21.02.2007 | St. Matthäus 7, 21-23 (Aschermittwoch)

ASCHERMITTWOCH – 21. FEBRUAR 2007 – PREDIGT ÜBER ST. MATTHÄUS 7,21-23

Jesus sprach: Es werden nicht alle, die zu mir sagen: Herr, Herr!, in das Himmelreich kommen, sondern die den Willen tun meines Vaters im Himmel. Es werden viele zu mir sagen an jenem Tage: Herr, Herr, haben wir nicht in deinem Namen geweissagt? Haben wir nicht in deinem Namen böse Geister ausgetrieben? Haben wir nicht in deinem Namen viele Wunder getan? Dann werde ich ihnen bekennen: Ich habe euch noch nie gekannt; weicht von mir, ihr Übeltäter!

Vor kurzem hatte die Popsängerin Britney Spears hier in Berlin ein Problem: Sie wollte abends in die Disco 90 Grad – und wurde vom Türsteher einfach nicht reingelassen. Er hatte sie nicht erkannt und ließ sich auch nicht von ihren Beteuerungen beeindrucken, dass sie doch Britney Spears sei. „Es tut mir leid: Ich kenne Sie nicht!“ – So musste es sich Britney Spears anhören, und da sie keinerlei Dokument bei sich trug, mit dem sie hätte beweisen können, dass sie tatsächlich Britney Spears ist, blieb ihr nichts anderes übrig, als den Rückweg anzutreten.
Nun ist das, was ich euch eben erzählt habe, noch eine halbwegs witzige Geschichte. Vielleicht war Britney Spears im Inneren sogar ganz froh, mal irgendwo nicht gleich erkannt zu werden. Außerdem ging es ja nur um den Eintritt an diesem einen Abend, und schließlich gibt es hier in Berlin noch genügend andere Diskotheken, sodass Britney Spears den Abend anschließend vermutlich doch nicht allein trauernd auf ihrem Hotelbett sitzend zugebracht hat.
In der Predigtlesung des heutigen Abends wird uns dagegen eine ungleich dramatischere Szene geschildert: Da will auch jemand rein, nein, nicht bloß in eine Diskothek, sondern in den Himmel. Und der, der da rein will, ist fest davon überzeugt, dass er da natürlich auch reinkommt, weil er ja bekannt ist, weil das doch scheinbar eine reine Formsache ist, dass er da an der Tür durchgewinkt, ja herzlich willkommen geheißen wird. Doch dann passiert das Unfassliche: Er kommt da an, und der, den er zu kennen glaubte, der, der für den Einlass verantwortlich ist, der lässt ihn einfach nicht rein, behauptet doch allen Ernstes: „Ich kenne dich nicht. Für dich gibt es hier keinen Eintritt. Du musst draußen bleiben.“ Nein, das ist dann überhaupt nicht mehr witzig, das ist auch nicht bloß ärgerlich; das ist die Katastrophe schlechthin: Vor dem Himmel zu stehen und nicht reingelassen zu werden. Denn einen zweiten Himmel und auch eine zweite Chance gibt es eben nicht.
Seinen Jüngern erzählt Christus diese wenig erfreuliche Geschichte, will sie, will damit auch uns sehr eindringlich warnen. Nein, natürlich bilden wir uns nicht ein, eine Berühmtheit wie Britney Spears zu sein. Natürlich erkennt uns nicht jeder. Aber dass uns Christus erkennt, davon gehen wir dann doch aus, machen uns, wenn wir ehrlich sind, dann oftmals doch nicht allzu viele Gedanken darüber, dass es da bei der Einlasskontrolle am Ende irgendwelche Probleme geben könnte. Ja, wenn wir in den letzten Tagen auf die Idee gekommen sein sollten, uns im Fernsehen eine Karnevalssitzung anzuschauen, dann haben wir sie dort vielleicht sogar direkt vernommen, die frohe Botschaft, dass die Einlasskontrollen am Himmelstor ganz abgeschafft worden sind: „Wir sind alle kleine Sünderlein und kommen alle, alle, alle in den Himmel.“ Und wenn wir diese Botschaft nicht bei einer Karnevalssitzung vernommen haben, dann haben wir sie vielleicht auch schon mal irgendwo in einer Kirche vernommen: „Das kann man doch heute nicht mehr so sagen, dass Menschen nicht in den Himmel kommen, dass Menschen ewig verloren gehen. Am Ende wird die ganze Geschichte schon für alle ganz gut ausgehen. Denn Gott ist doch die Liebe!“ Ich habe selber einmal die Predigt eines Theologieprofessors in Erlangen über das Gleichnis von den zehn Jungfrauen gehört, eine Predigt, die dieser Theologieprofessor selber offenbar so gut fand, dass er sie später noch einmal in einem Buch abgedruckt hat. Und in dieser Predigt wurden am Ende eben doch alle zehn Jungfrauen in den Festsaal gelassen, nahm der Bräutigam seine Äußerung „Ich kenne euch nicht“ schließlich doch wieder zurück, denn, so der Professor: „Gottes Vergebung kennt nie und für niemanden ein ‚Zu-spät’!“ Das klingt nett, und man mag es auf den ersten Blick bedauern, dass am Ende einmal nicht jener Theologieprofessor, sondern der Herr Christus für den Einlass in den Himmel verantwortlich sein wird. Doch die Frage wird eher umgekehrt sein, ob nicht jener Theologieprofessor am Ende einmal wird feststellen müssen, dass der Christus, den er seinen Zuhörern vor Augen gestellt hat, ein ganz anderer ist als der, dem auch er selber dann am Ende einmal wird unter die Augen treten müssen. Und damit sind wir nun schon mitten drin in der Predigtlesung des heutigen Abends. Denn in ihr warnt uns Christus gleich vor zweierlei:
Er warnt uns

- vor der Verharmlosung seines Gerichts
- vor falscher Sicherheit

I.

Schwestern und Brüder, wenn man heutzutage ein etwas gebildeteres Kirchenmitglied der evangelischen Kirche fragt, wo man denn die Botschaft des christlichen Glaubens kurz zusammengefasst finden könnte, dann dürfte man nicht selten als Antwort einen Verweis auf die Bergpredigt erhalten. Und an dieser Antwort ist ja durchaus etwas dran. In der Bergpredigt ist tatsächlich die Botschaft Jesu in besonderer Prägnanz zusammengefasst. Allerdings denken viele Leute, wenn sie auf die Bergpredigt verweisen, eigentlich nur an das Gebot der Feindesliebe und das Verbot des Schwörens. Doch in Wirklichkeit steckt in dieser Bergpredigt eben viel mehr drin, kann man die Bergpredigt eben vor allem nur verstehen, wenn man ihn, den Bergprediger, vor Augen hat. Und das wird hier in unserer Predigtlesung besonders deutlich, die vor dem Schlussgleichnis vom Hausbau den Abschluss der Bergpredigt bildet.
Nein, Jesus hält hier keine allgemeine Moralrede, sondern er redet ganz konkret von sich selber. Und er redet nicht bloß davon, wie Menschen nett und friedlich hier auf der Erde zusammenleben können, sondern er redet von der einen entscheidenden Frage: davon, wer denn nun ins Himmelreich kommt. Darum, darum allein geht es letztlich in der Bergpredigt: Wer kommt in den Himmel? Und wodurch kommen wir in den Himmel? Und da gibt Jesus nun eine Antwort, die wir als ganz normal empfinden mögen und die doch in Wirklichkeit atemberaubend ist: Er sagt: Wer in den Himmel kommt oder nicht, das entscheide ich allein.
Schwestern und Brüder: Da sitzt auf einem Hügel am Rande des Sees Genezareth ein jüdischer Wanderprediger, und um ihn herum stehen seine Jünger. Und da behauptet nun dieser jüdische Wanderprediger im hintersten Winkel der hintersten römischen Provinz: Ich bin der Richter der ganzen Welt; vor mir müssen einmal alle Menschen antreten und sich vor mir verantworten. Er, dieser junge Mann auf dem Hügel am See Genezareth, er ist zugleich der Weltenrichter, und nur, wenn wir das kapiert haben, können wir die Bergpredigt überhaupt kapieren. Was für ein unfasslicher Anspruch! Als normal denkender Mensch müsste man eigentlich feststellen: Der ist total durchgeknallt; wie kann jemand so etwas bloß von sich behaupten! Oder aber man erkennt diesen Menschen tatsächlich selber als den Herrn und Richter an, glaubt an ihn, glaubt damit auch seinen Worten. Dann muss man sich ihnen allerdings auch in ihrer Schärfe und Härte stellen, kann und darf nicht anfangen, sie glattzubügeln und sie zu verharmlosen.
Und damit sind wir nun schon ganz direkt bei uns: Wenn wir Christen sein wollen, uns nach diesem Christus nennen, dann können wir seine Botschaft, dann können wir gerade auch die Bergpredigt nicht einfach zusammenstreichen, wie es uns passt, dann dürfen wir die klare Ankündigung seines kommenden Gerichts nicht einfach schönreden. Ja, wir werden einmal vor ihm, Christus, antreten müssen, werden ihm Rede und Antwort stehen müssen, werden auf seinen Richterspruch warten müssen. Und dieser Richterspruch lautet eben nicht immer gleich, der kann unterschiedlich ausfallen, ist das Jüngste Gericht etwas anderes als die Sitzung eines Elferrates.
Schwestern und Brüder: Ist das eine Perspektive, die in irgendeiner Weise unser Leben bestimmt, treibt uns diese Frage überhaupt noch um, ob wir einmal in diesem Gericht bestehen werden? Ist das eine Frage, die dich bewegt, wenn du dir deine Zeit einteilst? Ist das eine Frage, die dich bewegt, wenn es darum geht, dass du dich vor anderen als Christ outen könntest oder solltest? Ist das eine Frage, die dich bewegt im Umgang mit deinem Ehepartner, mit deiner Familie, mit deinen Kindern, mit deinen Eltern? Oder sind da andere Fragen immer wieder so viel wichtiger für dich: Was könnten die anderen denken? Was macht mir Spaß? Worauf habe ich Lust? Was nützt mir etwas? Ja, für wen hältst du ihn, Jesus? Für eine interessante Persönlichkeit der Vergangenheit? Für einen netten Kumpel? Oder für den, der er in Wahrheit ist, für den Richter deines Lebens, von dessen Urteil wirklich alles, deine ganze ewige Zukunft abhängt?

II.

Und nun wird die Rede Jesu hier ja noch härter und schärfer: Sie richtet sich ja nicht gegen irgendwelche Leute, die von Glauben und Kirche nichts wissen wollen. Sondern Jesus wendet sich in seiner Rede gegen Leute, die sich zu ihm bekennen, die „Herr, Herr“ zu ihm sagen, ja, die in der christlichen Gemeinde sogar Ämter innehaben, die in diesen Ämtern Erstaunliches bewirkt haben, die scheinbar doch einen ganz besonders direkten Draht zum Himmel haben, wenn sie weissagen, böse Geister austreiben und Wunder im Namen Jesu tun können. Und zu denen sagt Jesus: „Ich habe euch noch nie gekannt!“
Das gibt es also, dass Pastoren, dass Bischöfe, dass Kirchenvorsteher, dass natürlich auch Gemeindeglieder in die Hölle kommen können. Das gibt es also, dass Gemeindeleiter, die sich damit brüsten können, dass in ihren Gemeinden Erstaunliches passiert, dass bei ihnen Menschen in Zungen reden können und geheilt werden, dass solche Gemeindeleiter sich von Christus einmal werden anhören müssen: „Du bleibst draußen; dich kenne ich nicht!“
Wem widerfährt dieses Urteil? Es widerfährt, so macht es Jesus hier deutlich, solchen Menschen, die vor ihn hintreten und sagen: „Herr, wir haben doch dies und das getan; wir haben doch dies oder jenes geschafft oder geleistet; wir haben doch nun wirklich einen Anspruch darauf, dass du uns jetzt hereinlässt.“ Wer glaubt, er könne sich den Himmel verdienen mit seinen guten Werken, mit seinem Einsatz für die Kirche, mit seiner Gläubigkeit, wer glaubt, er habe Christus etwas zu bieten, könne ihn mit etwas beeindrucken, wer glaubt, sein Amt sei für ihn gleichsam ein Sprungbrett in den Himmel, wer glaubt, ihn, Christus, gleichsam im Griff zu haben, der wird einmal schmerzlich erkennen müssen, wie sehr er Christus verkannt hat, wie er dem Willen seines Vaters gerade nicht gerecht geworden ist, wie er sich mit seinem Pochen auf seine eigene Gerechtigkeit selber die Tür zum Himmel verrammelt hat.
Schwestern und Brüder: Ein eindringlicher Bußruf unseres Herrn ist das an diesem Abend auch für uns: Könnte es sein, dass wir uns selber auch für gute Christen halten, mit denen Christus doch eigentlich auch ganz zufrieden sein müsste? Könnte es sein, dass wir innerlich doch irgendwo ganz stolz darauf sind, was wir hier in unserer Gemeinde aufgebaut und geleistet haben? Könnte es sein, dass wir doch ganz tief in unserem Inneren der Auffassung sind, wir hätten es jedenfalls allemal eher verdient, in den Himmel zu kommen, als so manche andere?
Nein, es werden eben nicht alle, die zu Christus sagen: „Herr, Herr!“, in das Himmelreich kommen, sondern die den Willen tun seines Vaters im Himmel. Gehörst du auch dazu, gehörst du auch zu denen, die diesen Willen des Vaters im Himmel tun? Weh dir, wenn du diese Frage schnell und einfach mit „Ja“ beantwortest, wenn du glaubst, dich würde dieser Satz Jesu nicht treffen und verurteilen. Aber wohl dir, wenn du vor dieser Rede deines Herrn erschrickst, so sehr erschrickst, dass dir überhaupt kein „Aber ich habe doch auch“, überhaupt kein „Aber ich bin doch auch“ mehr über die Lippen kommt, wenn du nicht bloß „Herr, Herr“ sagst, sondern dein Kyrie eleison anstimmst: „Herr, erbarme dich!“ Ja, selig sind sie, die geistlich Armen, die, die vor Christus mit ganz leeren Händen stehen, die ihm nichts, aber auch gar nichts vorzuweisen haben als ihre Schuld, als ihr Versagen, selig sind sie, denn das Himmelreich ist ihrer. Selig sind die, die da Leid tragen, nicht nur über andere, sondern gerade auch über sich selbst, über ihr Versagen, gerade auch als Christen, gerade auch in der Kirche und Gemeinde. Selig sind die, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit, die nicht ihre eigene ist, die sie sich selber nicht erwerben können. Ja, selig sind die, die bekennen können: Ich lebe, aber nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir. Selig sind die, die selber gar nicht merken, wie dieser Christus an ihnen und in ihnen wirkt, die einmal völlig überrascht sein werden, was Christus an ihnen einmal an guten Werken entdecken wird, die einmal staunend fragen werden: Herr, wann haben wir das denn bloß getan?
Halte dich darum an ihn, den Bergprediger, lass dich durch seine Warnung erschrecken und aufrütteln aus deinem Alltagstrott, lass dich von ihm, dem Bergprediger, zur Umkehr rufen, lass dir dazu gerade auch diese Fastenzeit dienen. Und dann flieh in die ausgebreiteten Arme dieses Bergpredigers, die er dir auch jetzt wieder entgegenstreckt, flieh unter sein Kreuz, das er dir in dieser Fastenzeit nun wieder neu vor Augen stellen will, und setze deine ganze Hoffnung allein auf ihn. Ja, komm her zu ihm, an seinen Altar. Denn hier darfst du sie hören, die Stimme deines Richters, der heute Abend nicht zu dir sagt: „Weiche von mir!“, sondern der auch dir zuruft: „Kommt, ja, kommt, denn es ist alles bereit!“ Amen.