10.06.2009 | Epheser 4, 1-6 (Mittwoch nach Trinitatis)

MITTWOCH NACH TRINITATIS – 10. JUNI 2009 – PREDIGT ÜBER EPHESER 4,1-6

So ermahne ich euch nun, ich, der Gefangene in dem Herrn, dass ihr der Berufung würdig lebt, mit der ihr berufen seid, in aller Demut und Sanftmut, in Geduld. Ertragt einer den andern in Liebe und seid darauf bedacht, zu wahren die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens: "ein" Leib und "ein" Geist, wie ihr auch berufen seid zu "einer" Hoffnung eurer Berufung; "ein" Herr, "ein" Glaube, "eine" Taufe; "ein" Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in allen.

Einheit muss nicht unbedingt etwas Positives und Erfreuliches sein. Da gab es bis vor zwanzig Jahren in einem Teil unseres Landes eine Einheitspartei, gebildet durch den angeblich freiwilligen und in Wirklichkeit doch erzwungenen Zusammenschluss von zwei Parteien zu einer Partei. Und wer sich dem einheitlichen Denken widersetzte, das diese Einheitspartei im Lande vorgab, der bekam Schwierigkeiten, der wurde unter Druck gesetzt. Schließlich durfte doch nicht der Eindruck erweckt werden, als ob die Einheit aller Werktätigen irgendwelche Risse zeigen würde.
Einheit muss auch in der Kirche nicht unbedingt etwas Positives und Erfreuliches sein. Da wollte im 19. Jahrhundert ein preußischer König der Einheit der Kirche dienen und machte kurzerhand aus zwei Kirchen eine Kirche, fertigte zu diesem Zweck eine einheitliche Gottesdienstordnung an und versuchte nun, alle Untertanen dazu zu zwingen, sich dieser einen Kirche anzuschließen. Wer sich dieser königlichen Einheitskirche widersetzte, bekam Schwierigkeiten, musste mitunter damit rechnen, im Gefängnis zu landen. Ja, auch solche Maßnahmen schienen berechtigt, nur um die Einheit der Kirche verwirklichen zu können.
In der Predigtlesung des heutigen Abends geht es auch um die Einheit, ja, auch um die Einheit der Kirche. Immer und immer wieder gebraucht der Apostel Paulus hier das Wort „eins“, macht deutlich, dass auch für ihn Einheit in der Kirche etwas ganz entscheidend Wichtiges ist. Doch wenn wir genauer hinschauen, dann stellen wir fest, dass die Einheit, von der der Apostel Paulus hier spricht, etwas ganz Anderes ist als Uniformität oder als Kollektivierung, ja, dass diese Einheit auch nicht durch menschliche Zusammenschlüsse oder gar durch Zwangsmaßnahmen hergestellt wird. Vielmehr begründet der Apostel Paulus die Einheit der Kirche, passend zum Trinitatisfest, in der Dreieinigkeit Gottes selbst. Und genau das wollen wir uns nun noch einmal genauer anschauen:
Um erkennen zu können, worum es dem Apostel hier geht, müssen wir in unserer Predigtlesung diesmal ganz hinten ansetzen, beim letzten Vers: Da verweist St. Paulus auf den einen Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in allen.
Gott ist einer – nein, das ist nicht das Ergebnis einer religiösen Rationalisierungsmaßnahme. Der eine Gott, von dem St. Paulus hier redet, ist nicht ein höheres Wesen, auf dessen Existenz sich die monotheistischen Religionen geeinigt und auf das sie sich als kleinsten gemeinsamen Nenner verständigt hätten. Dieser eine Gott, um den es hier geht, ist nicht abhängig von dem, was Menschen über ihn denken, was Menschen für vernünftig und einsichtig halten. Einer ist er seinem Wesen nach, nicht in sich gespalten, sondern schlichtweg vollkommen. Nein, diese Welt hat ihren Ursprung nicht in einem Kampf verschiedener Götter, aus dem schließlich ein Gott als Sieger hervorgegangen ist. Diese Welt hat ihren Ursprung auch nicht in einer ewigen Dualität zweier Grundprinzipien. Sondern da ist er, der eine Gott, selber ursprungslos, selber über allen, weil er allein der Schöpfer ist und alles andere seine Geschöpfe.
Und dieser eine setzt sich nun zu der Welt, die er geschaffen hat, in Beziehung, wird für sie erkennbar in dem einen Herrn, der den Namen hat, der über alle Namen ist, den Namen Jesus Christus. Der eine Gott bestimmt den einen Weg, auf dem Menschen zu ihm kommen, der eine Gott wendet sich in einmaliger, letztgültiger Weise den Menschen zu, indem er seinen Sohn zu ihnen, zu uns sendet und in ihm selber Mensch wird. Der Einheit Gottes entspricht der eine Herr Jesus Christus. Nein, das Bekenntnis zu Jesus als dem Sohn Gottes bedeutet gerade keine Bestreitung des Bekenntnisses zu dem einen Gott, wie es etwa der Islam dem Christentum unterstellt. Sondern im Bekenntnis zu dem einen Herrn Jesus Christus bringen wir zum Ausdruck, dass der eine Gott nicht unendlich weit entfernt von der Welt bleibt, die er geschaffen hat, sondern sich ihr zugewendet hat. Und wir bringen im Bekenntnis zu Christus, dem Sohn Gottes, zugleich zum Ausdruck, dass die Einheit Gottes keine Monotonie bedeutet, keine Uniformität, sondern dass sich Einheit und lebendige Unterschiedenheit in dieser Einheit nicht ausschließen.
Und weil Christus, der Herr, einer ist, wie Gott, sein Vater, einer ist, kann es, so fährt St. Paulus hier fort, auch nur eine Kirche geben. Denn die Kirche ist eben gerade nicht ein Zusammenschluss gleichgesinnter religiös empfindender Menschen, kein Verein zur Pflege eines gemeinsamen Hobbys. Dann könnte es in der Tat mehrere solcher Zusammenschlüsse, mehrere solcher Vereine nebeneinander geben, die friedlich nebeneinander existieren könnten. Doch die Kirche ist in Wirklichkeit, so zeigt es uns St. Paulus hier, der Leib Christi, und weil Christus einer ist, hat er auch nur einen Leib, und in diesem einen Leib ist der eine Geist Gottes am Werk, den wir in der einen Taufe empfangen haben und der den einen Glauben wirkt. Nicht strategische Interessen und nicht gemeinsame Empfindungen begründen die Einheit der Kirche, sondern allein das Handeln des dreimal einen Gottes, wie es am deutlichsten erkennbar wird in der Taufe, die im Namen eben dieses dreimal einen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, vollzogen wird.
Nur eine Taufe gibt es. Darum erkennen die christlichen Kirchen in unserem Lande, von den Baptisten einmal abgesehen, auch die Taufen an, die in anderen Kirchen gespendet worden sind, wenn sie denn mit Wasser im Namen des dreieinigen Gottes vollzogen worden sind. Es gibt keine lutherische und keine römisch-katholische und keine evangelische Taufe, sondern nur die eine Taufe, in der der eine Geist Gottes geschenkt wird.
Und nur einen Glauben gibt es – auch wenn es dem Augenschein nach so viele verschiedene Glaubensbekenntnisse gibt, ja, Gott sei’s geklagt, sogar in ein und derselben Konfessionskirche. Doch wenn St. Paulus hier von dem einen Glauben spricht, dann macht er damit deutlich: Der Glaube der Kirche ist keine Verhandlungsmasse. Wir können unseren Glauben, unser Bekenntnis nicht an irgendwelchen Wünschen und Bedürfnissen ausrichten und uns einen neuen, zeitgemäßeren Glauben zulegen. Ja, natürlich können wir das, natürlich können wir den einen Glauben der Kirche weichspülen, bis schließlich nur noch eine konturlose Religiosität übrigbleibt. Aber die hat dann eben mit dem einen Glauben, der uns als Kirche von Christus, vom Geist Gottes vorgegeben ist, nicht mehr viel zu tun.
Eins sind wir, weil wir den einen Gott zum Vater haben, weil wir den einen Herrn Jesus Christus haben, weil der eine Geist Gottes uns in der einen Taufe in den einen Leib Christi eingefügt hat und uns den einen Glauben schenkt. Nein, diese Einheit müssen wir nicht schaffen, in diese Einheit sind wir auch nicht hineingezwungen worden, sondern diese Einheit ist uns schon vorgegeben, über die können wir immer wieder nur staunen. Was uns in der Kirche bleibt, ist, so formuliert es der Apostel hier, diese Einheit, diese Einigkeit zu wahren.
Denn bedroht wird diese Einheit immer wieder dadurch, so zeigt es der Apostel, dass wir Menschen uns in der Kirche selber in den Vordergrund spielen wollen, dass wir unsere Interessen und Wünsche für wichtiger halten als die Wahrung eben dieser Einheit. Demut, Sanftmut und Geduld nennt der Apostel dagegen als Heilmittel, das heißt, die Bereitschaft, um der Wahrung der Einheit der Kirche, der Gemeinde willen eigene Ansprüche zurückzustecken, zuerst und vor allem danach zu fragen, was den anderen in der Gemeinde hilft, in der einen Kirche zu Hause zu bleiben.
Was das ganz praktisch heißen kann, das haben wir in unserer Gemeinde gerade in den vergangenen Jahren nach dem Anschluss der Steglitzer Dreieinigkeitsgemeinde erfahren und in wunderbarer Weise praktiziert. Von Anfang an haben wir erfahren: Wir müssen nicht erst noch die Einheit der Gemeinden schaffen; diese Einheit existiert längst, weil wir den einen Glauben haben, der uns miteinander verbindet, die eine Hoffnung, zu der wir berufen sind. Und diese Einheit, die leben wir nun ganz praktisch. Beide Seiten sind dazu bereit gewesen, Verzicht zu üben, Rücksicht zu nehmen zugunsten der anderen, und beide Seiten haben erfahren, dass Einheit nicht Uniformität heißen muss, dass überall alles völlig gleich ablaufen muss. Aber es heißt zugleich auch, dass wir uns immer wieder von Neuem fragen, wo und wie wir diese Einheit, die wir längst haben, immer noch besser zum Ausdruck bringen können. Ja, St. Mariengemeinde heißen wir nun seit dreieinhalb Jahren alle miteinander. Aber auch wenn es die Dreieinigkeitsgemeinde nun nicht mehr gibt, so sind wir doch in Wirklichkeit in einem viel tieferen Sinne auch weiterhin eine Dreieinigkeitsgemeinde, eine Gemeinde, die darum eins ist, weil der Dreieinige Gott in ihr am Werk ist und am Werk bleibt. Und über diese Einheit können wir uns wirklich nur freuen. Amen.