07.04.2007 | St. Johannes 5, 19-21 (Heilige Osternacht)

HEILIGE OSTERNACHT – 7. APRIL 2007 – PREDIGT ÜBER ST. JOHANNES 5,19-21

Jesus sprach: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Der Sohn kann nichts von sich aus tun, sondern nur, was er den Vater tun sieht; denn was dieser tut, das tut gleicherweise auch der Sohn. Denn der Vater hat den Sohn lieb und zeigt ihm alles, was er tut, und wird ihm noch größere Werke zeigen, so daß ihr euch verwundern werdet. Denn wie der Vater die Toten auferweckt und macht sie lebendig, so macht auch der Sohn lebendig, welche er will.

Neulich fand ich in meinem Briefkasten eine Einladung – eine Einladung zu einer „Gedenkfeier für den größten Menschen, der je lebte“. Ich musste den Zettel noch nicht einmal umdrehen, um zu erkennen, von wem diese Einladung kam. Das kitschige Bild auf der Vorderseite machte mir gleich klar, dass hier wieder die Zeugen Jehovas tätig gewesen waren. Und es ist auch klar, dass denen nichts anderes übrig bleibt als zu solch einer „Gedenkfeier für den größten Menschen, der je lebte“, einzuladen, denn die Zeugen Jehovas leugnen ja bekanntlich, dass Jesus wirklich Gott war und ist, können eben nicht mit dem Apostel Thomas vor Christus niederfallen und bekennen: „Mein Herr und mein Gott!“
Heute Nacht seid ihr gerade nicht zu einer Gedenkfeier für den größten Menschen, der je lebte, gekommen. Sondern wir machen heute Nacht so ziemlich das glatte Gegenteil von dem, wozu die Zeugen Jehovas mich da eingeladen hatten. Nun gut, feiern tun wir allerdings auch – und zwar noch viel kräftiger, als es die Zeugen Jehovas da bei ihrer Gedenkfeier vermutlich machen. Aber wir feiern eben nicht bloß den größten Menschen, der je lebte, sondern wir feiern den lebendigen Christus. Und der ist unendlich mehr als bloß der größte Mensch, so macht Jesus es selber hier in den Worten unserer Predigtlesung deutlich, sondern er, Jesus,

- er hat die besten Beziehungen.
- er hat’s echt drauf.

I.

Vitamin B braucht man im Leben. Nein, ich meine jetzt nicht den Nahrungsbestandteil, sondern ich meine das Vitamin B der besonderen Art, die Beziehungen. An vieles im Leben kommt man nämlich nur heran, wenn man Beziehungen hat, wenn man Leute kennt, die einem etwas vermitteln, was sonst für einen unerreichbar bliebe. Als wir damals mit unserer Handpuppenspielgruppe unsere Tour durch Australien gemacht haben, da war das nur möglich, weil wir dort unten nach Australien so unsere Beziehungen hatten, weil wir da einen kannten, der dort unten alles für uns organisierte. Ohne Vitamin B wäre da nichts gelaufen. Oder wenn ich unseren Bundespräsidenten Horst Köhler mal besuchen wollte, dann hätte ich normalerweise wohl keine Chance, mich einfach mal mit ihm zu verabreden und bei ihm vorbeizuschauen. Wenn aber mein Vater und Horst Köhler seit Jahrzehnten die besten Freunde wären – was sie in Wirklichkeit nicht sind, um hier allen Gerüchten gleich von vornherein vorzubeugen -, wenn also mein Vater und Horst Köhler seit Jahrzehnten die besten Freunde wären, dann wäre es vielleicht eben doch möglich, dass ich dort im Schloss Bellevue mit meinem Vater bei ihm mal privat vorbeischauen könnte. Noch einfacher haben es natürlich die Kinder von Horst Köhler: die können sowieso zu ihm kommen, die haben als Kinder natürlich die allerbesten Beziehungen zu ihm.
Und so ist das nun auch mit Gott. Den zu sehen – nein, das wäre nicht bloß ganz interessant, sondern darin liegt der eigentliche Sinn und das eigentliche Ziel unseres Lebens. Das Problem ist nur: Wie sollen wir an den rankommen? Wir können nicht einfach zu ihm hinmarschieren und sagen: Hallo Gott, ich möchte dich mal besuchen und angucken, darf ich mal bei dir reinschauen? Nein, das geht nicht, denn die Bibel macht uns sehr deutlich, dass wir Menschen von Gott abgrundtief getrennt sind und von uns aus niemals an ihn herankommen würden. Und das würde auch für den größten Menschen gelten, der je lebte. Auch der hätte nicht das Recht dazu, zu Gott zu kommen oder gar für immer mit ihm zu leben, denn als Mensch bliebe er eben doch von Gott getrennt. Nein, keine Chance hätte er, keine Chance haben wir, mit Gott in Verbindung zu kommen, bei ihm zu leben und damit den Sinn und das Ziel unseres Lebens zu erreichen.
Aber einen gibt es, der darf immer zu Gott, der weiß genau, wie Gott aussieht, der weiß genau, was Gott tut, und das ist sein Sohn. Wenn Jesus sagt: Gott, mein Vater, und ich, wir kennen uns schon ewig – dann ist das keine Übertreibung, sondern dann bringt das die Sache auf den Punkt. Und „kennen“ ist nun noch viel zu wenig gesagt, sondern die Beziehung, die er, der Sohn Gottes, zu seinem Vater hat, die ist noch viel, viel enger: Sie ist eine Beziehung unendlicher Vertrautheit, unendlicher Liebe, sie ist eine solch unauflösliche wesensmäßige Verbindung, dass Jesus sagen kann: „Ich und der Vater sind eins“, ja, „wer mich sieht, der sieht den Vater“.
Schwestern und Brüder, merkt ihr was? Jetzt kommt auch für uns das Vitamin B ins Spiel. An Gott heranzukommen, haben wir von uns aus keine Chance. Aber wenn wir uns an diesen Jesus halten, dann sind wir dran, dran an Gott selber, dann gibt es für uns doch einen Weg, zu Gott zu kommen, ihn zu sehen, mit ihm zu leben. Aber das ist eben auch nur möglich, wenn Jesus unendlich mehr war und ist als der größte Mensch, der je lebte. Denn auch der größte Mensch aller Zeiten muss irgendwann sterben, und das war’s dann, dann kann man noch nette Gedenkfeiern für ihn veranstalten, aber das nützt uns dann auch nichts mehr. Nun haben wir vorgestern allerdings tatsächlich den Karfreitag begangen, haben uns vor Augen stellen lassen müssen, dass dieser Jesus tatsächlich gestorben ist, tatsächlich begraben worden ist. Gott lässt seinen einzigen Sohn, den, der mit ihm eins ist, den, mit dem ihn eine unendliche Liebe verbindet, sterben, erleidet damit einen Riss, der bis in die tiefste Tiefe seines eigenen Wesens reicht. Nein, da ist nicht irgendetwas schiefgelaufen bei Gott, sondern das musste so sein. Das musste so geschehen, dass Gottes Sohn selber die abgrundtiefe Trennung von Gott erfuhr, damit wir nicht für immer von Gott getrennt bleiben müssen. Aber wenn Jesus da im Grab liegen geblieben und vergammelt wäre, dann hätte uns das alles nichts genutzt, was Jesus da am Kreuz für uns getan hat, dann könnten wir jetzt einpacken und diesen Gottesdienst beenden. Doch Gott hat seinen Sohn so unendlich lieb, dass er ihn da nicht im Grab liegen lassen konnte, hat ihn da wieder rausgeholt, hat ihn auferweckt in ein neues Leben, so feiern wir es heute Nacht. Und diese Osternacht ist eben nicht eine Gedenkfeier, sondern sie ist eine Siegesfeier, eine Siegesfeier, bei dem wir den Sieger selber in unserer Mitte haben, ihn, den auferstandenen Christus, ihn, der lebt und der heute Nacht hier in der Riemeisterstraße unter uns ist. Na, wenn das kein Vitamin B ist, wenn das nicht die Chance unseres Lebens ist, an Gott heranzukommen!

II.

Ja, ein Glück, dass ihr heute Nacht gekommen seid! Denn hier begegnet ihr nun dem, der es wirklich drauf hat, der kann, was kein anderer kann, auch nicht der größte Mensch, der je lebte. Jesus selber formuliert es hier so: „Denn wie der Vater die Toten auferweckt und macht sie lebendig, so macht auch der Sohn lebendig, welche er will.“ Dass Gott Tote auferwecken kann, das hat er damals gezeigt, an jenem Ostermorgen in Jerusalem, als die Frauen und die Jünger zum Grab gingen und feststellten, dass Jesus nicht mehr drin war, als sie ihm bald darauf selber begegneten, sich selber davon überzeugen konnten, dass er’s wirklich ist, er, Jesus, leibhaftig auferstanden von den Toten, auferweckt von Gott seinem Vater. Aber wenn Gott das nur mit Jesus gemacht hätte, wenn das nur ein sensationelles Einzelereignis gewesen wäre, was damals in Jerusalem stattgefunden hätte, dann könnten wir jetzt trotzdem einpacken, dann bräuchten wir diesen Gottesdienst jetzt auch nicht weiter fortzusetzen. Was würde mir das nützen, dass Jesus auferstanden ist, wenn ich am Ende meines Lebens doch nur in einen Sarg gepackt werde und mir die Radieschen von unten anschauen darf? Dann sollte ich meine Zeit nicht damit verplempern, dass ich zum Gottesdienst gehe, dann sollte ich versuchen, einfach drauflos zu leben, so viel mitzunehmen, wie mir möglich ist in den paar Jahren bis zu meiner Beerdigung.
Doch was Gott der Vater kann, das kann nun auch sein Sohn, will nun seit seiner Auferstehung auch andere Menschen mit sich in Verbindung bringen, auch ihnen an seinem neuen, unzerstörbaren Leben Anteil geben. Ja, Jesus hat’s echt drauf: Der muss einfach nur Menschen mit Wasser übergießen und dazu seine Worte sprechen lassen, und schon wird dieser Mensch lebendig, lebendig in alle Ewigkeit. Jesus hat’s echt drauf: Der kann sich ganz klein machen, so, dass er leibhaftig in ein Stück Brot und einen Schluck Wein passt, und wer so seinen Leib isst und sein Blut trinkt, in dem lebt dieser Jesus und den wird er darum schließlich auch einmal auferwecken, wenn der mal stirbt, ja selbst wenn von seinem Grab am Ende gar nichts mehr übrigbleibt. Leibhaftige Gemeinschaft mit dem auferstandenen Christus – also, wenn das kein Vitamin B ist!
Darum, Schwestern und Brüder, haltet euch an diesen Jesus, an diese beste und einzige Verbindung zu Gott, die ihr bekommen könnt! Verpennt doch nicht euer Leben, indem ihr meint, ohne ihn auskommen zu können, euch auch ohne ihn irgendwann mal bei Gott durchmogeln zu können. Das geht sonst schief, todsicher im wahrsten Sinne des Wortes. Nutzt das Vitamin B, das ihr hier habt, haltet euch an den, der allein es wirklich drauf hat, der nicht bloß ein großer Mensch ist, sondern der auferstandene Herr. Er kann dir ewiges Leben in der Gemeinschaft mit Gott, seinem Vater, schenken, und er will es auch, so gewiss du hier seinen Leib und sein Blut empfängst. Nein, du brauchst nicht an Christus zu denken, du brauchst dich nicht an ihn zu erinnern. Hauptsache, du kommst zu ihm. Denn er ist hier, für dich, damit auch dein Grab einmal leer sein wird wie das seinige, damit du dabei sein kannst bei der Feier des Lebens, die nie mehr aufhört. Ja, er ist hier, deine Verbindung zu Gott, er ist hier, und er hat’s wirklich drauf, denn er lebt, er ist nicht tot, er ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden! Amen.