Liebe dieses Mädchens zu gewinnen. Ja, er war bereit, sich auch in den Augen seiner Umwelt lächerlich zu machen, wenn diese junge Frau nur seine Liebe erwiderte, ja, wenn es diesem Mädchen einfach nur gut ging. Dass er sich in diese eine verliebt hatte, bedeutete nicht, dass er die anderen Mädchen nun ablehnte und hasste – aber zu der einen zog es ihn jetzt eben hin mit aller Gewalt.

Solch eine ähnliche Liebesgeschichte erzählt uns auch Mose hier: Gott ist wie dieser junge Mann in der Geschichte, die ich gerade erzählt habe: Er hat auf das Volk Israel geblickt – und er war hin und weg, hoffnungslos verliebt, durch nichts und niemand davon abzuhalten, hinter diesem Volk herzulaufen und seine Liebe zu gewinnen. Jegliche Coolness, wenn er sie denn je besaß, ließ Gott fahren, nur um seine Liebe seiner Geliebten, seinem geliebten Volk zu schenken. Und was veranlasste Gott nun dazu, ausgerechnet dieses eine Volk zu lieben, ja, warum hat er sich gerade in dieses und kein anderes Volk verliebt? Schwestern und Brüder: Wer von euch schon einmal selber verliebt war, der weiß: Solche Liebe kann man letztlich nur sehr begrenzt vernünftig begründen; sie ist einfach da, und so bestimmt sie unser Denken und Handeln. Einen einzigen Anhaltspunkt nennt Mose hier dafür, dass Gott sich ausgerechnet in dieses eine Volk verliebt hat: Es war das kleinste unter allen Völkern, machte gar nichts von sich her, hatte nichts, womit es Gott hätte beeindrucken können. Für die Kleinen, Unscheinbaren, für die, die nichts Beeindruckendes vorweisen können, die nichts von sich hermachen, für die hat Gott offenbar ein besonderes Faible, auf die fährt er voll ab.

Ja, so ist Gott, und daran hat sich natürlich auch bis heute nichts geändert; das gehört zu seinem Wesen, dass er nicht cool ist, sondern sich immer wieder von neuem unsterblich verliebt. Den Kreis seiner Liebe hat er allerdings im Laufe der Zeit immer noch weiter vergrößert. Gewiss gilt seine Liebe auch weiterhin seinem Eigentumsvolk Israel – Gott wechselt seine Liebschaften nicht im Laufe der Zeit immer mal wieder aus. Auf wen seine Liebe gefallen ist, der bleibt von Gott geliebt in alle Ewigkeit. Doch seine Liebe reicht noch weiter: Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, so sagt es Jesus selber zu Nikodemus: Gott liebt nicht weniger als die ganze Welt. Und doch hat er sein besonderes Faible dabei beibehalten: Seine Liebe gilt in ganz besonderer Weise den Kleinen, den Schwachen, denen, die ihn mit nichts beeindrucken können, die keine besondere Leistung vorzuweisen haben, die mit ganz leeren Händen vor ihm stehen. Wenn er die sieht, gibt es für Gott kein Halten mehr; so weit reicht seine Liebe, dass er für sie sogar seinen einzigen Sohn in den Tod gegeben hat, nur damit er für immer mit ihnen zusammen sein kann. Schwestern und Brüder: Ist das nicht wunderbar, dass wir nicht an einen coolen, sondern an einen unsterblich verliebten Gott glauben dürfen – an einen Gott, der unsterblich verliebt ist in uns?

II.
Wenn sich jemand in einen anderen Menschen verliebt, dann bedeutet das noch lange nicht, dass er diesen Menschen später auch einmal heiratet. So mancher zieht es vor, bei aller Liebe doch lieber in einer unverbindlichen Beziehung zu einem geliebten Menschen zu bleiben – immer mit dem Hintergedanken, dass man dann auch wieder einfacher aus solch einer Beziehung aussteigen kann, wenn es auf die Dauer doch nichts mit der Liebe zum anderen werden sollte. Und manch einer heiratet auch deshalb nicht, weil eben der andere Mensch, den man selber so sehr liebt, von sich aus nicht zu solch einem Jawort bereit ist.

Bei Gott ist das anders: Gott will mit uns nicht bloß in einer offenen, unverbindlichen Beziehung leben; er will sich kein Ausstiegstürchen in der Beziehung zu denen, die er liebt, offen halten. Und er wartet auch nicht erst das Ja derer, die er liebt, ab, um dann darauf auch mit seinem Jawort zu antworten. Sondern Gott bringt von sich aus Verbindlichkeit in die Beziehung mit denen, in die er sich verliebt hat.

So hat er es schon damals beim Volk Israel gehalten, so macht es Mose seinem Volk hier in seiner Rede deutlich: Gott hatte schon den Vätern dieses Volkes einen Eid geschworen, dass sein Segen und seine Liebe auch ihren Nachkommen gelten werde – und durch diesen Eid hat er der Beziehung zu seinem Volk einen verbindlichen Rahmen gegeben: Bei seinem Leben hat Gott geschworen, sein geliebtes Volk niemals mehr preiszugeben – verbindlicher kann man seine Liebe gar nicht zum Ausdruck bringen. Und diesen Schwur hatte Gott längst schon geleistet, bevor all diejenigen am Leben waren, zu denen Mose hier in seiner Rede nun spricht; Gottes verbindliches Versprechen war und ist nicht abhängig vom Verhalten derer, die er liebt.

Und genauso handelt Gott heute auch an uns: Ganz verbindlich festgemacht hat Gott seine Liebe auch zu uns, seinem Volk des neuen Bundes; ganz verbindlich festgemacht hat Gott seine Liebe zu einem jeden einzelnen von uns mit einem Eid, den er niemals zurücknehmen kann und wird. Und diesen Eid hat Gott einem jeden von uns in der Taufe geschworen, den hat er heute Morgen in der Taufe nun auch Daniel geschworen: Niemals soll meine Liebe zu dir enden, so hat es Gott ihm versprochen, niemals will ich aus der Liebesbeziehung zu dir wieder aussteigen. Gewiss, du, lieber Daniel, hast heute Morgen auch deinen Glauben an ihn, den liebenden dreieinigen Gott, bekannt. Aber von deinem Glauben, von der Stärke deines Glaubens, ist Gottes verbindliches Versprechen nicht abhängig. Das gilt, einfach weil Gott es dir zugesagt hat. Niemals will Gott dich noch in der Luft hängen lassen, niemals sollst du zweifeln an Gottes Haltung zu dir: Seine leidenschaftliche Liebe, sie gilt dir in alle Ewigkeit, sie gilt uns allen, bei denen Gott seine Liebe verbindlich festgemacht hat im Wasserbad der Taufe. Ja, so weit reicht Gottes Liebe zu dir, dass er bei seinem eigenen Leben schwört, in alle Ewigkeit mit dir verbunden zu bleiben. Ja, so wenig cool ist Gott, so leidenschaftlich verliebt und so leidenschaftlich verbindlich – Gott sei Dank!

III.
Bedeutet dieser Eid, den Gott seinem Volk Israel, den er auch uns geschworen hat, dass es ihm egal ist, wie wir darauf reagieren, wie wir mit seinem verbindlichen Versprechen umgehen? Ach, wie sollten wir ihm egal sein, wenn er uns doch so sehr liebt! Natürlich wünscht sich Gott nichts sehnlicher, als dass wir, seine Geliebten, nun auch seine Liebe erwidern, natürlich wünscht sich Gott in seiner Liebe, dass er uns nicht gleichgültig ist. Weh tut es ihm, wenn wir an seiner Liebe zweifeln, wenn wir daran zweifeln, dass er es in seinen Geboten, die er uns aus Liebe zu uns gegeben hat, wirklich gut mit uns meint, und glauben, wir wüssten besser, was für uns gut ist, als er, Gott selber. Jede Abwendung von ihm schmerzt ihn, gerade weil er uns so sehr liebt. Und doch veranlasst ihn unsere Abwendung von ihm eben nicht dazu, sich seinerseits nun auch von uns abzuwenden. Er ist und bleibt, so betont Mose es hier, ein treuer Gott, der zu seinem Bund steht, den er mit uns geschlossen hat. Auf Gottes Liebe ist Verlass. Und das gilt erst recht für uns, die wir nun in seinem neuen Bund leben, den Gott gegründet hat auf den Tod seines Sohnes am Kreuz. Ein einziges Grundgesetz gilt in diesem neuen Bund, und das ist das Gesetz der Vergebung: Immer und immer wieder ist Gott dazu bereit, unser Versagen, unsere Abwendung zu vergeben, immer wieder ist er dazu bereit, neu mit uns anzufangen. Darauf dürfen wir uns hundertprozentig verlassen, weil Gott ein verlässlicher Gott ist, weil sich seine Liebe nicht durch die Enttäuschungen, die wir ihm zufügen, in Hass verwandelt. Nein, cool ist Gott nicht, aber absolut verlässlich, Gott sei Dank.

Zu diesem Gott hast du, lieber Daniel, dich heute Morgen bei deiner Taufe bekannt, und der Glaube an diesen Gott, der soll nun auch weiter dein Leben, ja das Leben von uns allen, die wir getauft sind, bestimmen. Ja, das wird sich auswirken in deinem Leben, wenn du genau das wissen darfst: Ich bin geliebt von meinem Vater im Himmel, ganz gleich, was ich in meinem Leben leiste oder auch nicht leiste. Ich bin geliebt von meinem Vater im Himmel, auch wenn die Menschen in meiner Umgebung vielleicht gar nicht viel von mir wissen wollen, mir vielleicht gar Böses unterstellen. Das wird sich auswirken in deinem Leben, wenn du genau das wissen darfst: Gott steht zu mir; er hat sich eindeutig zu meinen Gunsten festgelegt; ich muss mir seine Liebe nicht erst noch verdienen und mich ihrer auch nicht würdig erweisen. Gott hat längst Ja zu mir gesagt, bevor ich zu ihm Ja sagen konnte – und auf Gottes großes Ja allein kommt es schließlich an, nicht auf mein kleines Ja. Und das wird sich auswirken in deinem Leben, wenn du bei Gott immer wieder von vorne anfangen darfst, wenn du immer wieder aus seiner Vergebung leben darfst, wenn du erfährst, wie treu Gott zu seinem Versprechen zu dir steht. Das wird dir helfen, ihn, deinen Vater, zu lieben, das wird dir helfen, auch deinen Nächsten zu lieben, eben weil Gottes Liebe ihm genauso gilt wie dir. Nein, du brauchst nicht einen auf cool zu machen – genauso wenig wie Gott sich dir gegenüber cool verhält. Lass ruhig etwas raushängen von Gottes Liebe zu dir, wenn du mit anderen zu tun hast, von seiner Verbindlichkeit und Verlässlichkeit. Denn du bist und bleibst doch ein Heiliger, einer, der zu Gott gehört – so gewiss du getauft bist. Amen.