27.07.2014 | 1. Petrus 2,2-10 | 6. Sonntag nach Trinitatis
Pfr. Dr. Gottfried Martens

Heute sollen in unserem Gottesdienst wieder 15 Schwestern und Brüder die Heilige Konfirmation empfangen. Ihre Taufe hatten sie schon vorher empfangen in anderen Ländern – in Japan, in Bulgarien, auf Zypern, in Griechenland, in Dänemark, in Schweden – und in anderen Kirchen. Aber heute wollen sie noch einmal öffentlich bekennen: Ich will auch weiter als getaufter Christ leben hier in unserer lutherischen Kirche. Und dafür empfangen unsere Konfirmanden dann auch den Heiligen Geist zur Stärkung ihres Glaubens.

„Ich will auch weiter als getaufter Christ leben“ – das gilt natürlich nicht nur für die 15 Schwestern und Brüder, die heute konfirmiert werden. Das gilt, Gott geb’s, für euch alle, die ihr heute Morgen hier in der Kirche sitzt. Doch was heißt das nun ganz konkret und praktisch, als getaufter Christ zu leben? Genau darum geht es in der Predigtlesung dieses Sonntags. Der heilige Petrus gebraucht hier alle möglichen Bilder, um den Christen, an die er schreibt, deutlich zu machen, was es heißt, als getaufter Christ zu leben. Drei dieser Bilder möchte ich jetzt herausgreifen, Bilder, die uns Mut machen zu solch einem Leben als getaufte Christen. Wir sind, so schreibt es der Apostel Petrus,

-    neu geboren
-    lebendige Steine
-    eine königliche Priesterschaft

I.
Wenn ich Berichte von Menschen aus dem Iran und Afghanistan, die hier in unserer Gemeinde getauft worden sind, höre oder lese, wie sie ihre Taufe erfahren haben, dann ist darin immer wieder davon die Rede, dass sie ihre Taufe als neue Geburt, als Beginn eines neuen Lebens erfahren haben. Ja, natürlich werden auch kleine Kinder schon in der Taufe neu geboren, hineingeboren in ein neues, unvergängliches Leben. Aber wenn jemand als Erwachsener getauft wird, dann erfährt er diesen Neubeginn seines Lebens in vielen Fällen natürlich noch einmal bewusster, als ein Säugling dies vermag. Doch das Entscheidende ist nicht, ob wir uns auch neu geboren fühlen, sondern dass wir es tatsächlich sind, kraft des Wassers der Heiligen Taufe. Und nun geht es darum, dass wir als Neugeborene Nahrung brauchen, dass wir nicht nach unserer neuen Geburt geistlich wieder verhungern. Milch brauchen Neugeborene, Milch, die sie stärken und wachsen lässt. Vernünftige, unverfälschte Milch brauchen geistlich neu Geborene, eben die Milch des Wortes Gottes.

Der Apostel Petrus geht davon aus, dass Neugeborene ganz selbstverständlich Hunger haben nach Milch, dass sie lautstark ihr Recht auf diese Milch einfordern und dann voller Wonne schmatzend diese Milch auch zu sich nehmen, wenn sie sie denn endlich bekommen. Wie sieht das mit unserem Hunger nach der Milch des Wortes Gottes aus, mit unserem Hunger nach dem Heiligen Mahl, in dem wir schmecken, wie freundlich der Herr ist? Können wir es gar nicht abwarten, immer wieder mit dieser Milch gefüttert zu werden, möchten wir am liebsten immer noch mehr davon haben, und genießen wir es wie ein schmatzender Säugling, wenn wir Gottes Wort hören oder lesen – in der Predigt, in der Bibelstunde, in der persönlichen Lektüre der Heiligen Schrift? Oder glauben wir allen Ernstes, wir könnten immer wieder ohne Probleme auch mal in einen längeren geistlichen Hungerstreik treten, ohne dass uns das ernsthaft schaden könnte? Ahnen wir wenigstens, wie das neue Leben, das uns geschenkt worden ist, in uns verkümmert, wenn es nicht genährt und gestärkt wird? Ist uns das wenigstens bewusst, dass diese Speise des Wortes Gottes durch nichts Anderes in unserem Leben ersetzt werden kann? Nicht durch Geld, nicht durch etwas Spaß, auch nicht durch einen Pass? Ihr, liebe Konfirmanden, habt es hoffentlich verstanden, wie wichtig es für euch als Neugeborene ist, euch immer wieder von der Milch des Evangeliums zu nähren. Darum versprecht ihr gleich auch, euch zu den Gottesdiensten und Sakramenten unserer lutherischen Kirche zu halten, wo euch diese Milch tatsächlich lauter, unverfälscht gereicht wird. Lasst euch den Hunger nach dieser Milch von nichts und niemandem in eurem Leben jemals betäuben!

II.
Aber nun ist die Kirche nicht einfach bloß eine Milchbar, in der sich jeder nach seinen Bedürfnissen bedienen kann. Sie ist auch ein Bauwerk der besonderen Art, so zeigt es uns St. Petrus hier zweitens. Sie ist ein Gebäude, erbaut nicht aus Beton oder Sandstein, sondern aus lebendigen Steinen, aus Menschen.

Als unser Bischof am letzten Sonntag bei uns zu Besuch war, da sagte er nach dem Mittagessen in seiner Ansprache: Ich habe gemerkt: Diese Kirche ist bereits saniert. Natürlich waren ihm die Wasserflecken an unserer Kirchendecke und der jämmerliche Zustand unserer Sanitäranlagen nicht verborgen geblieben. Aber er sagte trotzdem: Diese Kirche ist bereits saniert. Denn das Entscheidende war und ist geschehen: Hier sind Menschen, lebendige Steine, aus denen Gott selber hier ein geistliches Haus gebaut hat, in dem immer wieder neu auch andere Menschen ihr geistliches Zuhause finden.

Geistlicher Stein – das bist auch du. Noch einmal: Die Kirche ist kein Selbstbedienungsladen für besondere Anlässe. Sondern in der Kirche wird ein jeder gebraucht, der durch die Taufe zu einem lebendigen Stein geworden ist. Jeder hat seinen besonderen Platz in diesem Bauwerk mit der ganz eigenen Form, den ganz eigenen Gaben, die Gott einem jeden von uns gegeben hat. Es gibt beim Bau der Kirche keine überflüssigen Steine, die man beiseite packen könnte. Im Gegenteil: Wo sich ein lebendiger Stein seiner Einfügung in das Gebäude entzieht, da bleibt eine Lücke, die nicht einfach jemand anders füllen kann. Ja, das gilt ganz konkret auch für unser Missionsprojekt hier in Steglitz. Immer mehr Menschen kommen hier in unsere Kirche, gewiss. Aber das heißt nicht, dass eigentlich manche von ihnen überflüssig wären, dass wir auswählen könnten, wen wir hier brauchen und wen nicht, dass wir vielleicht gar auf die Idee kommen könnten, jetzt seien es aber endgültig genug Steine für den Bau des geistlichen Hauses, der hier bei uns im Gange ist. Alle miteinander werdet ihr gebraucht – ihr, die ihr heute konfirmiert werdet, und ihr, die ihr hier in der Kirchenbank sitzt. Alle miteinander werdet ihr gebraucht – ganz gleich, ob ihr in Deutschland, in Kasachstan, im Iran oder in Afghanistan geboren seid, ob ihr 18 oder 80 seid. Denn ihr tragt alle miteinander das neue Leben in euch, das Christus euch in der Taufe geschenkt hat.

Und er, Christus, bleibt der Eckstein, der, an dem sich unser ganzer Bau immer wieder auszurichten hat. Wir sind eben nicht bloß ein Verein von netten Menschen; wir sind geistlicher Bau, orientiert an Christus, der Grundlage und Schlussstein des ganzen Gebäudes ist. Das macht dieses Gebäude der Kirche, der Gemeinde so einzigartig, ja auch so unzerstörbar, weil Christus ihm Halt und Festigkeit gibt, weil er versprochen hat, dass auch die Pforten der Hölle seine Kirche nicht zu überwältigen vermögen, auch nicht die Pforten der Hölle, die sich nun gerade in vielen Ländern des Nahen und Mittleren Ostens öffnen und darauf aus sind, die Kirche Christi endgültig zu vernichten. Es wird ihnen nicht gelingen.

III.
Und dann seid ihr auch noch eine königliche Priesterschaft, so zeigt es uns der Apostel Petrus hier.
Immer wieder werde ich von euch darum gebeten, für euch und für besondere Belange zu beten. Das mache ich natürlich gerne. Aber ein Missverständnis möchte ich dabei auf jeden Fall vermeiden: nämlich das Missverständnis, als käme ich als Pastor vielleicht doch ein bisschen besser an den lieben Gott heran als ein normales Gemeindeglied. Das stimmt hundertprozentig nicht. Ihr seid das auserwählte Geschlecht, die königliche Priesterschaft. Ihr alle habt durch die Taufe einen direkten Zugang zu Gott, dürft gewiss sein, dass eure Gebete für euch selber und für andere ohne Umwege bei Gott landen. Und damit habt ihr zugleich natürlich auch eine Aufgabe: Wenn ihr einen so direkten Draht zu dem Herrn der Welt habt, dann sollt ihr den natürlich auch nutzen, nicht nur für euch selber, sondern auch für andere. Darum beten wir im Allgemeinen Kirchengebet für so viele Menschen, weil wir als Priester diese Aufgabe haben, darum ist es gut und wichtig, dass wir auch in der Gemeinde füreinander beten.

Ja, Priester seid ihr alle miteinander. Und damit habt ihr zugleich noch eine weitere wunderbare Aufgabe: die Wohltaten dessen zu verkündigen, der uns berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht. Priester erzählen von Gott, verkündigen, was er alles für uns und an uns Gutes tut. Und diesen priesterlichen Dienst nehmt ihr ja so erfreulich hier in der Gemeinde wahr, verkündigt diese Wohltaten so kräftig, dass das priesterliche Volk hier in Steglitz immer mehr anwächst. Ja, wie gut, dass wir so viele Priester hier bei uns haben, die ihren priesterlichen Auftrag so ernst nehmen. Und Gott geb’s, dass gerade auch unsere heutigen Konfirmanden nun auch weiter ihren Priesterdienst versehen, auch weiter anderen von dem erzählen, wozu sie sich heute hier bekennen!

Ganz unten mögen sich viele von euch hier in unserer Gesellschaft fühlen. Doch in Wirklichkeit seid ihr alle miteinander Könige und Königinnen, gesalbt von Gott selber in der Taufe, Menschen, vor denen man nur den allerhöchsten Respekt haben kann. Und ihr wisst ja: Adel verpflichtet – Eure königlichen Hoheiten! Amen.