06.01.2007 | Jesaja 60, 1-6 (Epiphanias)

EPIPHANIAS – 6. JANUAR 2007 – PREDIGT ÜBER JESAJA 60,1-6

Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des Herrn geht auf über dir! Denn siehe, Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker; aber über dir geht auf der Herr, und seine Herrlichkeit erscheint über dir. Und die Heiden werden zu deinem Lichte ziehen und die Könige zum Glanz, der über dir aufgeht. Hebe deine Augen auf und sieh umher: Diese alle sind versammelt und kommen zu dir. Deine Söhne werden von ferne kommen und deine Töchter auf dem Arme hergetragen werden. Dann wirst du deine Lust sehen und vor Freude strahlen, und dein Herz wird erbeben und weit werden, wenn sich die Schätze der Völker am Meer zu dir kehren und der Reichtum der Völker zu dir kommt. Denn die Menge der Kamele wird dich bedecken, die jungen Kamele aus Midian und Efa. Sie werden aus Saba alle kommen, Gold und Weihrauch bringen und des HERRN Lob verkündigen.

Zwei Monate ist es schon wieder her, seit am 4. November letzten Jahres mit einem Schlag Millionen von Haushalten im Dunkeln versanken. Finsternis bedeckte das Erdreich und Dunkel die Völker, weil der Energiekonzern e.on eine Hochspannungsleitung über der Ems für die Durchfahrt eines Kreuzfahrtschiffs abgeschaltet und damit eine Kettenreaktion ausgelöst hatte, die schließlich zu einem Stromausfall in weiten Teilen Westeuropas führte. Letztlich ging die ganze Geschichte noch einigermaßen glimpflich aus; nach einer guten Stunde kam der Strom wieder zurück, auch wenn es beispielsweise für die Leute, die in dieser Zeit in diversen Fahrstühlen festsaßen, alles andere als eine witzige Erfahrung war, so lange ohne Strom auskommen zu müssen. Aber, so sagen uns Experten, es hätte alles noch viel schlimmer kommen können: Ein Stromausfall über Tage ist bei einem solch labilen Stromsystem, wie wir es haben, durchaus möglich, ein Stromausfall, der unsere Gesellschaft sehr schnell ins Chaos stürzen würde, wo es dann nicht mehr bloß um ein paar Unannehmlichkeiten gehen würde, sondern um viel mehr, wenn nicht nur die Heizungen und alle elektrischen Geräte, sondern beispielsweise auch die Zapfsäulen an den Tankstellen oder eben auch die gesamte Kommunikationstechnik und weite Teile des öffentlichen Verkehrs ausfallen würden. Das Ganze möglichst noch im Winter – man kann sich die Folgen kaum ausmalen.
Von solch einer Finsternis, einer Finsternis mit sogar noch viel fataleren Konsequenzen berichtet die alttestamentliche Lesung des heutigen Epiphaniasfests: Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker. Von einer Gottesfinsternis spricht Jesaja hier, nein, nicht bloß von einem zeitweiligen Verbindungsausfall, sondern von einer dauerhaften Störung, die von uns nicht mehr repariert, nicht mehr behoben werden kann. Wir Menschen haben die Leitungen zu Gott gekappt, und seitdem ist es bei uns zappenduster, leuchtet das Licht der unmittelbaren Gegenwart Gottes nicht mehr über uns und unserem Leben. Doch während sich damals am 4. November viele Leute tierisch darüber aufgeregt haben, dass der Stromausfall sie daran hinderte, „Wetten dass“ im Fernsehen anzuschauen, während solch ein kurzer Stromausfall bei manchen beinahe schon apokalyptische Ängste auslöste, gehen wir Menschen mit dieser Gottesfinsternis, in der wir leben, erstaunlich gelassen um, kratzt die uns gar nicht sonderlich, sehen wir Menschen das geradezu als normal an, dass wir in dieser Finsternis hocken. Da gibt es viele Menschen, die ganz grundsätzlich bestreiten, dass es überhaupt anders sein könnte, dass es überhaupt möglich sein könnte, dass Gott mit seinem Licht in die Finsternis dieser Welt hineinleuchtet. Und da gibt es noch mehr Menschen, die sich damit zufrieden geben, die Gottesfinsternis ihres Lebens auf ihre Weise ein wenig aufzuhellen: Man muss nur positiv denken, dann sieht das Dunkel schon gar nicht mehr ganz so dunkel aus; und wenn es schon draußen um einen herum dunkel ist, dann muss man sich eben in sich selbst versenken, findet dort die Erleuchtung, das Licht, das man für sein Leben braucht. Und was fragen wir überhaupt nach dem Licht Gottes in unserem Leben, wenn wir doch so viele Möglichkeiten haben, unsere Welt künstlich zu erleuchten? Da schaffen wir es doch selber, unser Leben genügend hell zu machen!
Doch früher oder später erfahren wir es in unserem Leben eben doch, dass es da in der Tat eine Finsternis gibt, gegen die wir mit ein bisschen Spaß, mit künstlicher Beleuchtung und ein paar Angeboten aus dem Esoterik-Koffer nicht ankommen, eine Finsternis, die unser Leben so sehr zu verdunkeln vermag, dass sie sich nicht mehr ignorieren und verdrängen lässt: die Finsternis des Todes, die uns endgültig von allen Lebensleitungen abtrennt. Und auf diesem Hintergrund fangen die Worte der alttestamentlichen Lesung des heutigen Festtages tatsächlich noch einmal in einem ganz wörtlichen Sinn an zu leuchten, ja, reißen sie geradezu mit: Mache dich auf, steh auf, es tut sich etwas, etwas Unglaubliches, Unerhörtes: Licht soll aufstrahlen in der Finsternis, Licht, das diese Finsternis nicht bloß romantisch beleuchtet, sondern sie ganz und gar vertreibt.
„Mache dich auf, steh auf!“ – Das rief Gott damals der Stadt Jerusalem zu. „Mache dich auf, steh auf!“ – Das ruft Gott auch heute uns, seiner Kirche, zu, eröffnet uns hier eine großartige Zukunftsperspektive:

- Gottes Licht erscheint.
- Gottes Licht zieht an.

I.

Als es damals vor zwei Monaten nach dem Stromausfall in den Städten Westeuropas wieder hell wurde, da atmeten die Leute auf: Endlich war alles wieder so wie vorher, endlich funktionierte die Beleuchtung, funktionierte der Computer und der Fernseher wieder. Und in das Aufatmen mischte sich zugleich ein Gefühl von Beklommenheit: Was wäre eigentlich gewesen, wenn der Strom nicht wiedergekommen wäre?
Jesaja hingegen kündigt hier nicht bloß die Wiederherstellung eines Normalzustands an, er kündigt nicht bloß an, dass die Leute irgendwann mal aufatmen und feststellen werden, dass endlich alles wieder so ist, wie sie es eigentlich gewohnt waren. Nein, er kündigt die Erscheinung eines Lichtglanzes über der Finsternis dieser Welt an, den sich niemand vorher vorstellen konnte, der völlig unerwartet kommt und in seiner Herrlichkeit alle Möglichkeiten, ihn mit menschlichen Worten zu beschreiben, sprengt. Ja, Gott kommt unerwartet anders; aber er kommt so, dass er die Finsternis, in die wir Menschen uns selber befördert haben, tatsächlich beendet, sie tatsächlich beleuchtet und hell macht.
Epiphanias feiern wir heute, das Fest der Erscheinung der Herrlichkeit Christi in dieser Welt, feiern heute, dass Gott seine Ankündigung, die wir in der alttestamentlichen Lesung gehört haben, tatsächlich wahrgemacht hat: „Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit“ – so bezeugt es der Evangelist St. Johannes. Ja, Gott ist in der Tat gekommen, hat in die Finsternis dieser Welt hineingestrahlt, und die Finsternis hat’s nicht ergriffen, so betont es St. Johannes. Doch wir merken schon: Dieses Licht, das da aufgegangen ist, es leuchtet im wahrsten Sinne des Wortes vielen Menschen nicht ein. Gott ist nicht so in diese Welt gekommen, dass er mit seiner Erscheinung sofort alle Menschen geblendet hat; im Gegenteil: Ganz unscheinbar leuchtete sein Licht zunächst einmal, wurde zunächst nur von einzelnen Menschen wahrgenommen: von den Hirten, die zur Krippe kamen, von Maria, seiner Mutter, von Simeon, der das kleine Jesuskind auf seine Arme nahm und es als ein Licht, zu erleuchten die Heiden, pries, von den Weisen aus dem Morgenland, die sich auf den Weg ins jüdische Land begaben, um den König zu finden, dessen Geburt sich sogar noch in den Sternen und Sternbildern am Himmel widerspiegelte.
Nein, keiner von ihnen war selber auf den Trichter gekommen, dass dieses Baby in der Krippe, in den Armen Marias das Licht sein könnte, das die Finsternis dieser Welt, das gar die Finsternis des Todes zu erhellen vermag. Da musste Gott schon selber diesen Menschen ein Licht aufgehen lassen, damit sie dieses Licht erkennen konnten. „Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt!“ – so ruft es Jesaja hier der Stadt Gottes, so ruft er es auch uns zu. „Werde Licht, denn dein Licht kommt.“ Gott selber muss es in unserem Leben, in unserem Herzen hell werden lassen, damit wir das Licht erkennen können, ja, damit wir erkennen können, wo dieses Licht leuchtet. Nein, das Licht, das mit dem Kommen Christi in diese Welt gekommen ist, das hüllt nicht einfach die ganze Welt gleichmäßig in ein fahles Dämmerlicht. Sondern dieses Licht gleicht viel eher einem Spotlight, das einen Punkt ganz hell beleuchtet und ihn damit umso deutlicher aus der ihn umgebenden Finsternis hervorhebt. Über Jerusalem, über der Stadt Gottes, geht auf der Herr; über seiner Stadt, seiner Kirche leuchtet Christus, lässt hier sein Licht strahlen, während Menschen außerhalb der Stadt, außerhalb der Kirche weiterhin zumeist gar nicht merken, in was für einer Finsternis sie sich eigentlich befinden. Ja, hell wird es jedes Mal im Leben eines Menschen, wenn Christus in der Taufe zu seinem Lebenslicht wird und ihm fortan voranleuchtet. Hell wird es jedes Mal in unserem Leben, wenn wir nach jedem Empfang des Heiligen Mahles dankbar und fröhlich bekennen: „Herre, nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren; denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen, ein Licht, zu erleuchten die Heiden.“ Und hell wird es in unserem Leben schließlich sogar auch, wenn wir am Grab eines lieben Menschen stehen und in aller Traurigkeit dennoch singen: „Des solln wir alle froh sein; Christ will unser Trost sein.“ Ja, da fällt dann jedes Mal schon ein Lichtstrahl der Ewigkeit in unser Leben hinein, dürfen wir schon etwas ahnen davon, wie es einmal sein wird, wenn Gottes Herrlichkeit einmal für alle Menschen sichtbar über dieser Welt aufgehen wird, wenn wir einmal springen, tanzen und jubeln werden in diesem Lichtglanz, der uns dann einmal für immer umgeben wird.

II.

Schwestern und Brüder, noch warten wir auf diese endgültige Erscheinung der Herrlichkeit Gottes; noch leben wir auch als Christen umgeben von der Finsternis dieser Welt. Doch auch jetzt schon dürfen wir die Erfahrung machen, die Jesaja hier in unserer Predigtlesung so eindrücklich beschreibt, die Erfahrung, dass Licht anziehend wirkt und Menschen anlockt.
Wir leben gerade heute in einer Zeit, in der Licht immer bewusster als Werbemittel eingesetzt wird, um Menschen aufmerksam zu machen und anzulocken. Und von daher ist es nicht zufällig eine der ersten Maßnahmen unseres Werbeteams auch hier in Steglitz gewesen, unsere Kirche abends zu beleuchten und sie auch mit einem beleuchteten Schaukasten zu versehen. Wenn ihr nachher noch einen Augenblick Zeit habt, dann geht einfach mal um unser Kirchgrundstück herum und vergleicht den unbeleuchteten Schaukasten hinten an der Ecke, wo früher die Bushaltestelle stand, mit unserem neuen beleuchteten Schaukasten, und dann schaut anschließend noch einmal auf unsere angestrahlte Kirche. Dann bekommt ihr eine Ahnung davon, was für einen Unterschied Licht ausmacht, wie anziehend Licht wirkt.
Und genau das gilt nun auch für das Licht Gottes, das er über und in seiner Kirche wie ein Spotlight leuchten lässt. Das wirkt anziehend, so bezeugt es Jesaja hier in unserer Predigtlesung, das wirkt anziehend gerade auch auf Menschen, die eigentlich gar keinen Bezug zum Gottesvolk hatten und sich durch dieses Licht nun doch anlocken lassen: „Die Heiden werden zu deinem Lichte ziehen und die Könige zum Glanz, der über dir aufgeht.“
Schwestern und Brüder, auch wenn wir es hier in Steglitz im Augenblick vielleicht nicht gleich so deutlich erkennen können: Habt ihr euch schon mal klar gemacht, was für eine faszinierende Völkerwallfahrt die Geburt des Kindes in der Krippe, die Erscheinung des göttlichen Lichtes in der Finsternis dieser Welt, seit nunmehr fast 2000 Jahren ausgelöst hat? Menschen aus allen Völkern haben den Weg zu diesem Kind in der Krippe gefunden, haben ihre Entdeckung nicht für sich behalten können und auch andere zu diesem Kind, zu diesem Licht geführt. Die kleine Schar des Gottesvolkes, die damals im noch zerstörten Jerusalem saß, als sie die Worte des Propheten hörte, ist mittlerweile angewachsen zu einer Schar, die die Milliardengrenze überschritten hat. Könige und Kaiser sind zu diesem Licht gepilgert und sind vor dem Kind in der Krippe, vor dem Licht der Welt niedergekniet. Menschen haben, was sie hatten an Begabungen und Besitz, in den Dienst dieses Kindes gestellt, haben Kirchen zu Ehren dieses Kindes gebaut, Musik zu Ehren dieses Kindes komponiert und dargeboten, haben auf unterschiedlichste Weise das Leben in der Stadt Gottes, in der Kirche, bereichert. Und was weltweit geschieht, davon können wir doch ein wenig auch in unserer Gemeinde wahrnehmen. Nein, Könige und ehemalige Astrologen können wir hier in unserer Gemeinde nicht unbedingt vorweisen; wohl aber Menschen aus vielen verschiedenen Ländern, die sich auf ganz unterschiedliche Weise haben anlocken lassen von dem Licht, Menschen aus Asien und Afrika, aus Amerika und Europa, Menschen aus vielen verschiedenen Ländern mit vielen verschiedenen Sprachen, Menschen, die mit ihren ganz unterschiedlichen Gaben Gott in seiner Kirche dienen und die damit auch das Leben unserer Gemeinde auf so vielfältige Weise bereichert haben und bereichern.
Nein, so müssen wir feststellen, das haben gar nicht wir geschafft, diese Menschen in die Kirche zu bekommen. Es ist das Licht gewesen, das auch in unserer Mitte leuchtet, das Menschen angelockt und in seiner Nähe festgehalten hat, dasselbe Licht, das auch unser Leben hell und warm macht und dessen Strahlkraft für uns immer wieder da besonders deutlich erkennbar wird, wo wir mit Menschen zu tun haben, die von diesem Licht noch nichts wissen oder wissen wollen.
Brüder und Schwestern: Am Epiphaniasfest geht es immer auch um das Thema Mission: Die Sterndeuter aus dem Irak, deren Besuch an der Krippe wir heute feiern, sie waren die ersten Nichtjuden, die ersten Heiden, die den Weg zu Christus gefunden haben. Sie haben sich anlocken lassen von dem Licht, das in der Finsternis schien. Und nicht anders funktioniert Mission auch heute noch: Nicht wir müssen es schaffen, mit allen möglichen Strategien und Programmen Menschen in die Kirche zu befördern und zum Glauben zu bringen. Christus, das Licht der Welt, lockt die Menschen schon selber an. Stellen wir dieses Licht nur ja nicht unter den Scheffel, sondern leben wir selber fröhlich in diesem Licht und von diesem Licht, das hineinleuchtet in die Dunkelheit unseres Lebens, ja in die Dunkelheit unseres Todes, und machen wir uns immer wieder auf, dem großen Licht entgegenzugehen, das uns am Ziel unseres Lebens erwartet, ja, werden wir so selber licht! Und wenn sich dann vielleicht auch nicht gleich die Völkerscharen auf unserer Kirchentreppe nach oben wälzen, dann blicken wir einfach mal über den Tellerrand hinaus, blicken wir in die Arbeit der Mission, blicken wir in die Mongolei und nach China, nach Botswana und Madagaskar, schauen wir auf die vielen Menschen, die dort den Weg zum Licht gefunden haben und finden. „Dann wirst du deine Lust sehen und vor Freude strahlen, und dein Herz wird erbeben und weit werden“. Ja, „mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des HERRN geht auf über dir!“ Amen.