24.12.2009 | Römer 1, 1-7 (Heilige Christnacht)

HEILIGE CHRISTNACHT – 24. DEZEMBER 2009 – PREDIGT ÜBER RÖMER 1,1-7

Paulus, ein Knecht Christi Jesu, berufen zum Apostel, ausgesondert zu predigen das Evangelium Gottes, das er zuvor verheißen hat durch seine Propheten in der Heiligen Schrift, von seinem Sohn Jesus Christus, unserm Herrn, der geboren ist aus dem Geschlecht Davids nach dem Fleisch, und nach dem Geist, der heiligt, eingesetzt ist als Sohn Gottes in Kraft durch die Auferstehung von den Toten. Durch ihn haben wir empfangen Gnade und Apostelamt, in seinem Namen den Gehorsam des Glaubens aufzurichten unter allen Heiden, zu denen auch ihr gehört, die ihr berufen seid von Jesus Christus. An alle Geliebten Gottes und berufenen Heiligen in Rom: Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus!

Ich hoffe, ihr habt alle eure Handys ausgeschaltet. Das wäre für uns alle ziemlich nervig, wenn solch ein schöner Christnachtsgottesdienst durch irgendwelche mehr oder weniger originellen Klingeltöne unterbrochen würde. Ja, ich hoffe, ihr habt alle eure Handys ausgeschaltet. Denn nur so können wir uns alle miteinander auf eine SMS konzentrieren, die uns gerade jetzt in diesen Minuten erreicht. Fast 2000 Jahre ist es schon her, dass diese SMS verfasst wurde, in einer Zeit, in der Mobiltelefone noch nicht ganz so verbreitet waren wie heute. Und so wurde diese SMS, die uns jetzt gerade erreicht, auch nicht mit einem flinken Daumen schnell mal eingetippt, sondern noch sehr viel mühseliger mit einem Schreibrohr auf einen Papyrus gemalt. Doch im Prinzip war das, was der Verfasser dieser SMS da vor knapp 2000 Jahren machte, nichts anderes als das, was auch heute Verfasser von solchen SMS immer wieder machen: Er verschickt eine Kurznachricht, um die Empfänger über etwas Wichtiges zu informieren.
Ja, natürlich ist der Brief des Apostels Paulus an die Römer sehr viel länger als die Einleitung, die wir eben vernommen haben. Weit mehr als 160 Zeichen hat Paulus damals auf den Papyrus gebracht. Doch gleich zu Beginn seines Briefes verschickt er eben erst einmal eine Kurznachricht, um sich mit den Empfängern seines Briefes zu verständigen. Er war ja noch nicht in Rom gewesen; aber er wollte da hin, und er wollte, dass die Gemeinde in Rom ihn auch als Apostel aufnahm. Und darum schickt er ihnen hier gleich zu Beginn erst mal eine Kurzzusammenfassung des christlichen Glaubens, damit die Christen in Rom auch wussten, mit wem sie es zu tun hatten, ja, damit die Christen in Rom merkten: Der gehört zu uns, der predigt genau das, was wir auch als Zentrum der christlichen Botschaft kennen.
Sagen wir es also ganz ehrlich: Eigentlich ist diese SMS, die der Apostel da schreibt, gar nicht an uns gerichtet. Aber in diesem Fall ist es nicht unhöflich, bei dieser SMS mitzulesen, die eigentlich für jemand anders bestimmt ist. Denn was der Paulus da an die Christen in Rom schreibt, gilt für uns eben genauso. Denn auch wir brauchen das ja immer wieder mal, dass uns ganz kurz und knapp beschrieben wird, worum es eigentlich in unserem Glauben geht, was unseren Glauben eigentlich ausmacht. Und das kann man eigentlich in drei Stichworten zusammenfassen:

- Weihnachten
- Ostern
- Taufe

I.

Warum ist Weihnachten so wichtig für unseren christlichen Glauben? Nein, es ist nicht deswegen so wichtig, weil es für so manchen ein Anlass ist, sich nach längerer Zeit doch mal wieder in der Kirche blicken zu lassen. Und es ist auch nicht deshalb so wichtig für unseren Glauben, weil unser Glaube nun mal ein schönes Gefühl wäre, das beim Anblick eines brennenden Weihnachtsbaumes besonders intensiv bei uns hervorgerufen wird. Sondern Weihnachten ist so wichtig für uns, weil es da um ein Ereignis geht, das unsere Blickrichtung auf Gott ein für allemal verändert hat. Normalerweise schauen wir ja, wenn wir an Gott denken, erst mal unwillkürlich nach oben. Irgendwo da oben, im Himmel, muss doch der liebe Gott zu finden sein, mögen wir meinen. Doch seit dem ersten Weihnachten damals vor gut 2000 Jahren müssten wir’s eigentlich wissen: Wir müssen in Wirklichkeit in eine ganz andere Richtung schauen, um Gott zu finden: nicht nach oben, sondern ganz nach unten. Wenn ich nach oben blicke, dann kann ich da an den Himmel alle möglichen Bilder von Gott projizieren, die ich mir so machen mag: der alte Opa mit Rauschebart, der gütig lächelnde liebe Vater überm Sternenzelt, der überaus große und erhabene jenseitige Weltenherr, vor dem man sich nur fünfmal täglich in den Staub werfen kann. Doch den lebendigen Gott, den finde ich dort, wo wir Menschen von uns aus beim besten Willen nicht drauf gekommen wären: als Embryo im Leib eines armen jungen Mädchens in einer abgelegenen Provinz des damaligen römischen Weltreichs, als kleines Baby in einem Futtertrog. Der Sohn Gottes, der lebendige Gott, wird wirklich geboren, nach dem Fleisch, so fügt es Paulus in seiner SMS sofort hinzu: Gott wird Fleisch, wird ein sterblicher Mensch, nein, nicht nur vorübergehend, sondern für immer.
Nein, Gott veranstaltet da im Stall von Bethlehem keinen billigen Klamauk, dass er sich kurz mal zwischen Ochs und Esel medienwirksam ablichten lässt, um dann gleich wieder in den himmlischen Palast zu verschwinden. Sondern mit dieser Geburt, ändert sich das Verhältnis zwischen ihm und uns Menschen ein für allemal: Gott legt sich in diesem kleinen Kind in der Krippe endgültig fest, macht deutlich, dass er in alle Ewigkeit nicht mehr ohne uns Menschen auskommen will, weil er einer von uns geworden ist. Kein Leid, keine Sorge, kein Schmerz, keine Angst ist ihm von nun ab fremd, nichts von all dem, was du heute Nacht mit hier in diesen Gottesdienst geschleppt hast: Er weiß genau, wie es dir geht, denn er ist selber geboren worden wie du, hat selber einen menschlichen Körper, wie du, schaut dir nicht bloß irgendwo von oben verständnislos zu. Nein, Liebe ist es, die sein Verhältnis zu dir bestimmt, endgültig, unwiderruflich. Denn wenn Gott einmal etwas versprochen hat, dann steht er auch dazu – ja, auch das hat er zu Weihnachten deutlich gemacht. Schon lange hatte er angekündigt, dass er etwas unternehmen würde, um sein Volk Israel und durch dieses Volk alle Menschen zu retten. Ja, das konnte man auch damals, als Jesus in Bethlehem geboren wurde, alles schon in der Heiligen Schrift nachlesen, die Ankündigung des einen Nachkommen aus dem Königshaus David, der in Bethlehem zur Welt kommen würde. Und nun macht Gott all das, was er angekündigt und versprochen hatte, auch tatsächlich wahr, zeigt damit, dass er kein Sprücheklopfer, kein billiger Vertröster ist. Das galt damals, und das gilt bis heute: Wenn Gott dir etwas verspricht, dann hält er es auch, dann darfst du dich darauf mit deinem ganzen Leben verlassen. Darum geht es zu Weihnachten, und darum gehört Weihnachten auch unbedingt in die SMS des Paulus über den christlichen Glauben hinein.

II.

Aber nun endet die SMS von Paulus nicht mit Weihnachten. Im Gegenteil, so macht er hier deutlich: Wenn es in eurem Glauben nur um Weihnachten geht, wenn die Geburt des Babys im Stall von Bethlehem alles ist, was euch an Gott, an Jesus interessiert, dann habt ihr das Entscheidende noch gar nicht mitbekommen.
Ja, es stimmt, Gott ist Fleisch geworden, ist ein kleines Kind geworden. Aber dieses kleine Kind ist eben nicht in der Krippe liegen geblieben, ist groß geworden, ist schließlich ans Kreuz genagelt worden. Und auch das war und ist eben nicht das Ende der ganzen Geschichte. Nein, so betont es Paulus hier: Dieser Jesus Christus ist eingesetzt als Sohn Gottes in Kraft durch die Auferstehung von den Toten. Ja, um Tod und Auferstehung geht es ganz zentral im christlichen Glauben. Das lässt sich nicht ausblenden, auch nicht heute hier in der Christnacht. Im Dunkeln feiern wir diesen Gottesdienst, nicht bloß, weil das so schön romantisch aussieht, weil die vielen Kerzen dadurch besser zur Wirkung kommen. Sondern die Dunkelheit, in der wir diesen Gottesdienst feiern, erinnert uns an die Dunkelheit unseres Lebens, über dem immer wieder von Neuem der Schatten des Todes liegt, auch wenn wir daran heute Nacht vielleicht gar nicht erinnert werden wollen. Doch wir brauchen das als Christen eben nicht zu verdrängen, dass wir alle miteinander unserem Tod entgegengehen, dass keiner von uns weiß, ob dieses Weihnachten nicht vielleicht doch schon das letzte ist, das er oder sie hier auf Erden verbringt. Denn dieses kleine Baby in der Krippe, das ist in diese Welt gekommen, ist einer von uns geworden, um den Tod zu besiegen, um auch unserem Tod seinen Schrecken zu nehmen. Nein, nichts ist diesem Baby in der Krippe erspart geblieben, nicht die Folter und auch nicht die Hinrichtung, der grausame Tod. Aber der Weg dieses Kindes, das da in der Krippe lag, endet eben nicht in einem Grab, führt aus dem Grab heraus an die Schaltstelle der Macht über die ganze Welt, über das ganze Universum. Das Baby in der Krippe ist, vergessen wir es nie, unser Herr, der einen jeden von uns, der dich und mich einmal nach unserem Leben fragen wird. Und dann wird am Ende nur eines wirklich zählen, nur eines wirklich wichtig sein: Welche Bedeutung dieses Kind, ja dieser Herr, für unser Leben gehabt hat, ob der unser Leben bestimmt hat oder ob er höchstens einmal im Jahr am Heiligen Abend aus der Versenkung geholt wurde, um dort am nächsten Tag schon wieder zu verschwinden. Ja, Christus erwartet mehr von dir als eine sporadische Begegnung mit ihm; er will doch, dass du einmal auch so auferstehen wirst, wie er auferstanden ist, er will doch die ganze Ewigkeit mit dir verbringen.

III.

Und damit sind wir schon beim dritten Stichwort der SMS, die Paulus damals an die Gemeinde in Rom geschickt hat und die auch wir heute Nacht mitlesen dürfen: Es geht in unserem Glauben nicht nur um Weihnachten und Ostern, es geht auch um unsere Taufe. Ja, ich weiß, auch das Wort „Taufe“ kommt hier in unserer Epistel nicht vor, genauso wenig wie die Worte „Weihnachten“ und „Ostern“. Aber Paulus redet hier die Glieder der Gemeinde in Rom, und er redet auch euch heute Nacht als „berufene Heilige“ an. Ja, Heilige seid ihr alle miteinander, weil ihr getauft seid, denn die Taufe macht einem zum Heiligen. Nein, das heißt nicht, dass wir jetzt alle Kerzen löschen könnten, weil unsere Heiligenscheine die Kirche auch so genügend beleuchten würden. Nein, dass du durch die Taufe ein Heiliger bist, heißt einfach dies: Dieses Kind in der Krippe, dessen Geburt wir heute Nacht feiern, das hat auch in dein Leben schon ganz direkt eingegriffen. Das hat dir versprochen, mit dir durch das Leben zu gehen, auch wenn es in deinem Leben noch so dunkel werden sollte. Das hat dir versprochen, dass dein Leben nicht mit dem Tod endet, sondern durch den Tod hindurch weitergeführt wird in einem Licht, das auch die allerschönste und großartigste Weihnachtsillumination, die in diesen Tagen in unserer Stadt erstrahlt, unendlich in den Schatten stellt. Und darum ruft es dir dieses Kind aus der Krippe heute Nacht zu: „Hau nicht wieder von mir ab, pack mich nicht wieder in die Ecke deines Lebens! Ich habe alles für dich getan, ich habe dir alles geschenkt, was du brauchst, um für immer mit mir zu leben. Pack dieses Geschenk nicht achtlos beiseite, schmeiß es nicht weg mit der ganzen Weihnachtsverpackung, die du in den kommenden Tagen wieder entsorgen wirst! Komm stattdessen hierher nach vorne, noch heute Nacht, begegne mir, wenn ich zu dir kommen will mit meinem Leib und Blut, eingewickelt in den Windeln von Brot und Wein! Und dann kehr immer wieder zurück zu mir, nicht erst in einem Jahr oder noch später! Mensch, mach dir doch mal klar, was das heißt, dass du mich, deinen Gott, hier immer wieder empfangen und berühren darfst. Mach dir doch mal klar, was das heißt, dass ich durch dieses Heilige Mahl in dir lebe und dir damit Anteil gebe an meinem neuen Leben, das stärker ist als der Tod!“
Schwestern und Brüder, ich muss gestehen, dass ich das immer noch nicht kapiert habe, wie man das eigentlich anstellt, eine SMS zu schreiben. Viele von euch sind da sehr viel cleverer als ich. Und darum bitte ich euch: Leitet ihr die SMS, die der Apostel Paulus damals nach Rom geschickt hat, doch einfach weiter an eure Freunde und Bekannte: Ladet sie ein, hierher zu kommen, wo sie dem Kind in der Krippe, wo sie dem Herrn Jesus Christus immer wieder von Neuem begegnen können, wo auch sie von ihm so reichlich beschenkt werden. Ja, ladet sie ein zum Gottesdienst, warum nicht auch per Handy? Ja, ladet sie ein, und lasst euch natürlich auch selber immer wieder einladen, denn hier im Heiligen Abendmahl, da erfahren wir allen Ernstes Weihnachten und Ostern gleichzeitig! Amen.