28.05.2007 | St. Johannes 4, 19-26 (Pfingstmontag)

PFINGSTMONTAG – 28. MAI 2007 – PREDIGT ÜBER ST. JOHANNES 4,19-26

Die Frau aus Samarien spricht zu Jesus: Herr, ich sehe, daß du ein Prophet bist. Unsere Väter haben auf diesem Berge angebetet, und ihr sagt, in Jerusalem sei die Stätte, wo man anbeten soll. Jesus spricht zu ihr: Glaube mir, Frau, es kommt die Zeit, daß ihr weder auf diesem Berge noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet. Ihr wißt nicht, was ihr anbetet; wir wissen aber, was wir anbeten; denn das Heil kommt von den Juden. Aber es kommt die Zeit und ist schon jetzt, in der die wahren Anbeter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit; denn auch der Vater will solche Anbeter haben. Gott ist Geist, und die ihn anbeten, die müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten.
Spricht die Frau zu ihm: Ich weiß, daß der Messias kommt, der da Christus heißt. Wenn dieser kommt, wird er uns alles verkündigen. Jesus spricht zu ihr: Ich bin's, der mit dir redet.

Sie hatten sich ein Hufeisen an die Tür ihres Hauses gehängt. „Seid ihr etwa abergläubisch?“ – So fragten die Bekannten sie, als sie das Hufeisen an der Tür sahen. „Nein, natürlich sind wir nicht abergläubisch“, so antworteten die Hausbewohner. „Aber wir haben gehört, dass das Hufeisen auch dann Glück bringt, wenn man nicht dran glaubt!“
Sie hatte sich ihr Liebeshoroskop in der BRAVO genau durchgelesen: Auf sie als Skorpion wartete am Freitag die große Liebe. Also versah sie sich mit ihren BRAVO-Glücksarmbändern und marschierte am Freitagabend los. Nein, eigentlich glaubte sie ja gar nicht an diesen ganzen Kram; aber vielleicht war ja doch was dran. Und dann sollte man seine Chance auch nützen.
Er war durchaus sehr religiös, nur nicht so kirchlich. Er wusste: Gott ist ein geistiges Wesen, das ganz tief auch in ihm selber wohnt. Und so trug er Gott immer in sich, und wenn er Probleme hatte, dachte er auch daran und ließ sich von dieser inneren Stimme leiten. „Diese ganze äußere Religiosität brauche ich nicht“, sagte er. „Ich merke, wie ich mich selber innerlich immer weiter entwickle.“
Ja, Schwestern und Brüder, Religion ist heute wieder in. Und der Markt der Möglichkeiten, auf dem man sich bedienen kann, wenn man sich dafür interessiert, wird auch immer bunter. Und die Zeiten, in denen man behaupten konnte, dass es eigentlich nur einen Weg zu Gott gibt, die sind ja auch schon längst vorbei. Jeder hat eben seinen persönlichen Glauben, und letztlich führen doch alle Wege zu Gott, ob man nun Christ oder Moslem oder Buddhist ist oder Gott eben einfach irgendwo tief in seinem Inneren gefunden hat. Und von daher kann man die verschiedenen Angebote ja auch ganz gut miteinander kombinieren: Ich kann Weihnachten in die Kirche gehen und zugleich an die Reinkarnation, an die Wiedergeburt, glauben. Ich kann mein Taufkreuz tragen und gleichzeitig lieber doch dreimal auf Holz klopfen oder über meine Schulter spucken, damit mir kein Unglück geschieht. Ich kann zur Kirche gehören und gleichzeitig meinen persönlichen Glücksbringer im Auto baumeln haben. Ich kann mich für einen Christen halten und gleichzeitig glauben, ich käme dadurch in den Himmel, dass ich immer brav und anständig gewesen bin.
Was eigentlich doch gar nicht zusammenpasst, das fügen wir heute zusammen, weil es letztlich immer dieselbe Religiosität ist, die unser Denken und Handeln bestimmt: Wir Menschen können es auf den verschiedensten Wegen schaffen, an Gott heranzukommen, ja mehr noch: Wir Menschen können es mit den verschiedensten Mitteln und Tricks schaffen, Gott so zu benutzen, wie wir es wollen und brauchen und wie es für uns angenehm und praktisch ist. Was für ein Gott das ist, an den wir uns da wenden, das ist dann letztlich gar nicht mehr so entscheidend wichtig; Hauptsache, es klappt! Wenn es die Sterne sind, die mein Leben bestimmen, und ich die Möglichkeit habe, herauszufinden, was die Sterne mit mir vorhaben, dann lese ich eben mein Horoskop und glaube daran. Wenn es mir Glück bringt, dass ich mich vor jeder Klassenarbeit dreimal bekreuzige, dann ist das doch ein guter Trick, oder? Und wenn ich mich in meinem Leben wohlfühle mit dem Gedanken, dass ich Gott in mir habe und er mich als innere Stimme leitet – dann habe ich doch alles, was ich brauche! Ja, erstaunlich ist es immer wieder, wie wir Menschen es schaffen, Gott in unserem Leben passgenau dort unterzubringen, wo wir noch eine Ecke für ihn freigelassen haben und wo er uns nützt und wir ihn brauchen können: Gott als Glücksbringer, als religiöses Hintergrundgeräusch in unserem Leben, als moralische Stütze. Doch hier und da mag es dann eben doch passieren, dass uns selber Zweifel überkommen, ob wir Gott in dieser Weise als unseren Bimbo ausnützen können.
Und damit sind wir nun schon mittendrin in unserer heutigen Predigtlesung. Da sitzt Jesus zusammen mit einer Frau an einem Brunnen in Sychar in Samarien. Die Sonne brennt vom Himmel; doch der Frau wird in diesem Gespräch noch aus einem ganz anderen Grunde ganz heiß zumute. Obwohl sie Jesus nie zuvor gesehen hatte, kennt der genau die Geschichte ihres Lebens: „Fünf Männer hast du gehabt, und der, den du jetzt hast, ist nicht dein Mann“, so hatte es ihr Jesus auf den Kopf zugesagt. Jesus weiß, wie viel im Leben dieser Frau kaputtgegangen ist, er weiß um die ganze Schuld ihres Lebens, und er sagt es ihr direkt ins Gesicht, dass das in Gottes Augen eben auch keine Alternative ist, ohne die schützende Ordnung der Ehe einfach so mit einem Mann zusammenzuleben; nein, wenn sie meint, damit nun weiteres Scheitern in ihrem Leben vermeiden zu können, dass sie jetzt einfach mal unverbindlich mit einem Mann zusammen ist, dann lügt sie sich selber was in die Tasche, so sagt Jesus es ihr ganz unverblümt.
Die Frau ist von den Socken: Der blickt ja in das Innerste meines Lebens hinein; der muss von Gott kommen, und der kann mir dann auch sicher sagen, wie ich das schaffe, an Gott heranzukommen, so, dass der mich hört, dass der mir hilft in dem ganzen Chaos meines Lebens. Vielleicht habe ich in meinem Leben ja bisher einfach von der falschen Stelle aus zu Gott gebetet. Vielleicht haben die Juden ja doch recht, dass man vom Tempel in Jerusalem aus zu Gott beten muss und nicht von dem Berg Garizim, von dem aus wir, die Samariter, Gott anrufen.
Doch Jesus macht der Frau deutlich: Mit deiner Frage bist du auf dem falschen Dampfer. Es kommt nicht darauf an, von wo aus du zu Gott betest; du musst nicht irgendwelche Tricks kennen, um an Gott heranzukommen. Denn du schaffst es überhaupt nicht, mit deinen Kräften und Möglichkeiten zu Gott zu kommen. Gott lässt sich von uns nicht gebrauchen und in den Griff bekommen, er lässt sich nicht von uns als Maskottchen benutzen. Gott ist Geist, und das heißt: Er ist völlig anders als wir Menschen. Das, was wir Menschen uns unter Gott vorstellen, das sind immer nur selbstgebastelte Götter, das ist nicht der lebendige Gott. Die Art von Religion, die ihr praktiziert, sagt Jesus, die hat mit dem wahren, lebendigen Gott nichts zu tun. Sondern an Gott kommt ihr nur so heran, dass Gott zu euch kommt, dass er sich euch zu erkennen gibt, dass er euch sagt, was er von euch will und was er euch schenkt. Und, so sagt Jesus zu der Frau, wenn du wissen willst, wie Gott zu den Menschen gekommen ist, wie er sich ihnen zu erkennen geben will, dann sage ich dir auch gleich die Antwort: „Ich bin es, der mit dir redet.“ Halte dich an mich; dann kommst du an Gott heran, an Gott, der sich nicht benutzen lässt, der aber auch dein Leben in Ordnung bringen will, ja mehr noch: der dir Leben schenken will, das diesen Namen wirklich verdient, ewiges, unvergängliches Leben.
Solche Begegnungen mit Gott, die gibt es auch heute noch. Ja, Christus ist auch heute hinter einem jeden von uns her, wartet darauf, auch uns abzupassen, auch uns anzusprechen wie die Frau damals am Brunnen, damit wir kapieren, wer Gott wirklich ist, ja mehr noch: damit auch wir an diesen Gott herankommen. Ganz unterschiedlich können die Situationen sein, in denen er, Christus, uns anspricht und erreicht. Es mag sein, dass er darauf wartet, dass auch du mal in solch einer ähnlichen Situation bist wie die Frau hier in der Geschichte, dass du dir darüber klar wirst: Mensch, ich habe mich in meinem Leben total verrannt – da komme ich selber überhaupt nicht mehr raus, und ich beginne etwas davon zu ahnen, dass ich vor Gott aus dieser Geschichte erst recht nicht mehr herauskomme. Aber es mag auch sein, dass Christus dich auf anderen Wegen dahin führt, dass du merkst: Nein, so kann ich mit Gott nicht umgehen, dass ich ihn benutze, wie es mir gefällt, dass ich ihm in meinem Leben dann einen Termin einräume, wenn ich gerade mal Lust darauf habe. Sondern Gott, der weiß umgekehrt genau über mein Leben Bescheid; vor dem habe ich mich zu verantworten, und da steht für mich viel mehr auf dem Spiel als bloß die Frage, ob in meinem Leben alles so weiterläuft, wie ich mir das wünsche und vorstelle. Da geht es für mich um nicht weniger als um die Frage, ob ich einmal in aller Ewigkeit von Gott getrennt bleibe oder nicht. Und da nützen mir dann eben keine Horoskope, da nützt es mir auch nicht, dass ich doch insgesamt ein ganz netter, anständiger Mensch bin, da nützt mir auch meine Konfirmationsurkunde nichts, da nützen mir auch keine Maskottchen und Glücksbringer, sondern da nützt dir nur einer etwas, er, der auch zu dir sagt: „Ich bin’s, der mit dir redet.“ Ja, dieser Christus, der redet auch jetzt wieder zu dir in dieser Predigt und will dir dies eine klarmachen: Wenn du dein Leben nicht verpennen willst, wenn du wirklich an Gott herankommen und für immer mit ihm leben willst, dann geht das nur durch mich, Christus. Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater denn durch mich. Habt ihr ja alle mal im Konfirmandenunterricht gelernt. Und mich, Christus, findet ihr in der Tat nicht bloß in Jerusalem oder auf dem Berg Garizim, sondern mich findet ihr an ganz vielen verschiedenen Orten. Aber ihr findet mich eben nicht da, wo ihr es wünscht, nicht in euren Gedanken, nicht in eurem Inneren, nicht in eurem Bett, nicht beim Angeln am See, nicht in eurem Computer, sondern ihr findet mich da, wo ich es euch sage. Ihr findet mich überall da, wo Menschen in meinem Namen zusammenkommen und mein Wort hören, und ihr findet mich natürlich ganz konkret da, wo ich zu euch komme mit meinem Leib und Blut im Heiligen Abendmahl.
Wenn ihr mich da findet, sagt Christus, dann bringe ich in eurem Leben tatsächlich in Ordnung, was nicht in Ordnung war, dann schenke ich euch die Möglichkeit zum Neuanfang. Dann habt ihr sie tatsächlich, die direkte Verbindung zu Gott. Nein, das heißt nicht, dass in eurem Leben alles nach euren Wünschen läuft, dass alles in eurem Leben so klappt, wie ihr das wollt. Sondern das heißt, dass Gott euch so in eurem Leben führen will, wie es für euch am besten ist. Vertraut ihm, dass er weiß, was für euch gut ist, vertraut ihm, dass auch seine Gebote für euch gut sind, ja auch das sechste Gebot, dass es gut ist, wenn ein Mann und eine Frau heiraten und in der verbindlichen Ordnung der Ehe ein Leben lang zusammenbleiben und eben nicht unverbindlich einen Partner nach dem anderen ausprobieren. Vertraut Gott, dass der weiß, warum es für euch gut und wichtig ist, dass er euch einen Tag in der Woche gegeben hat, an dem ihr mir, Christus, hier begegnen könnt, damit ihr im Glauben an mich wachst und mich nicht zur schönsten Nebensache der Welt verkommen lasst.
Schwestern und Brüder: Horoskope, Hufeisen, Glücksbringer, den angeblichen Gott in euch, all das, was Menschen sich so an religiösem Kram ausgedacht haben – all das könnt ihr am Ende in der Pfeife rauchen. Das hilft euch nicht, das rettet euch nicht, damit kommt ihr nicht an Gott heran. Denn Gott ist längst da, ganz anders, als wir Menschen uns das gedacht haben, klein und verborgen in einem Stück Brot und einem Schluck Wein. Doch wer davon isst und trinkt, der hat nicht bloß Glück, der hat das Leben, ja, in dem lebt wirklich der lebendige Gott, Jesus Christus, er, der es jetzt zu dir in dieser Minute sagt: „Ich bin’s, der mit dir redet.“ Amen.