29.06.2007 | St. Matthäus 16, 13-19 (Tag der Apostel St. Petrus und St. Paulus)

TAG DER APOSTEL ST. PETRUS UND ST. PAULUS – 29. JUNI 2007 – PREDIGT ÜBER ST. MATTHÄUS 16,13-19

Da kam Jesus in die Gegend von Cäsarea Philippi und fragte seine Jünger und sprach: Wer sagen die Leute, dass der Menschensohn sei? Sie sprachen: Einige sagen, du seist Johannes der Täufer, andere, du seist Elia, wieder andere, du seist Jeremia oder einer der Propheten. Er fragte sie: Wer sagt denn ihr, dass ich sei? Da antwortete Simon Petrus und sprach: Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn! Und Jesus antwortete und sprach zu ihm: Selig bist du, Simon, Jonas Sohn; denn Fleisch und Blut haben dir das nicht offenbart, sondern mein Vater im Himmel. Und ich sage dir auch: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen. Ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben: Alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein.

Im Augenblick herrscht in Mannheim große Aufregung: Da hat sich die DaimlerChrysler AG von ihrer amerikanischen Tochter Chrysler getrennt und will sich jetzt nur noch „Daimler AG“ nennen. Das geht nicht, so protestierte umgehend der Mannheimer Bürgermeister Gerhard Widder per Fax; in dem neuen Namen des Konzerns müsse auch der Mannheimer Carl Benz wieder seinen ihm gebührenden Platz erhalten. Schließlich sei Carl Benz der Erfinder des ersten richtigen Automobils und nicht der Schwabe Gottlieb Daimler. Wir mögen über diesen Streit zwischen Baden und Schwaben ein wenig schmunzeln: Was der heutige Konzern macht, hat sowieso nicht mehr viel mit dem zu tun, womit sich einst die beiden Herren Benz und Daimler beschäftigt haben. Ein bisschen Nostalgie, ein bisschen Lokalpatriotismus – um mehr geht es bei dieser Diskussion letztlich nicht.
Wenn wir heute den Tag der heiligen Apostel Petrus und Paulus feiern, dann geht es nicht bloß um ein bisschen Nostalgie, dass wir uns noch einmal an zwei Namen erinnern, die ganz am Anfang der Geschichte der Kirche gestanden haben, die aber mit dem, was heute in der Kirche abläuft, eigentlich nicht mehr viel zu tun haben. Wäre die Kirche, die wir heute sind, eine ganz andere als die, von deren Gründung Christus selber im heiligen Evangelium des heutigen Festtages spricht, dann könnten wir unseren Laden schleunigst zumachen, dann hätten wir als Kirche heute keine Existenzberechtigung mehr. Nein, Kirche Jesu Christi können wir nur so bleiben, dass wir immer auch apostolische Kirche sind, Kirche, die sich nicht von diesem apostolischen Ursprung entfernt und selbständig gemacht hat, sondern an diesen Ursprung und damit an die Apostel selber immer rückgebunden bleibt. Ja, wir leben als Kirche

- vom Bekenntnis der Apostel
- aus der Vollmacht der Apostel

I.

Meinungsumfragen sind heute ja sehr beliebt. Zu allem Möglichen können die Menschen heute ihre Meinung äußern, und das Ergebnis dieser Meinungsumfragen wird dann in den verschiedensten Medien der Öffentlichkeit präsentiert: Schaut euch an, soundso viel Prozent der Bevölkerung sind dieser oder jener Meinung. Und diese Ergebnisse werden dann zugleich auch immer wieder als inhaltliches Argument gebraucht: Wenn ein so großer Teil der Bevölkerung dieser oder jener Meinung ist, dann muss das doch richtig sein, dann müssen sich die Verantwortlichen in der Politik und in der Gesellschaft doch danach richten.
Meinungsumfragen gibt es mittlerweile auch zu kirchlichen Fragen, ja zum Teil werden sie sogar in der Kirche selber veranstaltet. Und auch dort werden dann die Ergebnisse solcher Umfragen gerne einmal als Argument eingesetzt: Wenn nur noch soundso viel Prozent der Kirchglieder glauben, dass Jesus Gottes Sohn ist, dass er von einer Jungfrau geboren wurde, dass seine Gebote und Weisungen auch heute noch verbindlich sind, dann kann man das doch nicht einfach so in der Kirche festschreiben, dann muss man sich doch dem anpassen, was die Leute heute glauben und denken und hören wollen!
Im Heiligen Evangelium des heutigen Festtags wird auch von einer Meinungsumfrage berichtet. Kein Geringerer als Jesus veranstaltet diese Meinungsumfrage hier, lässt seine Jünger hier nun die Ergebnisse dieser Umfrage vortragen: Wer sagen die Leute, dass der Menschensohn sei? Vier Antworten geben die Jünger hier: „Einige sagen, du seist Johannes der Täufer, andere, du seist Elia, wieder andere, du seist Jeremia oder einer der Propheten.“ Doch Jesus – der nimmt diese Antworten nicht als vier Lösungsvorschläge, von denen er sich nun einen richtigen aussuchen kann wie ein Kandidat bei Günther Jauch. Sondern er wendet sich nun an die Apostel, fragt sie nach ihrem Bekenntnis, das sich eben gerade nicht an Meinungsumfragen orientiert, sondern allein an dem, was sie in der Kraft des Geistes Gottes erkannt haben. Und dieses Bekenntnis sieht nun in der Tat ganz anders aus als das Ergebnis der Meinungsumfragen: „Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn!“
Nein, dieses Bekenntnis ist nicht bloß ein aktuelles Stimmungsbild von vor knapp 2000 Jahren, sondern dieses Bekenntnis bleibt grundlegend für die Kirche aller Zeiten. Eine Kirche, die sich von diesem Bekenntnis löst, weil sie es nicht mehr für zeitgemäß hält, weil man das doch heute nicht mehr so sagen könne, hört auf, Kirche Jesu Christi zu sein. Nein, die Kirche kann sich nicht so weiterentwickeln, dass sie diesen Ursprung des apostolischen Bekenntnisses aufgibt. Denn sie ist keine Partei, kein Weltanschauungsverein, der seine Positionen per Mehrheitsbeschluss verändern oder an die Erwartungslage der Leute anpassen könnte. Sondern die Kirche bleibt gegründet in einem einmaligen historischen Geschehen, in dem Kommen Jesu Christi in diese Welt, in seinem Tod am Kreuz und seiner Auferstehung. Und zu diesem historischen Geschehen gehört es eben auch, dass Christus für dieses Geschehen Augenzeugen erwählt hat, Menschen, die mitbekommen haben, was er gesagt und getan hat, und die davon Zeugnis ablegen konnten, weil Gott ihnen dabei zugleich die Augen geöffnet hatte, was dieses Kommen Jesu Christi in diese Welt in Wirklichkeit bedeutet. Petrus wird hier von Christus zum Felsen der Kirche gemacht; er und Paulus und die anderen Apostel sind, so haben wir es eben in der Epistel gehört, der Grund, das Fundament der Kirche. Wollte man die Kirche von diesem Fundament entfernen, so würde sie unweigerlich einstürzen.
Nein, die Kirche ist kein Betriebsunfall, der sich nach dem Tod Jesu ereignet hat und den Jesus selber eigentlich gar nicht so gewollt hat, wie es manche liberale Theologen behauptet haben und wie es zum Teil auch heute noch behauptet wird. Christus selber spricht hier vom Bau seiner Kirche, den er in Angriff nehmen will – und der Felsen, auf den er die Kirche baut, der steht ein für allemal fest: Es ist Petrus, der Apostel – nein, nicht ein Petrusamt, das für alle Zeiten in der Kirche weitergegeben werden soll, sondern es ist dieser einmalige, historische Petrus, dieser Apostel, an dessen Wort wie an das Wort der anderen Apostel wir als Kirche gebunden bleiben, weil wir eben nicht anders und nicht dichter an das herankommen, was Christus gesagt und getan hat, ja was er ist, als eben durch dieses Wort der ersten Apostel. Ja, wenn wir uns an diesen Petrus, an diesen Paulus, an ihr Wort, an ihr Bekenntnis halten, dann haben wir die Verheißung des Herrn, dass die Pforten der Hölle seine Gemeinde nicht überwältigen werden. Dann brauchen wir uns vor keinen Meinungsumfragen, vor keinen Angriffen auf die Kirche von innen und von außen zu fürchten. Er, Christus, der siegreich niedergefahren ist zur Hölle, wird seine Gemeinde bewahren auf diesem Grund der Apostel, was uns auch erschrecken und in Sorge versetzen mag. Ja, wie gut, dass uns der heutige Aposteltag daran wieder neu erinnert!

II.

Doch wenn wir daran festhalten, dass wir auch heute apostolische Kirche sind, dann geht es noch um mehr. Dann geht es nicht bloß darum, dass wir an der Lehre der Apostel festhalten, daran, dass wir sie nicht verändern oder weiterentwickeln sollen und dürfen. Sondern es geht darum, dass wir in der Kirche auch heute noch in der apostolischen Vollmacht handeln dürfen. Unfasslich ist die Vollmacht, die Christus hier dem heiligen Petrus verleiht: Die Schlüssel des Himmelreichs überreicht er ihm; an seinem Wort, an seinem Binden und Lösen hängt es, ob Menschen der Himmel auf- oder zugeschlossen wird: Wenn ein Mensch hier auf Erden von seiner Schuld losgesprochen wird, wenn ihm damit die Tür zum Himmel wieder aufgeschlossen wird, dann gilt das genauso bei Gott, dann bindet er sich in seiner Entscheidung an das, was hier auf Erden geschieht. Und wenn ein Mensch sich der Vergebung Gottes verweigert, wenn er nicht zur Umkehr bereit ist, nicht bereit ist zu bekennen, dass er Gottes Vergebung braucht, wenn einem solchen Menschen seine Schuld behalten wird, wenn er an seine Schuld gebunden bleibt, dann gilt diese Entscheidung auch bei Gott selber. Was für eine unfassliche Vollmacht, die Christus hier aus seinen Händen in die Hände des heiligen Petrus, in die Hände der Apostel legt!
Und eben diese Vollmacht, die die Apostel damals empfangen haben, ist seitdem immer weitergereicht worden, geschieht dies bis heute in jeder heiligen Ordination. Nichts anderes, als was Petrus und den anderen Aposteln damals anvertraut wurde, tun wir auch heute, in derselben Vollmacht wie die Apostel damals auch. Gewiss, die heutigen Pastoren sind keine Apostel. Die Apostel sind und bleiben als Augenzeugen des Herrn, als Erstbeauftragte, als Fundamente der Kirche einmalig und unersetzbar. Aber das Amt, das wir heute in der Kirche ausüben, bleibt doch ein apostolisches Amt, ein Amt mit derselben Vollmacht wie das Amt der Apostel damals auch: Hier und heute wie in jedem Gottesdienst wird Menschen die Tür zum Himmel aufgeschlossen, in jeder Predigt, bei jeder Absolution, bei jeder Spendung des heiligen Mahles. Ja, du darfst gewiss sein, dass du in den Himmel kommst, weil das, was hier auf Erden geschieht, auch im Himmel gilt, weil es Gottes eigene Stimme ist, die du in der Menschenstimme hier im Gottesdienst vernehmen darfst, weil Christus seine Vollmacht bis heute Menschen anvertraut, die das, menschlich gesprochen, doch überhaupt nicht verdient haben. Nein, Petrus und Paulus sind für uns nicht bloß, was Gottlieb Daimler und Carl Benz für den heutigen Daimler-Konzern sind. Wir leben als Kirche auch weiter von ihrem Bekenntnis und aus ihrer Vollmacht. Und das wird auch so bleiben. Denn die Pforten der Hölle werden die Kirche nicht überwältigen können, Gott sei Dank! Amen.