30.11.2007 | Römer 10, 9-18 (Tag des Apostels St. Andreas)

TAG DES APOSTELS ST. ANDREAS – 30. NOVEMBER 2007 – PREDIGT ÜBER RÖMER 10,9-18

Denn wenn du mit deinem Munde bekennst, dass Jesus der Herr ist, und in deinem Herzen glaubst, dass ihn Gott von den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet. Denn wenn man von Herzen glaubt, so wird man gerecht; und wenn man mit dem Munde bekennt, so wird man gerettet. Denn die Schrift spricht (Jesaja 28,16): »Wer an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden.« 12 Es ist hier kein Unterschied zwischen Juden und Griechen; es ist über alle derselbe Herr, reich für alle, die ihn anrufen. Denn »wer den Namen des Herrn anrufen wird, soll gerettet werden« (Joel 3,5).
Wie sollen sie aber den anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie aber an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie aber hören ohne Prediger? Wie sollen sie aber predigen, wenn sie nicht gesandt werden? Wie denn geschrieben steht (Jesaja 52,7): »Wie lieblich sind die Füße der Freudenboten, die das Gute verkündigen!« Aber nicht alle sind dem Evangelium gehorsam. Denn Jesaja spricht (Jesaja 53,1): »Herr, wer glaubt unserm Predigen?« So kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Christi. Ich frage aber: Haben sie es nicht gehört? Doch, es ist ja »in alle Lande ausgegangen ihr Schall und ihr Wort bis an die Enden der Welt« (Psalm 19,5).

In den vergangenen Wochen und Monaten haben in unserem Lande die Lokführer immer wieder einmal gestreikt. Diese Streiks hatten beträchtliche Auswirkungen auf das öffentliche Leben, denn die Lokführer haben in ihrem Beruf eine Schlüsselposition, die sie bei den Lohnverhandlungen nun auch kräftig ausnutzen: Ohne sie fahren keine Züge, und so können sie mit einem Streik auch ordentlich Druck ausüben.
Könntet ihr euch eigentlich vorstellen, dass in unserem Land auch einmal alle Pastoren in den Streik treten? Und wenn sie es täten – was hätte das wohl für Folgen? In den Nachrichten würde die Meldung eines Pastorenstreiks wohl höchstens unter „Vermischtes“ oder „Skurriles“ auftauchen, denn der Volkswirtschaft entstünde durch einen Pastorenstreik ja kein Schaden, und die allermeisten Bundesbürger würden das sowieso nicht mitbekommen, ob die Pastoren streiken, wenn sie nicht gerade eine Hochzeit oder Beerdigung vor sich haben oder Heiligabend vor der Tür steht. Ja, wenn die Pastoren alle streiken würden, dann würden sich in vielen Gemeinden wohl die Leute zusammensetzen und sagen: Nun gut, dann schaffen wir das eben alleine; zur Not geht es ja auch ohne Pastor ganz gut. Nein, Pastoren haben offensichtlich nicht dieselbe Schlüsselposition, die Lokführer innehaben, tun schon allein von daher gut daran, nicht zu streiken, weil sie sich damit letztlich nur ins eigene Fleisch schneiden würden. Doch der Apostel Paulus, der erklärt uns in der Epistel des heutigen Aposteltages noch viel weitergehend, weshalb es Irrsinn wäre, wenn Pastoren auf die Idee kämen, zu streiken. Denn in der Kirche geht es doch, so zeigt es uns St. Paulus hier,

- um Rettung
- ums Hören
- um Sendung

I.

Es ist noch nicht allzu lange her, da hatte eine andere Berufsgruppe, die eine Schlüsselposition innehat, in unserem Land gestreikt: die Gruppe der Krankenhausärzte. Ja, auch die konnten genügend Druck machen, um am Ende einen eigenen Tarifvertrag nach ihren Wünschen zu erhalten; doch natürlich hatten die Krankenhausärzte niemals einen solchen Druck gemacht, dass in den Krankenhäusern niemand mehr gearbeitet hätte und überhaupt keine Operationen mehr stattgefunden hätten. Wo es darum ging, dass Leben gerettet werden musste, packten die Ärzte natürlich an, ließen natürlich nicht Patienten mit offenem Bauch auf dem OP-Tisch liegen und gingen nach Hause. Da hatten sie eine Verantwortung, der sie sich nicht entziehen konnten.
Die Kirche ist auch eine Rettungsstation. Sie ist kein Kulturverein, der ein paar nette, interessante Angebote macht, bei denen es zwar schade ist, wenn die mal ausfallen, die dann aber später immer noch mal nachgeholt werden können. Sondern es geht in der Kirche darum, dass Menschen gerettet werden, gerettet vor dem ewigen Tod, gerettet ins ewige Leben. Da steht in der Kirche noch viel mehr auf dem Spiel als in jedem Krankenhaus. Und schon allein darum können Pastoren nicht streiken, weil für sie dasselbe gilt wie für Rettungsärzte: Das können sie nicht verantworten, das dürfen sie einfach nicht: Menschen unversorgt lassen, die dringendst der Rettung bedürfen.
Nun mag man dagegen einwenden: Der Paulus macht doch hier deutlich, dass das mit der Rettung eigentlich ganz einfach ist; da muss nicht die ganze Zeit ein Pastor danebenstehen; nein, wer den Namen des Herrn anrufen wird, soll gerettet werden, so zitiert Paulus hier den Propheten Joel. Ja, das ist richtig: Es ist ganz einfach, gerettet zu werden, gerettet zu werden vom ewigen Tod ins ewige Leben. Ich muss dafür nicht einen Stapel guter Werke vorweisen; ich muss nicht alle möglichen Gesetzesvorschriften einhalten, ich muss dafür kein anständiges, makelloses Leben führen, ich muss mir diese Rettung überhaupt nicht selber verdienen und kann es auch gar nicht. Denn ich kann mich gar nicht selber retten; ich kann nur gerettet werden. Und dazu reicht es, dass ich meinen Retter kenne, dass ich seinen Namen anrufe: Herr Jesus Christus, erbarme dich meiner; hilf mir, rette mich. Wer das tut, wird gerettet werden, ganz gewiss.
Aber dazu muss ich eben auch meinen Retter kennen, muss ich wissen, an wen ich mich zu wenden habe. Wenn es bei mir im Haus brennt, dann muss ich wissen, dass ich die 112 anzurufen habe. Wenn ich stattdessen mit meinem Telefon die Zeitansage anrufe und sie um Rettung bitte, dann nützt mir das nichts. Und so ist das mit meiner Rettung vor dem ewigen Tod auch. Es gibt eben nur einen Retter, der mir helfen kann, und das ist mein Herr und Heiland Jesus Christus, der für mich gestorben und auferstanden ist. Das muss ich wissen, dem muss ich vertrauen, anders ausgedrückt: Gerettet werde ich durch den Glauben an ihn; ja, wenn du mit deinem Munde bekennst, dass Jesus der Herr ist, und in deinem Herzen glaubst, dass ihn Gott von den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet. Gerettet werde ich nicht dadurch, dass ich gläubig bin, dass ich der Meinung bin, dass es da über dem Sternenzelt einen lieben Vater gibt. Sondern gerettet werde ich allein dadurch, dass ich mich an Christus halte, dass ich weiß, dass der mich retten kann und retten wird und niemand sonst. Ja, wie gesagt, das ist ganz einfach; ich muss gar nichts tun; ein Hilfeschrei an die richtige Adresse reicht.

II.

Aber damit sind wir nun schon beim Zweiten: Es geht in der Kirche ums Hören. Wie sollen sie aber an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? – So stellt der Apostel Paulus hier treffend fest. Unser Glaube ist eben nicht eine natürliche Veranlagung, die wir seit unserer Geburt in uns tragen und die wir nur ein wenig zu trainieren brauchen, die wir nur im richtigen Moment aus der Versenkung hervorholen müssen. Nein, kein Mensch käme von sich aus auf die Idee, Jesus als seinen Herrn und Retter anzurufen, wenn er nicht von ihm, Jesus, gehört hätte, wenn ihm dies nicht verkündigt worden wäre, wenn diese Verkündigung nicht den Glauben in ihm gewirkt hätte. Nein, die Verkündigung ist eben nicht bloß eine nette Information, die an die Menschen weitergereicht wird, die die Menschen zur Kenntnis nehmen und dann auch im Gedächtnis behalten. Nein, dass wir dadurch gerettet werden, dass wir Jesus als unseren Herrn anrufen, das leuchtet uns Menschen gerade nicht ein, das widerstrebt unserem gesunden Menschenverstand, das widerstrebt unserem moralischen Bedürfnis, dadurch gerettet zu werden, dass wir ein anständiges Leben führen. Ja, das widerstrebt uns Menschen von Natur aus ganz und gar, dass unser ganzes Schicksal, unsere ganze Zukunft an einer einzigen Person hängt, dass sie wirklich der einzige Weg, die einzige Kontaktadresse ist, durch die wir gerettet werden können. Doch die Verkündigung ist eben unendlich mehr als bloß eine mehr oder weniger nett vorgetragene Information; sie hat Kraft, diesen Glauben in Menschen zu wirken, hat diese Kraft auch in eurem, in deinem und meinem Leben entfaltet. Gewiss, so stellt es St. Paulus hier ganz nüchtern fest: Es gibt Menschen, die sich dieser Verkündigung ganz und gar verweigern, die von dieser Botschaft nichts wissen wollen, die dicht machen und sich abschotten. Erschütternd ist das, aber wahr. Doch wenn Menschen dieser Botschaft glauben, wenn sie Christus als ihren Retter anrufen, dann liegt  das nicht daran, dass sie besser wären als diese anderen, dann liegt das nicht an ihrer Willenskraft, nicht an ihrer Entscheidung. Nein, der Glaube kommt allein aus dem Hören, so betont es der Apostel hier; Glaube entsteht nur so, dass Gott durch die verkündigte Botschaft in den Herzen der Menschen wirkt. Das stimmt – trotz der gegenteiligen Erfahrungen, die wir tagtäglich selber machen.

III.

Nun könnten wir an dieser Stelle ja eigentlich abbrechen und die Pastoren in der Tat fröhlich streiken lassen: Gerettet werden Menschen dadurch, dass sie Christus als ihren Herrn anrufen; um ihn anrufen zu können, müssen sie von Christus hören. Nun gut, das kriegen wir als Gemeinde zur Not auch selber hin; dazu muss man keine Theologie studiert haben, um anderen davon zu erzählen, dass Christus für sie gestorben und auferstanden ist, dass er auch ihr Retter ist.
Doch Paulus geht hier nun noch einen Schritt weiter in seiner Argumentationskette, einen Schritt, den wir vielleicht gar nicht unbedingt erwarten würden. Er schreibt: „Wie sollen sie aber predigen, wenn sie nicht gesandt werden?“ Um predigen zu können, muss man gesandt sein, betont der Apostel. Ich kann nicht einfach so drauflos predigen, weil ich mich irgendwie dazu berufen fühle. Gewiss haben wir als Christen alle miteinander die Aufgabe, Zeugen unseres Herrn Jesus Christus zu sein; gewiss gibt es Notsituationen, in denen Christen auch im Gottesdienst diesen Zeugnisdienst wahrnehmen, weil kein Pastor da ist. Aber der normale Weg, wie Menschen das Wort des Evangeliums hören, ist der, dass Christus ganz konkrete Menschen aussendet, sie zu seinen Boten macht und durch ihr Wort den rettenden Glauben wirkt. Botschaft und Bote, sie gehören für Paulus zusammen, sie lassen sich nicht voneinander loslösen.
„Wie sollen sie predigen, wenn sie nicht gesandt werden?“ – Eben darum kann die Kirche auf ordinierte Diener des Wortes nicht verzichten; denn Christus will gerade so, durch diesen Dienst von Menschen, die er ein Leben lang in Pflicht nimmt, seine Kirche bauen. Von daher haben Pastoren schon so etwas wie eine „Schlüsselposition“, eine „Schlüsselposition“ im wahrsten Sinne des Wortes, denn ihnen ist das Schlüsselamt anvertraut, ist es ihr Auftrag, mit dem Zuspruch der Vergebung Menschen die Tür zum Himmel aufzuschließen. Aber diese Schlüsselposition ist eben nie und nimmer eine Machtposition, kann und darf von denen, die diesen Dienst versehen, eben niemals zum persönlichen Vorteil ausgenutzt werden.
Nur vordergründig sind Pastoren bei irgendeiner Institution angestellt, von der sie Geld bekommen. In Wirklichkeit ist ein anderer ihr Auftraggeber, kein Geringerer als Christus selbst. Er hat sie ausgesandt, ohne ihnen ein Streikrecht zuzubilligen. Gesandt bleiben sie selbst dann, wenn es keine Kirchenkasse gibt, die sie vom Gelderwerb freistellt und es ihnen ermöglicht, sich vollzeitlich ihrem Dienst zu widmen; gesandt bleiben sie selbst dann, wenn sie für ihren Dienst von der Kirche keinen Cent bekommen. Die Sendung durch Christus, sie lässt sich nicht aufkündigen und rückgängig machen; sie bleibt. Denn es geht hier nicht um Serviceleistungen und nicht um Gelderwerb; es geht in der Rettungsstation der Kirche um die Rettung von Menschen, darum, dass sie das rettende Wort des Evangeliums erreicht. Daran erinnert uns jeder Aposteltag aufs Neue, und darum wollen wir an jedem Aposteltag wieder von Neuem bitten, dass Christus nicht aufhören möge, seine Boten auszusenden und durch ihr Wort Glauben bei den Menschen zu wirken. Es geht hier um unendlich mehr als bei der Deutschen Bahn. Amen.