11.03.2015 | Christenverfolgung nach der Johannesoffenbarung | Mittwoch nach Okuli
Pfr. Dr. Gottfried Martens

Vor einigen Wochen ereignete sich in dem kleinen Stadtstaat Bremen Erstaunliches. Da hatte in Bremen ein Pastor eine theologisch zugegebenermaßen nicht gerade sehr lutherische Predigt gehalten, an der man sicher Manches aussetzen konnte. Aber er hatte darin auch etwas sehr Wahres gesagt, dass nämlich Jesus Christus der einzige Weg zu Gott ist. Doch nun sah sich das Parlament dieses Stadtstaates Bremen allen Ernstes bemüßigt, diese Predigt zu verurteilen und Maßnahmen gegen diesen Pastor zu fordern. Das war und ist schon bemerkenswert, dass ein Parlament Resolutionen darüber verabschiedet, was ein Pastor von der Kanzel sagen darf und was nicht.

Spinnen wir diese Entwicklung nun einfach mal weiter: Stellt euch vor, in zehn Jahren würde eine breite Mehrheit im deutschen Parlament beschließen: Es ist ein Verstoß gegen die deutschen Gesetze, wenn man offen bekennt, dass Jesus Christus der einzige Weg zu Gott ist. Um der Intoleranz des christlichen Glaubens zu wehren, muss jeder Bürger unterschreiben, dass er anerkennt, dass er Jesus Christus nicht mehr als einzigen Weg zu Gott bezeichnen darf. Wer sich weigert, dies zu unterschreiben, der muss mit Geldstrafen rechnen, im Zweifelsfall auch mit Gefängnis. Wer dies behauptet, darf auch nicht mehr an staatlichen Universitäten studieren und auch nicht mehr Beamter werden. Was würde wohl passieren, wenn solch ein Gesetz beschlossen würde? Gut möglich, dass so manche Kirchen schon gleich in vorauseilendem Gehorsam erklären würden, sie hätten das ja schon ganz lange nicht mehr behauptet, dass Jesus Christus der einzige Weg zu Gott sei; so intolerant seien sie schon lange nicht mehr. Gut möglich, dass auch viele Kirchglieder unterschreiben würden, um ihren Beruf, ihre Ausbildung zu retten, um nicht am Ende im Gefängnis zu landen. Und wie würden wir uns verhalten? Wie viele von uns wären dazu bereit, eine solche Unterschrift zu leisten?

Schwestern und Brüder: Das ist jetzt natürlich alles nur ein Gedankenspiel, auch wenn man nicht verkennen sollte, dass antichristliche Strömungen hier in Europa zunehmend an Gewicht gewinnen und im Namen der angeblichen Toleranz geradezu totalitäre Forderungen erheben. Doch für die Christen, an die der Seher Johannes damals vor mehr als 1900 Jahren sein Schreiben richtete, war das nicht bloß ein Gedankenspiel, war das bittere Realität, die gerade am Horizont heraufzog und deren Konsequenzen sie schon bald zu spüren bekamen. Da hatte der römische Kaiser Domitian beschlossen, dass im ganzen römischen Reich er, der Kaiser, als Herr und Gott verehrt werden sollte. Und alle Bewohner seines Reiches sollten dies auch anerkennen, sollten vor seinen Statuen niederfallen und ihm die göttliche Verehrung erweisen. Wer dabei nicht mitmachte, der riskierte einiges: Gesellschaftliche Ausgrenzung, Verhaftung, ja, auch den Tod. Ja, wie sollten sie, die Christen, darauf reagieren? Konnten sie nicht doch bei der Verehrung des Kaisers mitmachen und nebenbei dann eben ihre christlichen Gottesdienste weiter feiern? Nein, so macht es der Seher Johannes den Christen hier deutlich, das geht nicht, das ist für einen Christen ausgeschlossen. Eher soll er die Konsequenzen ertragen, bis hin zum Tod, als Christus auf diese Weise zu verleugnen. Und er, Johannes, war dazu bereit gewesen, solche Konsequenzen zu tragen, schrieb die Offenbarung bereits von einer Gefängnisinsel, vom Alcatraz der Antike, der Insel Patmos, wohin er verbannt worden war, weil er sich mit seinem Eintreten für den christlichen Glauben bei den römischen Behörden offenkundig sehr unbeliebt gemacht hatte.

Das Erste, was Johannes den Christen in den Gemeinden in der heutigen Westtürkei zu schreiben hat, ist dies: Wacht endlich auf, macht euch bereit für die Zeit der Verfolgung, versinkt nicht in einem Gewohnheitschristentum, in dem der christliche Glaube nur noch eine bessere Freizeitbeschäftigung darstellt! Wenn ihr weiter vor euch hindöst, werdet ihr nicht dazu in der Lage sein, den antichristlichen Mächten zu widerstehen, die euch in die Knie zwingen wollen. Nehmt wieder neu ernst, was es bedeutet, zu Christus zu gehören, lasst euch von ihm hier und jetzt schon stärken für den Kampf, der vor euch liegt!

Schwestern und Brüder: Wir können sehr dankbar sein, dass wir heute hier in unserer Gemeinde auch solche Wecker haben wie damals die Christen den Johannes. Wir haben Menschen in unserer Mitte, die dazu bereit gewesen sind, um ihres Glaubens an Christus willen gewaltige Nachteile auf sich zu nehmen, die nicht dazu bereit gewesen sind, sich vor den antichristlichen Mächten in ihrem Heimatland zu beugen, die uns erzählen können, was es heißt, als Christ verfolgt zu sein, nur noch heimlich seinen Glauben leben zu können. Ja, diese Menschen sind für uns eine ganz wichtige geistliche Stärkung, ein wichtiger geistlicher Weckruf, dass wir ja nicht einschlafen in unserem Glauben. Ja, diese Menschen stellen an uns jetzt schon immer wieder die Frage: Wie wichtig ist dir der Glaube an Jesus Christus, was würdest du um Christi willen aufzugeben bereit sein? Und denen, die neu zu uns hinzugekommen sind, gilt die Mahnung der Johannesoffenbarung nicht weniger: Denkt nicht, dass ihr hier in Deutschland nun für alle Zeiten in Ruhe und Sicherheit euren Glauben leben könnt! Ihr seid auch hier eine Minderheit. Und wenn es der Teufel es nicht schafft, euch mit staatlichem Druck in die Knie zu zwingen, dann eben damit, dass er versucht, auch euch in eurem Glauben hier einschlafen zu lassen, dass ihr allmählich den Kontakt zur Kirche, zum Gottesdienst verliert. Wacht auf – euch steht ein geistlicher Kampf bevor, ja, auch hier in Deutschland.

Ein Zweites macht der Seher Johannes den Christen damals und auch uns heute deutlich: Lasst euch nicht durch Größen- und Mehrheitsverhältnisse beeindrucken! Schon damals schien es für die Christen ein völlig ungleicher Kampf zu sein: Der riesige römische Staat und die Massen, die dem Kaiser als Herrn und Gott huldigten, gegen die kleinen christlichen Gemeinden in Kleinasien. Da schien es nur eine Frage der Zeit zu sein, bis diese Gemeinden endgültig platt gemacht werden würden, bis die Christen endgültig ausgelöscht sein würden. Doch der Seher Johannes kündigt etwas scheinbar völlig Unrealistisches an: Nicht der riesige römische Staat wird am Ende über die Christen siegen, sondern Christus der Herr wird diesem Staat ein Ende setzen, wird ihn untergehen lassen, während sein Volk, die christliche Kirche, weiter Bestand haben wird. Wir wissen, wie Recht der Seher Johannes mit seiner Ankündigung behalten hat.

Auch heute stehen wir wieder in der Gefahr, uns in unserem Glauben von Meinungsumfragen, von Mehrheitsmeinungen, von gesellschaftlichem Druck beeinflussen zu lassen. Wir erleben es, wie unsere Kinder als Christen in den Schulen schon längst zu einer gesellschaftlichen Minderheit geworden sind, wir sehen die schrumpfenden Zahlen der Kirchglieder in unserem Land, und auch wenn wir hier in unserer Gemeinde nun gewaltig gegen den Trend wachsen, werden wir doch, wenn wir dieses Kirchgebäude verlassen haben, sehr schnell spüren, dass wir als Christen in unserem Land ganz schön gegen den Strom zu schwimmen haben. Doch Johannes macht uns deutlich, wie wir mit dieser Erfahrung umgehen sollen, auch hier in unserem Land: nicht so, dass wir Ängste schüren à la PEGIDA, sondern so, dass wir ihn, Christus, als den Herrn der Welt und den Herrn der Geschichte bezeugen. Christus ist stärker als alles, was uns hier und jetzt Angst einjagen mag. Er wird den Regimen, die jetzt noch die Christen verfolgen, ein Ende setzen, wird diejenigen, die jetzt noch Menschen um ihres Glaubens willen ins Gefängnis werfen, und auch diejenigen, die es zu verantworten haben, dass Menschen in solche Länder abgeschoben werden, in denen dies geschieht, zur Rechenschaft ziehen. Lassen wir uns darum durch nichts und niemand von dem Bekenntnis zu Jesus Christus abbringen. „Hier ist Geduld und Glaube der Heiligen“ – so ruft es Johannes auch uns zu. Bleibt Christus treu, auch und gerade dann, wenn ihr mit eurem Glauben ganz allein dasteht! Nichts und niemand kann Christus noch von seinem Thron stürzen, kein römischer Kaiser, keine islamische Republik – und übrigens auch kein demokratisch gewähltes Parlament.

Und um die Christen, die damals in den kleinen Gemeinden in Kleinasien lebten, zu bestärken und zu ermutigen, lässt Johannes sie in seiner Offenbarung drittens auch schon einmal teilhaben an seinem Blick in den Himmel, den der auferstandene Christus ihm eröffnet hat: Da stehen sie schon vor dem Thron Gottes und feiern: all diejenigen, die um Christi willen im Laufe der Geschichte getötet worden sind, all diejenigen, die an Christus in ihrem Leben festgehalten haben trotz aller Versuche des Teufels, sie wieder von ihm wegzuziehen. Da stehen sie vor dem Thron Gottes: all die Christen, die während der Verfolgungen des römischen Reiches umgebracht wurden, all die Christen, die getötet wurden, als der Islam sich im 7. und 8. Jahrhundert immer weiter ausbreitete, all die Christen, die in den Jahrzehnten der Sowjetunion oft auf bestialische Weise umgebracht wurden, all die Christen, die in den Arbeitslagern in Nordkorea bis auf diesen Tag zu Tode geschunden wurden und werden, all die Christen, die jetzt auch in diesen vergangenen Monaten und Jahren in den Ländern des Nahen und Mittleren Ostens oder in Nigeria von radikalen Muslimen ermordet wurden, ja, auch die 21 koptischen Christen, die nun gerade vor kurzem in Libyen enthauptet wurden, aber ebenso ein Dietrich Bonhoeffer, dessen Ermordung im Konzentrationslager Flossenbürg sich nun in den kommenden Tagen zum 70. Mal jährt. Sie stehen jetzt schon vor dem Thron Gottes und feiern den, der sein Leben für sie am Kreuz in den Tod gegeben hat, ihn, das Lamm Gottes, der sich mit der Kraft seiner Liebe am Ende als stärker erweisen wird als all diejenigen, die das Blut der Christen im Verlaufe der Geschichte vergossen haben.

Gedenken wir darum dieser Glaubenszeugen, die vor uns im Glauben treu geblieben sind bis an den Tod, lassen wir uns durch sie ermutigen, ja, lassen wir uns durch sie die Augen öffnen, was hier in jedem Gottesdienst geschieht: Da feiern sie alle mit, die vollendeten Heiligen vor dem Thron Gottes, stehen wir hier auf Erden schon hier und jetzt in ihrer Gemeinschaft. Möge uns Christus dafür immer wieder den Durchblick schenken – und mit dem Durchblick die Kraft, bei ihm zu bleiben, ganz gleich, was uns in unserem Leben noch erwarten mag. Denn eines steht doch fest, nein, einer, der eine, der uns erwartet, der uns entgegenkommt: Christus, der gekreuzigte und wiederkommende Herr. Amen.