24.12.2007 | St. Lukas 2, 7b (Heiliger Abend (Christvesper I))

HEILIGER ABEND (CHRISTVESPER I) – 24. DEZEMBER 2007 – PREDIGT ÜBER ST. LUKAS 2,7b

Maria gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.

Eigentlich kann man die Wirte in Bethlehem damals ja gut verstehen: Sie wussten zwar noch nicht, dass Weihnachten vor der Tür stand, aber Hochsaison hatten sie trotzdem, jetzt, wo die ganzen Leute in den Ort geströmt waren, um sich dort registrieren und zählen zu lassen, wie der Kaiser Augustus dies befohlen hatte. Und da waren nun mal alle Betten belegt, waren sie nun mal voll ausgebucht. Das tat ihnen ja wirklich leid, dass sie für den Mann mit seiner schwangeren Frau kein Zimmer mehr frei hatten; aber sie konnten ja deswegen die anderen Hotelgäste nicht vor die Tür setzen. Die Umstände waren nun mal so.
Viel geändert hat sich da in den letzten zweitausend Jahren nicht: Da klopft Jesus auch heute bei uns an, nicht nur am Heiligen Abend, sondern immer wieder, das ganze Jahr über, will bei uns rein in unser Leben. Aber da brauchen wir dann einfach nur in unseren Terminkalender zu schauen, um festzustellen, dass für ihn bei uns leider einfach kein Platz mehr übrig ist: Schau her, so können wir es ihm zeigen, das sind die Zeiten, an denen ich arbeiten muss, hier muss ich mich um meine Familie kümmern, hier habe ich meine sonstigen Hobbys, hier habe ich noch andere Verpflichtungen, die ich wahrnehmen muss, und mich erholen und ausschlafen muss ich irgendwann ja auch noch. Du siehst: Es ist beim besten Willen kein Platz für dich übrig in meinem Leben; alles voll, alles verplant. Schau noch mal in dreißig Jahren bei mir vorbei; es könnte sein, dass ich dann noch ein Plätzchen für dich übrig habe.
Und Jesus – der versucht nicht, mit Gewalt bei uns in das Haus unseres Lebens einzudringen; der betätigt sich nicht als Hausbesetzer, sondern er geht weiter, wie sein Stiefvater und seine Mutter es damals in Bethlehem auch gemacht hatten, geht weiter und klopft beim Nächsten an, wird es dennoch immer wieder auch einmal bei dir versuchen. Nein, er ist doch nicht auf dich angewiesen, wie Maria und Joseph damals auf ein Quartier angewiesen waren; er weiß doch, dass du es dringend nötig hast, dass er bei dir hineinkommt in dein Leben, bei dir Herberge nimmt.
Maria und Joseph sind schließlich irgendwo in einem Ziegenstall untergekommen, vermutlich einer Art von Höhle, weil sie sonst kein anderes Quartier gefunden hatten. Ob der, der ihnen diesen Ziegenstall zur Verfügung gestellt hat, später mitbekommen hat, wen er da eigentlich aufgenommen hatte, ob er es vielleicht schon gemerkt hatte, als da mit einem Mal in dieser Nacht Hirten zu dem Ziegenstall kamen und später dort im Ort auch noch einige weitgereiste Herren mit kostbaren Geschenken auftauchten, um das Kind aus dem Ziegenstall zu besuchen – wir wissen es nicht. Vielleicht hat es der Ziegenstallbesitzer mitbekommen, hat sich vielleicht sogar geschämt, dass er diesem Kind solch ein jämmerliches erstes Zuhause angeboten hatte.
Wir jedenfalls wissen es, sollten es zumindest wissen, wer da bei uns anklopft, wer da bei uns rein will in unser Haus, in unser Leben: Christus, unser Retter, er, der Sohn Gottes, der in den Gestank unserer Welt hineingekommen ist, damit wir für immer und ewig mit ihm leben können. Ob wir für den wirklich keinen Platz, keine Zeit in unserem Leben übrig haben? Ob wir den wirklich einfach irgendwo in eine Ecke unseres Lebens, gleichsam in den Ziegenstall, packen können, damit er uns in unserem Alltag auch ja nicht stört, damit er ja unsere Terminplanung nicht durcheinanderbringt?
Die Wirte in Bethlehem haben damals nicht gewusst, was sie taten. Wir wissen es, können uns nicht rausreden. Und wenn wir’s denn wissen und merken, wer der ist, der da bei uns anklopft und zu uns kommen will, dann mag es ja sehr wohl sein, dass wir anfangen, in unserem Leben noch einmal ganz kräftig aufzuräumen, Platz zu schaffen für ihn. Dann mag es sehr wohl sein, dass wir merken: Dieser Besucher ist ja keine Belastung für unser Leben, nein, das ist der größte Glücksfall für mein Leben überhaupt, dass der zu mir, ausgerechnet zu mir gekommen ist. Nein, ich muss seinetwegen ja gar nicht alles aus meinem Leben rausschmeißen, was mir bisher wichtig war. Aber in den Ziegenstall möchte ich Christus dennoch nicht packen, möchte ihm schon den Platz in meinem Leben einräumen, der ihm zusteht, ja, das möchte ich, nicht nur seinetwegen, sondern vor allem um meinetwillen, weil es für mich doch so wichtig ist, ihn bei mir zu haben, ihn, Christus, meinen Herrn.
Denkt darum an die Wirte von Bethlehem, wenn Christus demnächst wieder bei euch anklopft und bei euch einkehren will hier im Gottesdienst. Denkt an die Wirte von Bethlehem, wenn ihr den Pfarrbrief lest, die Einladungen zum Gottesdienst und gleich wieder versucht seid, festzustellen, dass ihr dafür ja doch keinen Platz in eurer Terminplanung, keinen Raum in eurem Leben habt. Es ist nicht irgendein Besucher, der da draußen steht und bei euch rein will. Es ist euer Heiland, euer Retter, der euch ein wirklich erfülltes, ewiges Leben schenken will. Schickt ihn darum nicht weg, packt ihn nicht irgendwo in den Ziegenstall, öffnet ihm die Türen, lasst ihn mit seinen Geschenken ein hier an seinem Altar.
Ja, Christus will zu euch kommen und euch besuchen – auch das ganze nächste Jahr. Und damit ihr das auch nicht vergesst, haben wir hier an der Kanzel eine ganz Kleinstadt mit lauter Häusern aufgebaut, mit lauter Häusern, an denen Christus anklopft. Und ihr, liebe Kinder, dürft euch jetzt gleich alle solch ein Haus mit einem Wirt mit nach Hause nehmen, damit ihr euch immer daran erinnert: Christus klopft auch bei uns immer wieder an, er will zu uns kommen und immer wieder mit uns feiern. Lasst ihn nicht draußen stehen, wimmelt ihn nicht ab, sondern lasst ihn rein. Ihr werdet es merken: Dieser Besuch ist für euch das größte Glück eures Lebens! Amen.