03.09.2008 | 1. Könige 17, 3. 7-16 (Mittwoch nach dem 15. Sonntag nach Trinitatis)

MITTWOCH NACH DEM 15. SONNTAG NACH TRINITATIS – 3. SEPTEMBER 2008 – PREDIGT ÜBER 1. KÖNIGE 17,3.7-16

Geh weg von hier und wende dich nach Osten und verbirg dich am Bach Krit, der zum Jordan fließt.
Und es geschah nach einiger Zeit, dass der Bach vertrocknete; denn es war kein Regen im Lande. Da kam das Wort des HERRN zu ihm: Mach dich auf und geh nach Zarpat, das bei Sidon liegt, und bleibe dort; denn ich habe dort einer Witwe geboten, dich zu versorgen. Und er machte sich auf und ging nach Zarpat. Und als er an das Tor der Stadt kam, siehe, da war eine Witwe, die las Holz auf. Und er rief ihr zu und sprach: Hole mir ein wenig Wasser im Gefäß, dass ich trinke! Und als sie hinging zu holen, rief er ihr nach und sprach: Bringe mir auch einen Bissen Brot mit! Sie sprach: So wahr der HERR, dein Gott, lebt: Ich habe nichts Gebackenes, nur eine Hand voll Mehl im Topf und ein wenig Öl im Krug. Und siehe, ich hab ein Scheit Holz oder zwei aufgelesen und gehe heim und will mir und meinem Sohn zurichten, dass wir essen - und sterben. Elia sprach zu ihr: Fürchte dich nicht! Geh hin und mach's, wie du gesagt hast. Doch mache zuerst mir etwas Gebackenes davon und bringe mir's heraus; dir aber und deinem Sohn sollst du danach auch etwas backen. Denn so spricht der HERR, der Gott Israels: Das Mehl im Topf soll nicht verzehrt werden, und dem Ölkrug soll nichts mangeln bis auf den Tag, an dem der HERR regnen lassen wird auf Erden. Sie ging hin und tat, wie Elia gesagt hatte. Und er aß und sie auch und ihr Sohn Tag um Tag. Das Mehl im Topf wurde nicht verzehrt, und dem Ölkrug mangelte nichts nach dem Wort des HERRN, das er durch Elia geredet hatte.

Was es heißt, Hunger zu haben, weiß ich auch. Wenn ich Hunger habe, dann gehe ich an meinen Kühlschrank und hole mir da was raus – und dann ist der Hunger wieder gestillt. Und wenn da in dem Kühlschrank nichts mehr drin ist, dann fahre ich eben einkaufen; mittlerweile gibt es ja Supermärkte, die rund um die Uhr geöffnet haben, da kann man sich dann auch nachts noch etwas kaufen, wenn einem danach zumute ist.
Was es heißt, Hunger zu haben, weiß ich auch. Aber was es heißt, Hunger zu haben und diesen Hunger nicht stillen zu können, nicht bloß für eine kürzere Zeit mal auf Essen zu verzichten, und das dann auch noch freiwillig, sondern zu hungern, ohne eine Möglichkeit zu sehen, an Essen heranzukommen, ja, was das heißt, das weiß ich aus eigener Erfahrung nicht. Von manchem Gemeindeglied habe ich solche Hungergeschichten gehört, Hungergeschichten, die die Gemeindeglieder selber erlebt haben, Hungergeschichten, bei denen dann auch davon die Rede ist, dass Menschen an diesem Hunger tatsächlich gestorben sind.
Eine solche Hungergeschichte wird uns hier auch im 1. Königebuch erzählt. Von einer lokalen Klimakatastrophe berichtet die Heilige Schrift hier, an der auch alle Versuche, irgendwelche Fruchtbarkeitsgötter zum Eingreifen zu bewegen, nichts ändern. Im Gegenteil: Die große Dürre, von der hier die Rede ist, soll nach dem Willen Gottes den Menschen gerade zeigen, was für ein Irrtum es ist, sich auf irgendwelche Baale, irgendwelche Regengötter zu verlassen. Die Dürre hat Konsequenzen: Eine Hungersnot bricht aus, die von Israel bis ins Gebiet des heutigen Libanon reicht. Dorthin, nach Zarpat in der Nähe von Sidon, schickt Gott seinen Propheten Elia; dort will er ihn in der Zeit der Hungersnot versorgen und verbergen – ausgerechnet bei einer Witwe, ausgerechnet bei einer Frau, die als Witwe zu den Ärmsten der Armen gehörte, die natürlich überhaupt nicht dazu in der Lage war, irgendwelche Schwarzmarktpreise für die noch verbliebenen Lebensmittel zu zahlen. Gott schickt den Elia also nach Zarpat; bereits im Stadttor begegnet er dieser Witwe. Die ahnt noch nichts von ihrem Glück; im Gegenteil: Sie ist gerade dabei, sich und ihrem Sohn gleichsam eine Henkersmahlzeit zuzubereiten. Die wichtigsten Lebensmittel, Mehl und Öl, gehen ihr gerade aus; so will sie sich und ihrem Sohn aus dem letzten Rest im Topf und im Krug noch einmal eine Mahlzeit zubereiten. Danach blieb den beiden nur noch das Warten auf den Tod. Holz sammelt die Witwe gerade zum Feuermachen für diese letzte Mahlzeit, als Elia sie antrifft und sie auffordert, ihr Wasser zu holen. Auch wenn die Frau nicht in Israel wohnt, muss sie den Elia doch erkannt haben, so wird aus dem folgenden Gespräch deutlich; sein Ruf als Prophet reichte über die Grenzen Israels hinaus. Jedenfalls lässt die Witwe tatsächlich alles stehen und liegen, um dem Elia Wasser zu holen. Doch während sie noch auf dem Weg ist, ruft der Elia ihr hinterher: „Bring mir auch einen Bissen Brot mit!“ Was für eine geradezu makabre Aufforderung! „Wir sind hier nicht bei Kaiser’s oder bei ALDI“, möchte man dem Elia zurufen. „Es herrscht Hungersnot, wenn du es nicht mitbekommen hast, und in einer Hungersnot eine Witwe zu bitten, Brot zu holen, das ist schon heftig.“ Doch die Witwe zeigt eine bemerkenswerte Geduld mit dem fremden Gast. Sie zeigt ihm nicht einfach einen Vogel und lässt ihn da im Stadttor stehen, sondern sie erklärt ihm in aller Ruhe noch einmal ihre verzweifelte Situation, nicht ohne dabei den Namen des Gottes Israels, des Gottes Elias, anzurufen: „So wahr der HERR, dein Gott, lebt!“ Die Quintessenz ihrer Schilderung ist sehr knapp: „Wir sind gerade dabei zu essen – und zu sterben.“ Und darauf antwortet nun der Elia mit Worten, die für jeden halbwegs vernünftig denkenden Menschen eine einzige Zumutung sein mussten: „Fürchte dich nicht!“ – So sagt er, als ob die Frau sich ihre verzweifelte Situation nur einbilden würde! Und dann setzt er noch einen oben drauf: „Geh hin, back das Brot, wie du es vorgenommen hast – und dann bring mir es heraus, damit ich was zu essen habe. Danach kannst du dir und deinem Sohn ja immer noch was zu essen machen!“ „Hast du nicht richtig zugehört?“ – So mögen wir einwenden. „Es gibt kein ‚Danach’ nach diesem ersten Brot; es ist das letzte, was die Frau gerade zusammenkratzt; und das willst du ihr wegfuttern?“ Doch Elia fährt fort: „So spricht der Herr, der Gott Israels: Das Mehl im Topf soll nicht verzehrt werden, und dem Ölkrug soll nichts mangeln bis auf den Tag, an dem der Herr regnen lassen wird auf Erden.“ Ein Wunder kündigt Elia an, ohne zu erklären, wie dieses Wunder denn möglich sein soll. Als einzige Begründung wird angeführt: „So spricht der HERR, der Gott Israels.“ Das soll der Frau reichen – und es reicht ihr tatsächlich. Das Wunder geschieht, das nicht geringer ist als das Wunder des Mehltopfs und des Ölkrugs, das Wunder, dass die Witwe dem Wort des Elia, ja, dem Wort Gottes traut und genau das macht, was Elia ihr sagt: Sie backt ihm das Brot, und danach backt sie auch noch für sich und ihren Sohn, und so geht es weiter Tag um Tag: Elia wird von Gott wunderbar vor dem Verhungern bewahrt und mit ihm auch die Witwe mit ihrem Sohn.
Was hat diese Erzählung von Elia und der Witwe mit uns zu tun, die wir unter keiner Hungersnot leiden und in deren Mitte auch kein Elia unterwegs ist?
Ach, Schwestern und Brüder, so ganz weit weg liegt die Einstellung der Witwe doch gar nicht von dem, was Menschen auch zu anderen Zeiten denken und machen – bis auf den heutigen Tag. Wir wollen Brot backen, dass wir essen und sterben, so heißt es hier. „Lasst und essen und trinken, denn morgen sind wir tot“ – so zitiert der Apostel Paulus die Einstellung vieler seiner Zeitgenossen. Ja, lasst uns das Leben genießen, das wir jetzt haben; wir haben nur dies eine Leben, und wer weiß, wie lange wir es noch genießen können! Diese Worte könnten nicht nur im Jahr 50 nach Christus, sondern auch im Jahr 2008 gesprochen sein: Hauptsache, ich kriege jetzt noch was vom Leben mit; Hauptsache, ich habe jetzt noch meinen Spaß; Hauptsache, ich verpasse jetzt nichts. Und umgekehrt gibt es dann diejenigen, die meinen, mit ihrer Ernährung, mit ihrem gesunden Lebensstil dem Tod doch ein Schnippchen schlagen zu können. Anti Aging so nennt sich das dann auf Neudeutsch und dazu gehört der Glaube, man könne essen und dadurch jedenfalls erst einmal für längere Zeit nicht sterben, ganz im Unterschied zu jener Witwe. Doch ganz gleich, ob wir jetzt auf den Kopf hauen, was wir in unserem Leben haben, oder ob wir meinen, das Geheimnis der ewigen Jugend gefunden zu haben: Für alle Menschen gilt: Sie essen – und sterben, essen sich eben doch ihrem Tod entgegen.
Ja, das gilt auch für uns. Doch auch uns lässt Gott der Herr ausrichten: „Fürchte dich nicht! Du sollst essen – und leben, nein nicht bloß ein paar Jährchen länger hier auf der Erde; nein, du sollst leben – in alle Ewigkeit. Wie das genau geschieht“, sagt Gott, „erkläre ich dir nicht. Iss einfach das Brot, das ich dir reiche, nein, nicht nur einmal, sondern immer wieder, Sonntag für Sonntag und wann immer es dir angeboten wird, iss das Brot, das ich dir reiche, hier am Altar. Das geht nicht aus, das ist wunderbarerweise immer wieder neu da, und in diesem Brot empfängst du Leben, Leben, das stärker ist als der Tod, weil darin der leibhaftig gegenwärtig ist, der dem Tod die Macht genommen hat, er, Christus, das wahre Brot des Lebens.“
Hingehen sollen wir und tun, was der Herr uns sagt, wie es die Witwe damals getan hat. Alle vernünftigen Einwände und Fragen sollen und dürfen wir zurückstellen. Denn wenn Gott spricht, dann weiß er, was er sagt, dann dürfen wir uns auf sein Wort verlassen, das bewirkt, was es sagt. Und so dürfen wir hier in jedem Gottesdienst ein Wunder erleben, das noch viel größer ist als das Elia-Wunder, dürfen erleben, wie wir alle miteinander hier vor dem Tod, ja, vor dem ewigen Tod bewahrt werden in der Kraft der Speise, die wir hier empfangen.
Und diese Erfahrung mag uns dann auch helfen, uns auch in unserem Alltag immer wieder neu auf das Wort unseres Herrn zu verlassen, ja, uns ihm mit unserem ganzen Leben zu überlassen. Die Zumutung, die die Witwe damals auf sich nehmen musste, war ja, dass sie erst einmal alles abgeben musste, was sie hatte, bevor sie erfuhr, dass Gott sein Wort wahrmachte und sie tatsächlich so beschenkte, wie er es versprochen hatte. Die Witwe durfte sich nicht erst einmal einen Brotvorrat anlegen und dann, als sie erfahren hatte, dass es klappt, daraus auch dem Elia etwas abgeben. Genau umgekehrt lief es bei der Witwe ab. Und so mögen auch wir es in unserem Leben immer wieder erfahren: Wenn Gott uns sagt, dass wir uns nicht zu sorgen brauchen, dann schickt er uns nicht erst einmal ausreichend Beweismaterial dafür, dass seine Zusage stimmt, dann sichert er unser Leben nicht erst einmal ab, damit wir es dann auch wagen können, ihm zu vertrauen. Sondern er mutet es uns immer wieder zu, ihm zu vertrauen ohne Netz und doppelten Boden. Ja, er erwartet von uns, dass wir ihm vertrauen, ohne ausrechnen zu können, dass sich das auch lohnt. Das geht hinein bis in den Bereich von Geld und Besitz, so haben wir es eben auch wieder im Heiligen Evangelium gehört. Ja, Gott erwartet von uns, dass wir nicht erst einmal alles, was wir haben, für uns selber einsetzen und dann am Ende überlegen, ob wir vielleicht auch noch ein bisschen was für den lieben Gott übrig haben. Sondern er erwartet von uns, dass wir von dem, was wir haben, ganz fröhlich, ohne Berechnung, abgeben, im Vertrauen darauf, dass Gott uns nicht fallenlassen wird, auch wenn wir das vorher nicht schon alles genau berechnen und absichern können. Besser als die Witwe von Zarpat haben wir es allemal. Vergessen wir nie, wem wir dies verdanken: Ihm, der für uns noch viel besser sorgt, ja, auch heute wieder mit der Speise und dem Trank des ewigen Lebens. Amen.