26.01.2014 | Apostelgeschichte 10,21-35 | Dritter Sonntag nach Epiphanias
Pfr. Dr. Gottfried Martens

Es gibt Leute, die passen einfach nicht zueinander, die passen auch nicht in eine christliche Gemeinde. Davon war jedenfalls der Apostel Petrus damals fest überzeugt. Gewiss, die Auferstehung Jesu lag nun schon längst hinter ihm, und eigentlich hatte er sie ja auch im Ohr, die Worte seines Herrn: „Gehet hin in alle Welt und macht zu Jüngern alle Völker.“ Aber praktisch konnte er sich doch nicht vorstellen, wie das gehen sollte. Was er von Kindheit an gelernt hatte, das steckte ihm einfach ganz tief in den Knochen: Menschen, die keine Juden sind, sind unrein, mit denen darf man nicht zusammen essen, die kann man natürlich erst recht nicht in die christliche Gemeinde aufnehmen und mit ihnen zusammen das Heilige Abendmahl feiern! Nein, das war nicht bloß eine Überzeugung, die der Petrus irgendwo im Kopf hatte; die steckte bei ihm viel tiefer: Schon allein bei dem Gedanken, das Haus eines Nichtjuden zu betreten, ja dann auch noch mit ihm zu essen, wurde ihm innerlich schlecht, ekelte es ihn in etwa so, wie es uns ekeln würde, wenn wir die Menüs vorgesetzt bekämen, die die Kandidaten des Dschungelcamps im Augenblick wieder herunterwürgen müssen.

Doch dann bekommt er eines Tages Besuch: Drei Abgesandte des römischen Hauptmanns Kornelius kommen zu Petrus und bitten ihn, mitzukommen zu ihrem Chef. Denn der habe von einem Engel den Befehl erhalten, ihn, Petrus, zu sich zu rufen, damit er sich von ihm anhöre, was Petrus zu sagen habe. Kornelius – ein Römer, ein Nichtjude. Eigentlich war es für Petrus klar, dass ihn keine zehn Pferde in dieses unreine Haus ziehen könnten. Aber nun hatte Gott den Petrus auch auf diese Begegnung vorbereitet, hatte ihn in einer Erscheinung dazu aufgefordert, Speisen zu sich zu nehmen, die er doch nach dem jüdischen Gesetz keinesfalls essen durfte. Und als Petrus sich standhaft weigerte, dieser Aufforderung zu folgen, da hatte Gott selber ihm erklärt: Was Gott rein gemacht hat, das nenne du nicht unrein und verboten. Gott selber hatte Petrus also darauf vorbereitet, Grenzen zu überschreiten, die doch eigentlich völlig unüberwindlich für ihn erschienen. Und nun stehen sie da, die Abgesandten des unreinen Heiden Kornelius und fordern ihn auf, mit ihm zu kommen. Und Petrus macht, was er früher niemals gemacht hätte, was er für völlig unmöglich gehalten hätte: Er ruft diese heidnischen Abgesandten des Kornelius in das Haus hinein und beherbergt sie. Die Grenzüberschreitung beginnt.

Und dann zieht er am nächsten Tag mit diesen Abgesandten los, nimmt noch einige Gemeindeglieder aus Joppe mit, wo er sich gerade aufhält, und erreicht schließlich die Stadt Cäsarea, wo Kornelius wohnt. Und Petrus geht allen Ernstes in das Haus dieses unreinen Heiden hinein und stellt fest: Dort sitzt schon eine ganze Reihe von Leuten und wartet auf ihn, Verwandte und Freunde des Kornelius, die dieser zusammengetrommelt hatte. Petrus wird nicht nur freundlich begrüßt, sondern Kornelius fällt vor ihm auf die Füße, sodass Petrus sich schon kräftig wehren muss, damit Kornelius nicht ihm eine Ehre erweist, die doch nur Christus allein, nicht aber seinen Boten zukommt.

Und dann erklärt Petrus den Anwesenden ganz offen, was für eine Überwindung es ihn gekostet hat, in dieses Haus des Kornelius zu gehen, wie er doch fest davon überzeugt war, dass das gar nicht geht, bis Gott ihm selbst die Augen dafür geöffnet hat, dass er keinen Menschen meiden und unrein nennen solle. Er fragt die Anwesenden, warum sie ihn denn nun geholt hätten, und Kornelius selber berichtet ihm von der Erscheinung des Engels, der ihn dazu beauftragt hatte, ihn, Petrus, rufen zu lassen. Und da wird dem Petrus nun endgültig klar: Gott unterscheidet nicht zwischen reinen und unreinen Menschen. Gott ist nicht der Meinung, dass Menschen unterschiedlicher Herkunft nicht zusammenpassen, in ein und derselben Gemeinde nichts verloren haben, sondern möglichst getrennt gehalten werden sollten. Allen Menschen gilt, was Jesus Christus am Kreuz erlitten hat; alle Menschen sind eingeladen, die Taufe zur Vergebung der Sünden zu empfangen. Und so endet die Geschichte einige Verse später nach unserer Predigtlesung mit der Taufe des Kornelius und all derer, die dort in seinem Haus versammelt sind: Gott fügt Menschen in den Leib seines Sohnes Jesus Christus ein, die dort scheinbar doch gar keinen Platz hatten.

Schwestern und Brüder: Als ich diese Geschichte bei der Vorbereitung der Predigt gelesen habe, da habe ich mal wieder tief durchatmen müssen. Es ist unglaublich, wie aktuell die Geschichten der Bibel doch auch heute für uns sind.

Die Frage danach, was rein oder unrein ist, was haram ist und was nicht, ist eine Frage, mit der so viele von euch, die aus dem Iran oder Afghanistan kommen, ganz vertraut sind. Ich habe von euch Geschichten gehört, wie fromme Muslime nicht dazu bereit sind, mit Christen zusammen zu essen, weil das Essen mit Ungläubigen sie unrein machen würde. Und umgekehrt ist es für so manchen von euch auch ein ganz schön großer Schritt gewesen, bis ihr dahin gekommen seid, als Christen nun nicht mehr daran denken zu müssen, ob ein Essen haram ist oder nicht, ist es für so manchen von euch auch ein ganz schön großer Schritt gewesen, Dinge zu essen, die früher in eurer Heimat für euch streng verboten waren. Alkohol zu trinken war ja für viele von euch kein Problem – aber beim Schweinefleisch hat sich mancher vielleicht am Anfang auch noch ein wenig schwergetan.

Aber die Erzählung aus der Apostelgeschichte ist für uns alle miteinander noch aus einem anderen Grunde ganz hochaktuell: Sie thematisiert ja genau die Frage, vor der wir in unserer Gemeinde auch gestanden haben und stehen: Haben Menschen, die uns erst einmal ganz fern zu stehen schienen, in unserer Mitte, in unserer Gemeinde einen Platz? Das ist eine Frage, die sehr ernst ist, die auch zu Konflikten führen kann. Der Petrus hat jedenfalls für seine Entscheidung, Römer zu taufen und in die Gemeinde aufzunehmen, später ganz schön Ärger bekommen. Doch er blieb dabei: Wenn Gott selber mich diesen Weg führt, dann kann ich mich diesem Weg nicht verweigern.

Ich hätte das auch nicht für möglich gehalten, dass ich einmal Menschen taufen werde, die früher Muslime waren. Ich erinnere mich noch daran, wie wir in den 90er Jahren Pastor Fritz-Adolf Häfner bei uns zu Gast hatten, einen früheren Missionar aus Botswana, der uns davon erzählte, was für wunderbare Chancen zur Mission unter Muslimen wir hier in Deutschland hätten. Ich merkte, wie viele in unserer Gemeinde damals vor Schreck beinahe vom Stuhl gefallen wären, und auch ich selber dachte: Der hat ja keine Ahnung, sowas würde bei uns nie klappen, erst recht nicht in einer Gemeinde mit vielen Deutschen aus dem Gebiet der früheren Sowjetunion. Nein, sowas würde bei uns nie klappen, da gäbe es zu viele, die meinen, ein Muslim könne doch niemals ein richtiger Christ werden.

Aber nun ist eben doch passiert, was ich früher für unmöglich gehalten habe: Ich gehe los in Asylbewerberheime, in Häuser, die auch von so vielen Deutschen gemieden werden, weil sie vor den Bewohnern Angst haben, weil sie allen Ernstes glauben, die Leute, die darin wohnen, müssten ganz schreckliche Menschen sein, die man am besten so schnell wie möglich wieder aus Deutschland rausschmeißen sollte. Ja, wie oft habe ich es schon erlebt, dass ich von jemandem ins Asylbewerberheim eingeladen war, und als ich kam, saß da nicht bloß einer, saß da gleich eine ganze Reihe von Leuten, die auf mich warteten und die mich oft auch nicht viel anders begrüßten als der Kornelius den Petrus damals, dass ich auch erst einmal klarstellen musste: Ich bin wirklich nur ein ganz normaler Mensch, mehr nicht. Und dann erlebe ich es immer wieder, wie der Heilige Geist die Herzen von Menschen öffnet, wie er Menschen erreicht, die nach unseren Vorurteilen doch eigentlich niemals Christen werden könnten. Und so haben wir es nun auch heute wieder hier in diesem Gottesdienst erlebt, wie sieben Menschen durch die Heilige Taufe zum ewigen Leben wiedergeboren worden sind und damit Schwestern und Brüder für uns geworden sind, eingefügt worden sind in diese Gemeinde.

Nicht wir haben dieses Wunder vollbracht, das war Gott, der damals seine Gemeinde für Nichtjuden geöffnet hat und der heute auch unsere Gemeinde öffnet für Menschen, die scheinbar gar nicht zu uns passen und in Wirklichkeit eben doch genau hineinpassen bei uns, weil Gott keine Unterschiede zwischen Menschen macht, weil Christus unterschiedslos für alle Menschen gestorben ist, weil Gottes Liebe allen Menschen ohne Unterschied gilt. Gott führt uns, Gott entscheidet, wie es mit seiner Gemeinde, wie es mit seiner Kirche weitergeht. Wie gut, dass Petrus sich dieser Führung Gottes damals nicht verweigert hat! Lassen auch wir uns durch ihn heute dazu ermutigen, unsere Türen ganz weit zu öffnen! Gott will es so. Amen.