02.02.2007 | Maleachi 3, 1-4 (Tag der Darstellung des HERRN)

TAG DER DARSTELLUNG DES HERRN – 2. FEBRUAR 2007 – PREDIGT ÜBER MALEACHI 3,1-4

So spricht der Herr: Siehe, ich will meinen Boten senden, der vor mir her den Weg bereiten soll. Und bald wird kommen zu seinem Tempel der Herr, den ihr sucht; und der Engel des Bundes, den ihr begehrt, siehe, er kommt! spricht der HERR Zebaoth. Wer wird aber den Tag seines Kommens ertragen können, und wer wird bestehen, wenn er erscheint? Denn er ist wie das Feuer eines Schmelzers und wie die Lauge der Wäscher. Er wird sitzen und schmelzen und das Silber reinigen, er wird die Söhne Levi reinigen und läutern wie Gold und Silber. Dann werden sie dem HERRN Opfer bringen in Gerechtigkeit, und es wird dem HERRN wohlgefallen das Opfer Judas und Jerusalems wie vormals und vor langen Jahren.

Es ist noch früh am Morgen, da höre ich es im Radio, das Lied vom Blauen Planeten von der Band Karat, DDR-Rock aus den 80er Jahren: „Uns hilft kein Gott, unsre Welt zu erhalten!“ – so lautet der Refrain, der ein bisschen an das bekannte DDR-Motto erinnert: „Ohne Gott und Sonnenschein fahren wir die Ernte ein.“ „Uns hilft kein Gott, unsre Welt zu erhalten!“ – Ich schalte das Radio ab und denke: Wieso lässt sich Gott das eigentlich gefallen, warum hört er sich diesen Schwachsinn an, warum greift er nicht ein, zeigt den Leuten mal ganz deutlich, wie viel beziehungsweise wie wenig sie ohne ihn können und vermögen? Wieso haut er nicht einmal so richtig mit der Faust drein, dass dieses Genöle ein für alle Mal ein Ende hat?
Und damit sind wir nun schon mittendrin in der alttestamentlichen Lesung des heutigen Festtages: „Wo ist der Gott, der da straft?“ – So fragten damals die Bewohner Jerusalems in der Zeit nach der Rückkehr aus dem babylonischen Exil. „Wo ist der Gott, der da straft?“ – Ja, genau das ist die Frage, die unserer heutigen Predigtlesung unmittelbar vorangeht und auf die unsere Predigtlesung nun antwortet. Da hatten sie, die Israeliten, gehofft, dass Gott, der das unfassliche Wunder vollbracht hatte und sie wieder ins Gelobte Land zurückgeführt hatte, dass dieser Gott nun auch weiter seine Macht ganz offen zeigen würde, klare Verhältnisse schaffen würde, die Bösen vernichten und in Israel das Paradies auf Erden schaffen würde. Doch genau das geschah nicht, hatten sie dort in Jerusalem im Gegenteil alle möglichen Probleme und Schwierigkeiten, schien Gott sich nun wieder von ihnen zurückgezogen zu haben. Und so flüchteten sich manche Einwohner Jerusalems schon in den Sarkasmus: Gott greift ja doch nicht ein; wir können tun, was wir wollen. Gott ist ja doch alles egal.
Und darauf antwortet der Prophet Maleachi hier nun, nein, darauf antwortet Gott selber nun, der Gott, der angeblich doch nicht mehr reagiert, dem doch angeblich alles egal ist. Nichts ist mir egal, sagt Gott, im Gegenteil: Ich bin schon auf dem Weg, bin schon dabei, meinen Boten zu senden, der meine Ankunft vorbereiten soll. Es wird nicht mehr lange dauern, dann werde ich selber zu meinem Tempel kommen, werde so eingreifen, dass ihr euch noch wundern werdet. Wisst ihr eigentlich, mit was für einem Feuer ihr spielt, wenn ihr mein Kommen einfordert, wenn ihr mich herausfordert und mal sehen wollt, wie das so ist, wenn ich strafe? Glaubt doch nicht, dass ihr dann unbeteiligte Zuschauer sein werdet, die sich bei dem Spektakel zurücklehnen können und sich amüsieren können, wie ich irgendwelche anderen Leute platt mache! Glaubt ihr denn allen Ernstes, es gäbe auch nur einen unter euch, den mein Gericht nicht treffen würde, wenn ich komme? Ja, ich komme, sagt Gott, und doch komme ich in der Tat nicht einfach bloß, um zu strafen und zu vernichten. Ich will kommen, um euer Verhältnis zu mir wieder in Ordnung zu bringen; ich will kommen und dafür sorgen, dass dieses Verhältnis nicht länger gestört ist, dass die Opfer, die ihr mir im Tempel darbringen werdet, dass diese Opfer mir wieder gefallen werden, weil ihr selber mir gefallen werdet, weil ich euch zu Menschen machen werde, die wieder so sind, wie ich sie haben möchte.
Heute feiern wir den Tag der Darstellung des Herrn. Und was wir nun eben im Heiligen Evangelium gehört haben, das scheint herzlich wenig mit dem zu tun zu haben, was wir gerade in unserer Predigtlesung gehört haben: Da ziehen Maria und Joseph mit dem Jesuskind zum Tempel in Jerusalem, um dort gleich zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Zum einen musste Maria vierzig Tage nach der Geburt ihres Sohnes dort ein Reinigungsopfer darbringen lassen, weil sie durch die Geburt kultisch unrein geworden war und nun nach vierzig Tagen wieder neu in die gottesdienstliche Gemeinschaft des Volkes Israel aufgenommen werden musste. Und zum anderen mussten Maria und Joseph ihren erstgeborenen Sohn dort im Tempel von der Verpflichtung loskaufen, die jeden erstgeborenen Sohn einer Familie betraf: von der Verpflichtung, dass der Erstgeborene Gott zur Verfügung gestellt werden musste, um dort im Tempel den Tempeldienst zu versehen. Stattdessen übernahmen die Leviten im Tempel diesen Dienst, bekamen sie dafür von den Eltern eines erstgeborenen Sohnes jeweils eine Spende zur Unterstützung ihres Dienstes. Alles scheinbar ein ganz normaler Vorgang: Glückliche Eltern kommen in den Tempel, um dort ihren religiösen Verpflichtungen nachzukommen, die sie im Zusammenhang mit der Geburt ihres Sohnes natürlich gerne auf sich nahmen.
Doch in Wirklichkeit, so macht es nun die Heilige Schrift in ihrem Zusammenhang deutlich, erfüllt sich in dem, was das Heilige Evangelium berichtet, nunmehr genau das, was Gott einst durch den Propheten Maleachi angekündigt hatte:

- Gott kommt.
- Gott richtet.
- Gott reinigt.

I.

„Bald wird kommen zu seinem Tempel der Herr, den ihr sucht!“ – So hatte es Maleachi angekündigt. Und seine Zuhörer, die werden wohl ziemlich genaue Vorstellungen davon gehabt haben, wie das wohl aussehen würde, wenn er, der Herr des Alls, in seinem Tempel Einzug halten würde, wie das die ganze Welt erschüttern würde, wie das für alle sofort erkennbar und sichtbar sein würde, dass er es ist, Gott selber, der Herr.
Der Herr kommt zu seinem Tempel – ja, genau das geschieht tatsächlich in dem Augenblick, in dem Maria und Joseph das kleine Jesuskind auf ihren Armen über die Schwelle des Tempels tragen. Da kommt er, der Herr des Alls, der Allmächtige, zu seinem Tempel, zu seinem Haus, da beantwortet er tatsächlich die Frage, wo er, Gott, denn nun zu finden ist. Doch wie ganz anders fällt diese Antwort aus, als die Hörer Maleachis, als die Zeitgenossen Marias und Josephs, als auch die Menschen heute dies erwarten würden: Ganz klein und unscheinbar kommt Gott, so, dass er glatt übersehen werden kann, dass er erst einmal gar nicht ernst genommen wird. Gott erfüllt nicht die Klischees, die Menschen sich von ihm machen mögen. Er erfüllt auch nicht das Klischee der Rockband Karat, die sich offenbar ihre eigenen Vorstellungen von Gott gemacht und dann festgestellt hat, dass diese Vorstellungen von ihrem selbstgebastelten Gott nicht erfüllt wurden. Gott erscheint nicht unter ständiger Begleitung pyrotechnischer Effekte. Doch er ist’s, der Herr, Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrhaftiger Gott vom wahrhaftigen Gott, er ist’s, der sich in die Zweideutigkeit der Erfahrungen dieser Welt begibt, mitten hinein in die Not und das Elend der Menschen, die danach fragen, wo denn nun Gott ist, wo seine Gerechtigkeit bleibt. Gott kommt – genauso erfahren wir es auch heute, erfahren wir es auch in diesem Gottesdienst wieder. Der Gott, den wir suchen, nach dessen Eingreifen wir fragen, kommt in ganz ähnlicher Gestalt heute hier in sein Haus wie damals auch: nunmehr verborgen in den Gestalten von Brot und Wein. Und doch ist er’s, sollen wir uns an ihn und niemand anders halten, wenn wir nach Gott und seinem Eingreifen fragen: So und nicht anders will Gott sich uns zu erkennen geben.

II.

Doch dass Gott so klein und unscheinbar zu uns kommt, ist kein Ausdruck der Resignation gegenüber dem Bösen, ist in diesem Sinne kein Zeichen von Schwäche. Sein Kommen zum Tempel ist nicht bloß eine harmlose Familienfeier, sondern an ihm, an der Stellung zu ihm wird sich künftig eine Scheidung vollziehen, so kündigt es Simeon an, ja, an der Stellung zu ihm wird sich entscheiden, wer Gottes Strafgericht verfällt und wer nicht.
Klein sieht das Jesuskind aus, das Simeon auf den Armen hält – und doch ist dieses kleine Kind kein anderer als der Weltenrichter, gilt für ihn, was Maleachi hier ankündigt: „Wer wird bestehen, wenn er erscheint?“ Nein, niemand kann bestehen, wenn er sich mit seinem Leben vor dem lebendigen Gott verantworten muss, niemanden gibt es, der im Angesicht dieses Gottes nicht mit Jesaja rufen müsste: „Weh mir, ich vergehe, denn ich bin unreiner Lippen!“ Niemanden gibt es, der vor diesem Gott, der wie das Feuer eines Schmelzers ist, cool bleiben könnte. Ja, erst wenn wir uns das klarmachen, können wir zu ahnen beginnen, was es bedeutet, dass Gott sich hier in diesem Kind so sehr verbirgt, so klein macht, damit wir vor ihm nicht gleich vergehen müssen, damit wir uns ihm nahen können, ohne sofort im ewigen Tod zu versinken. Nein, Gott will uns nicht vernichten; er sucht die Gemeinschaft mit uns. Doch weh dem, der nicht erkennt und annimmt, dass dieses Kommen Gottes in dieser Gestalt die einzige Rettung für ihn darstellt, dass nur der dem Gericht entgeht, der sich an diese Gestalt Gottes, an dieses Kind auf den Armen des Simeon hält. Wer einen anderen Gott haben will, einen Gott, der unseren Vorstellungen entspricht, einen Gott, der unser Gerechtigkeitsempfinden, unsere Vorstellungen von einem anständigen Gott befriedigt, dem wird Gott in der Tat als Feuer, als verzehrendes Feuer begegnen, der wird am Ende seinem Gericht verfallen. Ja, alles, wirklich alles steht für uns mit diesem Kommen des Herrn zu seinem Tempel auf dem Spiel. Alles steht für uns auf dem Spiel, dass wir ihn, den Herrn, tatsächlich suchen und finden in der verborgenen Gestalt seines Wortes, in der verborgenen Gestalt von Brot und Wein im Heiligen Mahl. Wer Gott dort findet, der findet damit seine Rettung, der wird bestehen an dem Tag, an dem Gott einmal tatsächlich sichtbar für alle Menschen kommen wird.

III.

Gott kommt zu seinem Tempel, so feiern wir es heute am Tag der Darstellung des Herrn, er kommt, um uns zu reinigen.
Grotesk ist das ja im Grunde genommen, was uns im Heiligen Evangelium des heutigen Festtags berichtet wird: Da muss Maria zum Tempel kommen, um ein Reinigungsopfer darzubringen, um wieder neu die kultische Reinheit zu erlangen, die sie durch die Geburt ihres Sohnes verloren hatte. Als ob sie, Maria, dieser kultischen Reinigung bedurft hätte, als ob die Geburt des Sohnes Gottes sie aus der Gemeinschaft mit Gott hätte ausschließen können – nein, ganz im Gegenteil! Diese Reinigung hatte Maria nicht nötig. Aber nötig hatte sie es wie wir alle, dass dieses Kind, das sie zur Welt gebracht hatte, sie in einem viel tieferen Sinne reinigte, die Schuld ihres Lebens, die auf ihr von Beginn ihres Lebens an lag, wegnahm. Nötig hatte sie es, wie wir es alle nötig haben, dass dieses Kind in den Armen des Simeon uns zu Menschen macht, die in Gottes Augen richtig dastehen und die darum getrost dem Gericht entgegenblicken können.
Gott kommt, um uns zu reinigen. Dazu hat er selber ein Opfer dargebracht, das heilige, allgenugsame Opfer seines Leibes und Blutes am Stamm des Kreuzes. Da hat er unsere Schuld auf sich genommen und weggetragen. Und so vollzieht er nun seine Reinigung an uns, hat sie grundlegend vollzogen in unserer heiligen Taufe, vollzieht sie hier in jedem Gottesdienst aufs Neue. Dazu kommt er so verborgen mit seinem Leib und Blut im Heiligen Mahl, damit wir danach wie Simeon singen können: „Herr, nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren!“ Nun ist alles gut, nun kann ich dem Ende meines Lebens, kann ich auch deinem Gericht entgegensehen, ohne Angst haben zu müssen, weil ich weiß: Jetzt bin ich so, wie du mich haben möchtest – nicht, weil ich mich so wunderbar und so anständig verhalten habe, sondern weil du mich rein gemacht hast. Denn Christi Blut und Gerechtigkeit, das ist mein Schmuck und Ehrenkleid. Damit will ich vor Gott bestehn, wenn ich zum Himmel werd eingehn.
Wo ist der Gott, der da straft? So fragten die Israeliten damals. Gott sei Dank, dass wir den Gott gefunden haben, der die Strafe auf sich genommen hat, damit wir Frieden hätten, den Gott, der damals zu seinem Tempel gekommen ist und der auch jetzt in unsere Mitte tritt! Amen.