25.04.2007 | Apostelgeschichte 15, 36-41 (St. Markus)

ST. MARKUS – 25. APRIL 2007 – PREDIGT ÜBER APOSTELGESCHICHTE 15,36-41

Nach einigen Tagen sprach Paulus zu Barnabas: Lass uns wieder aufbrechen und nach unsern Brüdern sehen in allen Städten, in denen wir das Wort des Herrn verkündigt haben, wie es um sie steht. Barnabas aber wollte, dass sie auch Johannes mit dem Beinamen Markus mitnähmen. Paulus aber hielt es nicht für richtig, jemanden mitzunehmen, der sie in Pamphylien verlassen hatte und nicht mit ihnen ans Werk gegangen war. Und sie kamen scharf aneinander, sodass sie sich trennten. Barnabas nahm Markus mit sich und fuhr nach Zypern. Paulus aber wählte Silas und zog fort, von den Brüdern der Gnade Gottes befohlen. Er zog aber durch Syrien und Zilizien und stärkte die Gemeinden.

Vielleicht sind einige von euch heute Abend hierher in den Gottesdienst gekommen mit der Erwartung, dass an diesem Tag die Verdienste des heiligen Markus einmal besonders gewürdigt werden, des Evangelisten, der uns solch eine wunderbare Evangelienschrift hinterlassen hat. Doch die Epistel und Predigtlesung des heutigen Festtags weiß von solchen Verdiensten wenig zu berichten. Im Gegenteil berichtet sie davon, wie der heilige Markus damals zu einem Anlass für einen handfesten Kirchenkrach wurde, wie kein Geringerer als der Apostel Paulus sich strikt weigerte, mit ihm weiter zusammenzuarbeiten, und wie er ihn ohne weitere Diskussion abservierte, weil er ihn nicht für teamfähig hielt. Nein, das sind wahrlich keine Komplimente, mit denen der heilige Markus heute an seinem besonderen Ehrentag hier bedacht wird.
Doch wie gut, dass wir solch einen Bericht wie diesen, den wir eben gehört haben, eben auch in der Heiligen Schrift finden. Wie gut, dass wir etwas davon erfahren, dass in den ersten Jahren der Christenheit in der Kirche eben nicht alles nur wunderbar und vollkommen war, sondern dass es auch damals schon Konflikte und Auseinandersetzungen gab und dass Christus doch auch damals wie heute trotz allen Versagens seines Bodenpersonals seine Kirche gebaut und erhalten hat und immer noch baut und erhält.
Dramatische Ereignisse waren den Versen unserer heutigen Predigtlesung vorangegangen: In der gesamten Kirche hatte es einen großen Streit darum gegeben, ob man auch Nichtjuden das Evangelium verkündigen sollte und wie man das Miteinander von getauften Juden und getauften Nichtjuden in der Gemeinde regeln sollte. Paulus hatte sich grundsätzlich durchgesetzt, dass man Nichtjuden keine Bestimmungen des jüdischen Gesetzes verpflichtend auferlegen dürfe, dass sie nicht erst Juden werden müssten, bevor sie Christen werden konnten. Aber für bestimmte Gebiete, in denen sich das Zusammenleben von Nichtjuden und Juden in der Gemeinde besonders schwierig gestaltete, hatte man eine Übergangslösung gefunden, wonach die Nichtjuden in der Gemeinde in ihrem Verhalten an einigen Punkten besondere Rücksicht auf das Empfinden der Gemeindeglieder in den Gemeinden nehmen sollten, die sich noch an das jüdische Gesetz gebunden fühlten. Die Einheit der Kirche, sie war damit gerettet.
Aber jetzt blickt Paulus nach vorne: Jetzt dürfen wir uns nicht länger mit Kircheninterna beschäftigen, so wichtig und entscheidend die auch sein mögen. Jetzt müssen wir wieder losziehen und uns um die Gemeindeglieder in den Gemeinden kümmern, die damals bei unserer ersten Missionsreise entstanden sind. Die dürfen wir nicht länger hängenlassen, müssen zusehen, wie wir diese Gemeinden stärken und ermutigen können.
Was für ein wichtiger und hilfreicher Vorschlag des Paulus ist das auch für uns heute! Da gibt es auch in unserer Kirche so vieles, was uns bewegt und beschäftigt, wo wir auch um der Wahrheit und der Einheit der Kirche willen zu kämpfen haben. Aber über all dem dürfen wir dann eben nicht vergessen, was eigentlich unsere Aufgabe, unser Auftrag ist: Hin zu den Menschen zu gehen, die das Evangelium nötig haben, hin zu denen, die schon zur christlichen Gemeinde gehören, und hin zu denen, die das Evangelium noch gar nicht gehört haben. „Geht hin“ hat Christus in seinem Missionsbefehl gesagt, nicht: „Sitzt herum und tagt!“
Gemeinsam mit Barnabas will Paulus losziehen, wie er dies auch bei seiner ersten Missionsreise getan hatte. Aber dann macht der Barnabas dem Paulus einen Vorschlag, bei dem Paulus nur noch rot sieht: Barnabas möchte, dass Paulus auch den Markus mit auf ihre Missionstour nimmt. „Kommt überhaupt nicht in Frage!“, erwidert Paulus. „Was der Markus für eine Type ist, das haben wir doch auf unserer letzten Reise erlebt, als der uns in Pamphylien einfach abgehauen ist. Nein, das tue ich mir nicht noch einmal an!“ Warum der Markus damals auf dieser ersten Missionsreise mit einem Mal seine Sachen gepackt hatte und in seine Heimat nach Jerusalem zurückgekehrt war, wissen wir nicht. Wir können nur vermuten, dass er es einfach nicht ertragen konnte, wie Paulus in den neugegründeten Gemeinden das Miteinander von Heiden- und Judenchristen regelte, wie er es als Jude einfach zuließ, dass die nichtjüdischen Gemeindeglieder sich überhaupt nicht um die Einhaltung der alttestamentlichen Gesetzesbestimmungen kümmerten. Da war er, Markus, der fromme Jude, dann doch überfordert, sah sich nicht dazu in der Lage, weiter als Mitarbeiter des Paulus tätig zu sein. Soweit so gut, beziehungsweise nicht gut. Was nun allerdings den Barnabas dazu veranlasst, darauf zu bestehen, dass der Markus nun doch wieder mitkommen soll, das wissen wir nicht. Ging etwa auch dem Barnabas das ein Stück zu weit, was der Paulus da machte, wollte er den Markus ein wenig als Bremser auf der Reise mit dabei haben? Wir wissen es nicht. Vielleicht waren es auch einfach nur verwandtschaftliche Gründe, denn schließlich war Markus ein Vetter des Barnabas. So ein bisschen verselkt waren die Leute in der Kirche damals auch schon. Wie auch immer: Wir kennen letztlich nur das Ergebnis der Auseinandersetzung: Sie kamen scharf aneinander, sodass sie sich trennten. So und nicht anders beginnt die zweite Missionsreise des Apostels Paulus.
Ja, auch das gibt es immer wieder in der Kirche Jesu Christi, und das sollten wir nun auch gar nicht dramatisieren: Das gibt es, dass Mitarbeiter in der Kirche merken, dass sie einfach nicht miteinander können, dass es da dauernd unnötige Reibungsverluste geben würde, wenn sie weiter miteinander arbeiten müssten. Das gibt es, dass Pastoren darum wissen, dass sie für eine Doppelpfarrstelle ungeeignet sind, das gibt es, dass Gemeinden und ihr Pastor feststellen, dass sie einfach nicht zueinander passen, ohne dass eine Seite es deshalb böse meinen muss. Das gibt es, dass Menschen, die in der Kirche arbeiten, merken, dass sie so unterschiedlich die Dinge sehen, dass es besser ist, wenn sie getrennte Wege gehen. Und da hilft es dann auch nichts, wenn man solche Konflikte zukleistert, wenn man meint, man könnte solche Konflikte dadurch lösen, dass man darauf verweist, dass wir uns in der Kirche doch alle lieb haben sollen. Nein, manchmal ist es tatsächlich besser, wenn dann jeder seine eigenen Wege geht. Und das kann ja durchaus zum Segen für die Kirche werden, kann Gott selbst solche Konflikte noch gebrauchen, um seine Kirche zu bauen. Hier ziehen nun Barnabas und Markus los und beginnen mit ihrer Missionsarbeit in Zypern; Paulus nimmt sich stattdessen den Silas als seinen Begleiter und macht mit ihm in der Folgezeit sehr gute Erfahrungen. Ja, wie gut, möchte man meinen, dass Paulus und Barnabas sich damals so verkracht haben! Letztlich verdanken wir diesem Krach sogar überhaupt erst das Markusevangelium. Denn Markus, der hat sich dann in der Folgezeit, so berichten es bereits ganz frühe Quellen, mit dem Petrus zusammengetan, hat als sein Dolmetscher und Mitarbeiter gewirkt und schließlich die Predigten des Petrus in seinem Evangelium zusammengefasst. „Mein Sohn Markus“, so nennt Petrus ihn in seinem ersten Brief. Und auch Paulus selber hat später dann noch einmal ganz anders über Markus reden können, erwähnt ihn in seinen späteren Briefen als seinen Mitarbeiter und lobt ihn in seinem Zweiten Brief an Timotheus sogar ausdrücklich: Markus ist mir nützlich zum Dienst.
Markus hat wahrscheinlich eine Menge dazugelernt, Paulus so manches vermutlich auch. Gemeinsam haben sie schließlich doch das Evangelium verkündigt; gemeinsam bezeugen sie es uns auch im Neuen Testament. Nein, es sind eben nicht Menschen, durch die die Kirche gebaut und erhalten wird. Es ist der auferstandene Christus selber, der Menschen auch mit ihrem Versagen in seinen Dienst nimmt. Und das gilt eben auch heute noch, Gott sei Dank! Amen.