23.03.2008 | 1. Korinther 15, 19-28 (Heiliges Osterfest)

HEILIGES OSTERFEST – 23. MÄRZ 2008 – PREDIGT ÜBER 1. KORINTHER 15,19-28

Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendesten unter allen Menschen. Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten als Erstling unter denen, die entschlafen sind. Denn da durch einen Menschen der Tod gekommen ist, so kommt auch durch einen Menschen die Auferstehung der Toten. Denn wie sie in Adam alle sterben, so werden sie in Christus alle lebendig gemacht werden. Ein jeder aber in seiner Ordnung: als Erstling Christus; danach, wenn er kommen wird, die, die Christus angehören; danach das Ende, wenn er das Reich Gott, dem Vater, übergeben wird, nachdem er falle Herrschaft und alle Macht und Gewalt vernichtet hat. Denn er muß herrschen, bis Gott ihm «alle Feinde unter seine Füße legt». Der letzte Feind, der vernichtet wird, ist der Tod. Denn «alles hat er unter seine Füße getan».  Wenn es aber heißt, alles sei ihm unterworfen, so ist offenbar, daß der ausgenommen ist, der ihm alles unterworfen hat. Wenn aber alles ihm untertan sein wird, dann wird auch der Sohn selbst untertan sein dem, der ihm alles unterworfen hat, damit Gott sei alles in allem.

Und wenn er denn doch im Grab geblieben wäre? – Schwestern und Brüder, müssen wir das mit der Auferstehung Jesu wirklich alles so eng sehen? Könnte man die Geschichte mit Ostern nicht doch ein wenig weiter fassen: Ostern – ein Symbol dafür, dass Gott unser Leben will; Ostern – ein Symbol dafür, dass die Liebe stärker ist als der Tod; Ostern – ein Symbol dafür, dass man die Hoffnung nicht aufgeben soll? Würde das alles etwa nicht gelten, wenn der Leichnam Jesu doch im Grab allmählich vor sich dahingemodert wäre? Berühren die schönen Osterbräuche, die Kerzen, die Eier, der Spaziergang in der erwachenden Natur nicht auch so unsere Herzen, ganz gleich, was sich damals in Jerusalem nun wirklich zugetragen haben mag? Und tragen wir nicht ohnehin eine unsterbliche Seele in uns, leben wir nicht ohnehin nach unserem Tode in einer geistigen Existenz bei Gott weiter – Auferstehung hin oder Auferstehung her?
Schwestern und Brüder, diese Fragen sind ja nicht an den Haaren herbeigezogen. Nicht wenige Pastoren, die selber in Wirklichkeit gar nicht glauben, dass Jesus leibhaftig auferstanden ist, werden sich heute Morgen wieder auf den Kanzeln dieser Republik winden, um die Osterbotschaft so der Gemeinde nahezubringen, dass die möglichst nicht allzu sehr merkt, was sie tatsächlich denken. Und auch uns selber mögen diese Gedanken ja nicht ganz unbekannt sein: Ja, was wäre, wenn – wenn er vielleicht doch drin geblieben wäre? Wäre das wirklich so schlimm?
So neu, Brüder und Schwestern, ist diese Fragestellung gar nicht. Schon der Apostel Paulus hatte sich genau mit dieser Frage herumzuschlagen, damals aus einem ganz aktuellen Grund, der uns auch heute gar nicht so fern liegt: Es war ja nicht so, dass die Leute damals zur Zeit des Apostels Paulus auf jedes Märchen hereinfielen und von daher auch keine Probleme damit hatten, zu glauben, dass Jesus auferstanden sei. Im Gegenteil: Etwas Verrückteres als die Behauptung, dass ein Mensch, der gestorben sei, wieder leibhaftig auferstanden sei, konnten sie sich kaum vorstellen. Wenn man starb, dann konnte man doch heilfroh sein, dass die unsterbliche Seele endlich dem elenden Gefängnis des Leibes entkommen konnte. Aber zu glauben, dass man nach seinem Tod zu einer neuen, leibhaften Existenz auferstehen könne – das war doch geradezu absurd! Nein, es waren nicht nur gebildete Heiden, die so dachten; auch in der Gemeinde in Korinth geisterten entsprechende Vorstellungen herum: Auferstehung der Toten – Das war doch Blödsinn! Ja, in der Taufe, da war man zu einem neuen, geistigen Leben auferstanden. Diese Auferstehung lag schon hinter einem. Aber dass da noch eine leibliche Auferstehung in der Zukunft auf einen warten sollte – das war doch Quatsch! Sollte der Leichnam von Jesus doch damals im Grab vergammelt sein – das war doch nicht wichtig. Hauptsache, seine Geisteskraft erfüllte sie, die Christen in Korinth, nun – das reichte doch!
Und genau mit diesen Vorstellungen, die so erstaunlich aktuell sind, setzt sich nun der Apostel Paulus im 15. Kapitel seines ersten Briefes an die Korinther auseinander, aus dem wir eben nun einen Abschnitt vernommen haben. Nein und noch einmal nein, so schreibt er es den Christen in Korinth: Nein, es ist nicht egal, ob der Leichnam Jesu im Grab geblieben ist, ob er leibhaftig auferstanden ist oder nicht. Sondern daran hängt nicht weniger als alles: unser ganzer Glaube, unsere ganze Hoffnung. Ja, so macht es St. Paulus auch uns heute Morgen deutlich: Wenn Christus im Grabe geblieben wäre, wenn er nicht auferstanden wäre, dann könnten wir jetzt einpacken:

- Dann wären wir in unserem Leben auf uns allein gestellt.
- Dann hätten wir keine Hoffnung am Grab eines Menschen.
- Dann bliebe das Ende dieser Welt offen.

I.

Es ist heutzutage ja in, religiöse Angebote nach dem Wellness-Faktor zu beurteilen: Was bringt mir dieses religiöse Angebot? Fühle ich mich auch gut dabei, wenn ich es praktiziere? Und wenn nicht, dann suche ich mir eben eine angenehmere Alternative. Schließlich soll mir die Religion dabei helfen, es mir in diesem Leben so richtig gut gehen zu lassen!
Unter dem Gesichtspunkt des Wellness-Faktors kann man den christlichen Glauben allerdings vergessen, so macht es der Apostel Paulus den Christen in Korinth hier sehr drastisch deutlich: „Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendesten unter allen Menschen.“ Christlicher Glaube ist keine Wohlfühlreligion, sondern er führt uns auf einen Weg hinter dem gekreuzigten Christus her. Wer an Christus glaubt, fühlt sich deswegen nicht immer happy und beschwingt, sondern der riskiert mit seinem Bekenntnis zu Christus Unannehmlichkeiten, Anfeindungen, Unverständnis, Spott, ja, in vielen Ländern dieser Erde auch Verfolgung und Tod. Das ist heute nicht anders, als es damals im 1. Jahrhundert nach Christus war.
Aber gerade damit, dass Christen diese ganzen Nachteile um ihres Glaubens willen in Kauf nehmen, stellen sie den Wellness-Faktor als Maßstab zur Beurteilung einer Religion ganz grundsätzlich in Frage: Was für eine primitive Religion wäre das, wenn sie nur zur Befriedigung der Bedürfnisse der Gläubigen dienen würde?! Was für ein primitiver Gott wäre das, der nur dazu da ist, den Gläubigen ihre Wünsche nach einem angenehmen, bequemen Leben, nach einem religiösen Egotrip zu erfüllen?! Nein, wenn Gott Gott ist, dann stellt sich die Frage nach ihm, nach seinem Willen, ja nach der Wahrheit viel grundsätzlicher, ganz unabhängig von meinem Ergehen. Dann macht es Sinn, sich sein irdisches Leben um dieses Gottes willen menschlich gesprochen auch versauen zu lassen, wenn wir dabei zugleich Gott selber und das Leben mit ihm gewinnen.
Doch genau das wäre nun in Frage gestellt, wenn Jesus nicht von den Toten auferstanden, wenn er im Grab geblieben wäre. Dann stünde ich in der Tat mit meinem Glauben ganz allein da, hätte nichts, worauf ich mich in meinem Glauben zurückbeziehen könnte. Ja, was wäre das dann für ein Gott, an den ich glauben würde, wenn es nicht der Gott wäre, der die Toten auferweckt, wie Paulus ihn, den lebendigen Gott, nennt? Wie sollte ich irgendeine Hoffnung haben, die über mein irdisches Leben hinausreicht, wenn Gott sogar Jesus im Grab gelassen hätte, von ihm nicht mehr übriggelassen hätte als einige gute Sprüche, die er zu Lebzeiten von sich gegeben hat? Dann könnte ich mir in der Tat irgend so eine Wellness-Religion aussuchen, damit ich mir die paar Jährchen, die ich hier auf Erden noch zu leben habe, so angenehm wie möglich gestalte.
Doch halt: Wir brauchen nicht weiter zu spekulieren, was wäre wenn. „Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten als Erstling unter denen, die entschlafen sind“, schreibt der Apostel. Nein, das hat Paulus nicht bloß irgendwo per Buschfunk mitbekommen, dass dieser Jesus angeblich auferstanden sein soll. Im Gegenteil: Er hat ihn mit eigenen Augen gesehen, hat sich von ihm sein ganzes Leben von oben bis unten umkrempeln lassen. Wenn für Paulus irgendetwas in seinem Leben sonnenklar war im wahrsten Sinne des Wortes, dann dies, dass dieser Jesus sein Grab verlassen hat und auferstanden ist. Und das war für ihn eben nicht bloß irgend so ein sensationelles Einzelereignis, sondern wenn Christus sein Grab verlassen hatte und auferstanden war, dann bedeutete dies nicht weniger als den Beginn des Jüngsten Tages: Die Totenauferweckung am Ende der Zeiten, sie hat nun schon begonnen und lässt sich nun gar nicht mehr stoppen: Wenn Christus als Erstling auferstanden ist, dann geht es gar nicht anders, als dass alle anderen, die mit ihm verbunden sind, eben auch folgen, auch mit ihm auferstehen. Dann ist die entscheidende Frage meines Lebens nicht mehr: Fühle ich mich auch wohl bei dieser Religion? Sondern: Wie kann ich in Christus, dem ersten Auferstandenen, sein und bleiben? Denn die, die „in Christus“ sind, das sind die, die eben auch mit ihm lebendig gemacht werden, betont der Apostel. Und von daher bekommen dann die Taufe und das Abendmahl ihren tiefsten Sinn: Denn in der Taufe ziehe ich ja Christus an wie ein Gewand, lebe durch die Taufe in Christus. Und „wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich in ihm“, sagt Christus über das Heilige Abendmahl. Wäre Christus nicht leibhaftig auferstanden, dann wären die Taufe und das Abendmahl leere Rituale, die man sich auch schenken könnte. Weil aber Christus auferstanden ist, werde ich durch Taufe und Abendmahl mit ihm, dem lebendigen Herrn, verbunden, ist das wichtiger für mich als alles andere, was es sonst für mich auf dieser Erde noch geben mag. Ja, was für ein Glück, dass ich in meinem Leben eben nicht auf mich allein gestellt bin!

II.

Was wäre, wenn – was wäre, wenn Jesus nicht leibhaftig auferstanden wäre? Diese Frage gewinnt ihre besondere Dringlichkeit natürlich immer dann, wenn wir am Grab eines geliebten Menschen stehen oder wenn es uns selber immer deutlicher vor Augen tritt, dass wir selber bald diejenigen sein werden, an deren Grab andere stehen werden. Was wäre, wenn Jesus nicht auferstanden wäre? Dann könnten wir uns in der Tat bei Beerdigungen nur selber etwas in die Tasche lügen; dann könnten wir versuchen, unseren Schmerz über den Verlust eines lieben Menschen mit pseudoreligiösem Gesülze zu überdecken; aber es würde doch alles nichts an der Tatsache ändern, dass mit dem Tod alles aus und vorbei wäre, dass wir dann ebenso wenig wieder aus dem Grab herauskämen, wie Jesus damals aus dem Grab herausgekommen wäre. Ob ich dann noch im Gedächtnis meiner Lieben weiterlebe, kann mir persönlich erst mal piepsegal sein, wenn mich selber doch nur die Würmer fressen oder mein Leichnam zu Asche verarbeitet wird. Gewiss, Menschen haben sich immer irgendwelche Vorstellungen von einem Leben nach dem Tod gemacht, davon, dass sie dann irgendwie geistig weiterleben. Doch wer sagt uns, dass diese ganzen schönen Vorstellungen von diesem Leben nach dem Tod letztlich nicht doch nur die Projektionen unserer Wünsche und Vorstellungen aufs Jenseits sind? Ja, an diesem Punkt haben die Atheisten mit ihrer Religionskritik schon sehr recht: mit einem eingebildeten, gewünschten Leben nach dem Tod kommen wir nicht weiter; das hat keinen Bestand angesichts der harten Realität des Todes.
Nein, diese harte Realität des Todes leugnen wir als Christen gerade nicht. Im Gegenteil: Wir bekennen, dass auch Christus selber diese harte Realität des Todes bis in die letzte Konsequenz durchlitten hat. Doch dann hat er eben die Endgültigkeit des Todes durchbrochen, und seitdem brauchen wir eben nicht mehr ohne Hoffnung an den Gräbern unserer Lieben zu stehen, brauchen wir nicht ohne Hoffnung auf das Ende unseres eigenen Lebens blicken: Ja, als Nachkommen Adams sterben wir Menschen alle miteinander; aber die, die in Christus sind, werden wieder lebendig gemacht werden, wie er, Christus, zum Leben auferweckt worden ist. Das erste Grab ist schon leer, und so wird die Entleerung der übrigen Gräber auch noch folgen. Nein, keine Rückkehr als Zombies steht uns bevor, sondern die Auferstehung in ein neues Leben hinein, leibhaftig, gewiss, und doch nicht mehr gebunden an die Dimensionen dieser vergehenden Welt.
Noch ist es nicht soweit. Noch stehen auch wir Christen an den Gräbern und weinen, weil wir nicht mehr sehen als den Sarg und das Loch in der Erde. Ja, Christus mutet uns dieses Warten, dieses oftmals so quälend lange Warten zu. Aber er lässt uns eben nicht ohne Hoffnung an den Gräbern stehen: Auch wenn unsere Auferstehung erst noch bevorsteht, so hat sie doch zugleich schon begonnen, damals an jenem Ostermorgen in Jerusalem. Ja, unsere Hoffnung angesichts des Todes ist kein Wunschtraum; sie hat ihren festen Grund in dem Geschehen, das wir heute Morgen feiern.

III.

Aber nun geht der Apostel Paulus hier in unserer Predigtlesung noch einen Schritt weiter: Was damals am Ostermorgen in Jerusalem geschehen ist, das hat seine Auswirkungen nicht bloß auf uns persönlich, sondern auf die Zukunft der ganzen Welt.
Wenn wir uns unsere Welt anschauen, dann bedarf es schon einer gehörigen Portion Fantasie und Blauäugigkeit, um zu behaupten, dass sich diese Welt allmählich in ein Paradies verwandelt und immer besser und vollkommener wird. Nein, so spüren wir es immer deutlicher: Diese Welt scheint im Gegenteil immer mehr außer Kontrolle zu geraten, und eigentlich weiß keiner so recht, wie wir Menschen dies verhindern könnten. Nein, wenn wir Menschen in dieser Welt nur auf uns allein gestellt wären, dann wäre es wohl viel wahrscheinlicher, dass diese Welt endgültig im Chaos versinkt, als dass sich in ihr der Himmel auf Erden einstellt.
Doch nun beschreibt der Apostel Paulus hier in unserer Predigtlesung ein geradezu atemberaubendes Geschehen: Was damals an jenem Ostermorgen, vermutlich dem 9. April des Jahres 30, in Jerusalem geschah, das wird sich einmal auswirken auf das Geschick der gesamten Welt, ja des gesamten Universums: Seit jenem Ostermorgen hat Christus die Herrschaft über die Welt angetreten, und bei seiner Wiederkunft wird er sie endgültig für alle sichtbar durchsetzen, wird alle Mächte, die sich Gott widersetzen, endgültig vernichten, ja wird am Ende auch den Tod endgültig vernichten. Am Ende dieser Welt wird Gott allein als der Herr über alles, als der Herr des Alls stehen, und die, die mit ihm, Christus, verbunden waren, werden auch mit ihm, Gott dem Vater, unlöslich verbunden sein, werden selber erfahren, was das heißt, dass Gott alles in allem sein wird.
Was für eine Perspektive eröffnet uns der Apostel hier: Ja, „wär er nicht erstanden, so wär die Welt vergangen“, so singen wir es dem heiligen Paulus nach. Aber weil Christus erstanden ist, haben wir allen Grund, fröhlich unser „Halleluja“ anzustimmen: Alle werden sich einmal vor Christus beugen, ihn als Herrn anerkennen müssen: die, die jetzt noch kluge oder saudumme Bücher darüber schreiben, warum es Gott nicht gibt, die, die dich jetzt noch auslachen, wie du bloß so blöde sein kannst, zur Kirche zu laufen, die, die jetzt die Rechte von Menschen mit den Füßen treten, die Verbrecher und Massenmörder, keiner wird ausgenommen werden. Nichts wird uns dann einmal noch ängstigen und bedrohen: Alle Mächte des Bösen wird Christus vernichten, alle Waffenarsenale dieser Welt und den Tod selber dazu. Nie mehr sterben müssen, nie mehr krank sein, nie mehr einen geliebten Menschen verlieren – was für Aussichten sind es, die uns Paulus hier eröffnet, ja, einzig und allein, weil Christus nicht im Grab geblieben, weil er auferstanden ist. Nein, das Ende dieser Welt ist seit Ostern nicht mehr offen – und da sage noch einer, es sei egal, ob Christus tatsächlich auferstanden ist oder nicht! Nein, daran hängt ganz wörtlich nicht weniger als alles! Darum hört’s: Er lebt, er ist wahrhaftig auferstanden! Halleluja! Amen.