01.01.2010 | St. Johannes 14, 1 (Tag der Beschneidung und Namengebung Jesu (Neujahr))

TAG DER BESCHNEIDUNG UND NAMENGEBUNG JESU (NEUJAHR) – 1. JANUAR 2010 – PREDIGT ÜBER ST. JOHANNES 14,1

Jesus spricht: Euer Herz erschrecke nicht! Glaubt an Gott und glaubt an mich!

Nun rutschen sie wieder über Deutschlands Straßen: die unverbesserlichen Sommerreifenfahrer, die darauf hoffen, dass bei ihren Fahrten mit dem Auto immer nur schönes Wetter herrscht und sie dabei auch mit ihren Sommerreifen gut durchkommen. Aber leider ist hier in Deutschland nicht immer nur schönes Wetter; leider kann das Wetter auch richtig fies sein wie jetzt in diesen Tagen. Und da kommt man mit seinen Sommerreifen eben nicht weiter, bleibt stecken oder landet am Ende im Straßengraben.
Es gibt auch geistliche Sommerreifenfahrer, Leute, deren Glaube nur darauf ausgelegt ist, dass in ihrem Leben immer schönes Wetter herrscht und alles problemlos bei ihnen läuft. Da sind beispielsweise die vielen Leute, die ihren Gott im Grunewald oder anderen Baumansammlungen zu finden glauben. Gott in der Natur – ja, den finden sie eben auch zumeist nur bei schönem Wetter, wenn die Sonne lacht und die Blätter in grün oder anderen Farben leuchten. Bei strömendem Regen finden dagegen erstaunlich wenig Menschen Gott noch in der Natur; für schlechtes Wetter ist ihr Glaube eben nicht ausgelegt. Und wenn sie dann krank sind und im Bett liegen, dann haben sie auch herzlich wenig von ihrem Schönwettergott draußen vor der Tür; der hilft ihnen dann auch nicht weiter. Oder da gibt es die Leute, deren Glaube sich darin erschöpft, dass sie darauf hoffen, dass es da oben irgendeinen gibt, der gut auf sie aufpasst. Und solange man nicht das Gegenteil erfährt, ist das ja ein ganz schöner, beruhigender Glaube. Aber was ist, wenn ihnen dann im Leben doch etwas passiert, wenn ihr Leben dann doch eine ganz andere Wendung nimmt, als sie sich dies gedacht und erhofft hatten? Ist ihr Glaube damit widerlegt, können sie nach solchen Erfahrungen mit ihm noch irgendetwas anfangen?
Die Jahreslosung für das Jahr 2010 ist nicht bloß für geistliche Sommerreifenfahrer gedacht; die taugt nicht bloß dann, wenn es uns gut geht und wir dafür dem lieben Gott ja vielleicht auch ganz dankbar sind. Sondern die Jahreslosung für dieses Jahr, das nunmehr begonnen hat, die entfaltet ihre Kraft und ihren Trost gerade dann, wenn es in unserem Leben zu regnen und zu schneien beginnt, wenn wir ins Rutschen geraten und selber keinen Halt mehr finden. Denn sie propagiert keinen Schönwetterglauben, sondern einen Glauben mit Profil, einen Glauben, der sich gerade auch in den Stürmen und Unwettern des Lebens bewährt. Ja, vom Glauben spricht Christus hier, vom Glauben

- der gegen alle Erfahrung besteht
- der ganz und gar an Christus hängt

I.

Dunkel war es im Leben der Jünger geworden; alles, was bisher für sie noch ganz festgestanden zu haben schien, war nun mit einem Mal ins Rutschen gekommen. Da hatten sie sich von ihrem Herrn und Meister Jesus in seine Nachfolge rufen lassen, hatten alles verlassen, was sie besaßen, waren ihm nachgefolgt, waren fest davon ausgegangen, dass das so jetzt immer alles weitergehen würde. Doch nun hatte Jesus ihnen gerade zuvor mitgeteilt, dass er noch in derselben Nacht verhaftet werden würde, dass er schon in wenigen Stunden umgebracht werden würde. Ihr Herr und Meister – verhaftet, getötet, vor ihren Augen verschwunden? War denn alles, was sie bisher erfahren und geglaubt hatten, umsonst, hatten sie sich geirrt, als sie ihr ganzes Leben auf eine Karte gesetzt hatten, für ihn auf alles verzichtet hatten, was ihnen vorher wichtig gewesen war? Das schien doch völlig irrsinnig zu sein, was Jesus ihnen da nun ankündigte; das schien doch alles in Frage zu stellen, was sie bisher geglaubt hatten. Ja, völlig schwachsinnig schien es doch zu sein, was sie sich da von Jesus anhören mussten: Ich werde jetzt bald sterben; aber erschreckt nicht und glaubt an mich! Wie sollten sie denn an jemanden glauben, der im Begriff stand zu sterben? Der schien doch als Richtpunkt für ihren Glauben eben damit endgültig auszufallen!
In der Tat: Der Glaube, zu dem Jesus hier seine Jünger hier einlädt, ist alles andere als ein Schönwetterglaube. Das ist auch kein logischer Glaube, der sich aus der Erfahrung der Jünger gleichsam von selbst ergab. Sondern dieser Glaube hatte sich zu bewähren in einer Situation, in der alles, wirklich alles dagegen zu sprechen schien, dass es sich lohnte, an diesem Glauben immer noch festzuhalten.
Vor uns liegt das Jahr 2010. Wir wissen nicht, was dieses Jahr uns bringen wird, was für Erfahrungen wir in diesem Jahr werden machen müssen. Ja, natürlich dürfen wir auch auf viele Schönwettererfahrungen hoffen, darauf, dass Gott es uns ganz leicht macht, ihn zu loben und ihm zu danken, weil die Dinge in unserem Leben so laufen, wie wir uns dies erhofft haben. Aber bei keinem von uns ist ausgeschlossen, dass ihn nicht auch in diesem Jahr Hammernachrichten erreichen werden, Nachrichten, die sein Herz nicht weniger erschüttern, als die Ankündigung Jesu damals die Herzen der Jünger erschüttert und erschreckt hat. Keiner von uns weiß, ob nicht auch ihm schmerzliche Abschiede, tiefe menschliche Enttäuschungen, Nachrichten von Krankheiten bevorstehen. Ja, dies eine dürfen wir sogar ganz gewiss voraussehen: Auch in diesem Jahr 2010 wird sich die Welt, in der wir leben, nicht in ein Paradies verwandeln, wird auch in diesem Jahr oft ganz anders aussehen, als wir uns dies wünschen und vorstellen mögen.
Und in dieser Welt gilt es für uns nun auch im Jahr 2010 unseren Glauben zu bewähren. Herausgefordert sind wir zu glauben, dass der Tod geliebter Menschen, von denen Abschied zu nehmen uns so schwer fällt, nicht das Ende ist, sondern der Durchgang in ein neues Leben bei Christus, dort, wo er die Wohnungen für uns schon bereitet hat. Herausgefordert sind wir zu glauben, dass Gott weiß, was er tut, wenn Menschen schweres Leid erfahren müssen, das wir so überhaupt nicht verstehen und erklären können. Herausgefordert sind wir, auf Gott zu vertrauen, auch wenn er uns Erfahrungen machen lässt, die unser Vertrauen auf ihn doch erst einmal ganz und gar erschüttern. Ja, das wird allemal schwer genug für uns sein. Doch das eine sollen und dürfen wir eben jetzt schon wissen: Da läuft in unserem Leben nicht etwas falsch, wenn wir solche Erfahrungen machen; solche Erfahrungen widerlegen unseren Glauben gerade nicht. Im Gegenteil: Christus hat schon damals seinen Jüngern deutlich gemacht, dass unser Glaube immer wieder Glaube gegen alle Erfahrung, gegen alle menschliche Einsicht ist, dass er immer angefochtener Glaube bleiben wird, ja, immer wieder genau das Gegenteil eines Schönwetterglaubens.

II.

Und da stellt sich für uns natürlich immer wieder die Frage: Wo sollen wir bloß die Kraft herbekommen, auch und gerade dann zu glauben, wenn alle Erfahrung dagegen zu sprechen scheint, wenn wir den Eindruck haben, uns würde gerade der Boden unter den Füßen weggerissen, wenn es da so gar keinen Anhaltspunkt zu geben scheint, warum es sich überhaupt noch lohnt, am Glauben festzuhalten?
Doch wir würden die Worte unserer Jahreslosung eben völlig falsch verstehen, wenn wir sie als einen Appell unseres Herrn Jesus Christus an unsere Willenskraft, an unser Durchhaltevermögen verstehen würden: Reißt euch zusammen, seid keine Weicheier, hört auf, euch wie Memmen zu verhalten: Euer Herz erschrecke nicht; glaubt an Gott und glaubt an mich! Nein, diese Worte unseres Herrn Jesus Christus sind eben gerade kein Appell an uns, der uns erst recht völlig überfordern würde, sondern sie sind purer Trost und damit pure Glaubensstärkung:
Christus spricht seine Jünger an, und indem er sie anspricht, weicht der Schrecken aus ihren Herzen, wird der Glaube an ihn in ihnen geweckt, dieser Glaube, der keine menschliche Möglichkeit und Fähigkeit ist, sondern Gabe und Geschenk Christi allein. So hat es Christus damals bei seinen Jüngern gemacht, und so macht er es bei uns auch: Er redet zu uns in seinem Wort, und damit schafft er bei uns, was wir selber niemals schaffen könnten: Er wirkt in uns diesen Glauben gegen alle Erfahrung, schenkt uns die Kraft, auch und gerade in schwerem Leid ihm zu vertrauen, an ihm festzuhalten. Nein, unser Glaube ist nicht in uns gegründet, in unserem schreckhaften Herzen, das sich so schnell durcheinanderbringen lässt, sondern unser Glaube ist allein gegründet in dem tröstlichen Wort des Herrn, das uns zugesprochen wird. Unser Glaube erhält seine Kraft nicht durch uns, sondern allein durch den, der uns in diesem Glauben hält und trägt.
Was Jesus hier in den Worten der Jahreslosung meint, möchte ich abschließend mit einem Beispiel vom Bergsteigen verdeutlichen. Ich gestehe, dass ich selber kein großer Bergsteiger bin. Aber soweit ich informiert bin, läuft das mit dem Erklimmen eines Berges so ab, dass die Bergsteiger bei ihrer Tour zum Gipfel mit einem Seil gesichert sind, das sie um den Körper tragen, und dass auf dem Weg nach oben zum Gipfel immer wieder Haken in die Wand des Berges geschlagen werden, an denen dann dieses Seil immer wieder neu befestigt wird. Selbst wenn ein Bergsteiger also abrutschen und den Halt verlieren sollte, stürzt er nicht ab, denn der Haken in der Wand und das Seil, die halten ihn, helfen ihm, schließlich doch nach oben zu gelangen.
Der Weg ins Jahr 2010 ist für uns auch solch eine Bergtour. Nein, dieser Weg ist kein freiwilliger touristischer Ausflug; es bleibt uns nichts anderes übrig als mitzukommen, alle miteinander. Aber wir haben um unseren Bauch ein Seil, das uns absichert, Christus, unseren Herrn, der uns ja schon seit unserer Taufe umgibt wie ein Gewand. Und dieses Seil, das wird immer wieder neu festgemacht an einem Sicherungshaken in der Felswand, an den Versprechen, die Christus uns in seinem Wort gibt, an seiner Vergebung, am Heiligen Mahl, das wir immer wieder neu empfangen. Und wenn wir dann auf unserem Weg nach oben den Halt verlieren sollten, wenn wir dann abrutschen sollten, weil wir Erfahrungen machen, die uns den Boden unter den Füßen wegreißen, dann stürzen eben auch wir nicht ab. Der Haken in der Felswand hält, und das Seil, das hält auch. Die Zusagen Christi in den Gnadenmitteln, die stehen felsenfest, auch wenn wir nur noch in der Luft zu baumeln scheinen, und auch das Seil hält. Denn das Seil, an dem wir hängen, ist eben nicht unsere Glaubensstärke, nicht unsere Willenskraft, sondern das Seil ist Christus selber, und darum kann und wird dieses Seil nicht reißen. Stück für Stück zieht uns Gott selber so empor zu sich Richtung Gipfel. Das kann manchmal ganz schön mühselig und anstrengend sein; doch Gott selber sorgt dafür, dass wir schließlich am Gipfel ankommen. Ja, euer Herz erschrecke nicht; glaubt an Gott und glaubt an mich! Bekommt keinen Schreck, wenn ihr in den Abgrund blickt, der sich da unter euch auftut; ihr werdet nicht abstürzen; ihr seid gehalten. Glaubt an Gott, traut ihm zu, dass er allemal stark genug ist, um auch euch zu sich hochzuziehen; vertraut ihm, dass er zu dem steht, was er euch in eurer Taufe versprochen hat. Und glaubt an mich, Christus, vertraut darauf, dass das Seil, das euch sichert, nicht reißt, dass die Haken in der Wand fest genug sind, um euch zu halten. Seid bloß nicht so leichtsinnig und versucht, den Berg ohne Haken in der Wand zu besteigen, weil das doch immer so lange dauert mit der Absicherung des Seils, weil das doch so lästig ist, immer und immer wieder zum Gottesdienst zu kommen. Die Zeit, die ihr dafür aufbringt, die lohnt sich. Das werdet ihr spätestens merken, wenn ihr irgendwann mal abrutschen und in der Luft hängen werdet, wenn ihr auf dem Weg nach oben vielleicht auch mal in einen Schneesturm geraten werdet. Dann werdet ihr erfahren, wie ich euch diese Sicherung hält und trägt. Ja, dann dürft ihr euch auf dem Weg nach oben zwischendurch auch ruhig immer wieder mal einfach hängen lassen. Vertraut nur dem Seil und dem Haken und dem, der oben zieht. Genau das ist Glauben. Amen.