08.04.2012 | 1. Samuel 2,1-2.6-8a | Heiliges Osterfest

Heute sage ich euch in der Predigt mal voraus, was in der Zukunft so alles passieren wird:
Ich sage euch zunächst einmal voraus, dass morgen, am Ostermontag, aller Voraussicht nach um 6.21 Uhr die Sonne aufgehen wird. Das findet ihr nicht sensationell, das überzeugt euch noch nicht davon, dass ich prophetische Fähigkeiten habe? Dann sage ich euch außerdem voraus, dass in einigen Wochen hier in Berlin sich an den Bäumen viele grüne Blätter befinden werden. Auch diese Vorhersage ist keine besondere Kunst, mögt ihr einwenden. Das passiert nun einmal jedes Jahr im Frühling, also wird es auch in diesem Jahr wieder geschehen. Nun gut, dann sage ich euch voraus, dass euer Leben hier auf Erden irgendwann einmal zu Ende gehen wird, dass ihr irgendwann in der näheren oder ferneren Zukunft einmal sterben werdet. Nun ja, das ist keine besonders schöne Vorhersage, die ich euch da mache; aber völlig überraschend trifft sie euch nicht. Das weiß man eigentlich, auch wenn man nicht gerne daran denkt. Und es gibt ja sogar Unternehmen, die euren Tod ganz fest in ihre Zukunftsplanungen mit einbezogen haben, denn das wäre ja beispielsweise für jeden Rentenversicherungsträger der absolute Horror, wenn ihr nicht mehr sterben würdet; der hat euren Tod von vornherein in seine Berechnungen mit einkalkuliert.

Ja, genau so versuchen wir Planungssicherheit für unsere Zukunft zu gewinnen: Wir schauen auf das, was gewesen ist, und gehen davon aus, dass das auch immer so weitergeht, dass sich an den wesentlichen Faktoren, die unser Leben in der Vergangenheit bestimmt haben, auch in der Zukunft nichts ändern wird. Die wenigsten von uns werden überrascht sein, wenn sie morgen früh mitbekommen, dass es hell wird, oder wenn sie in den kommenden Wochen Blätter an den Bäumen sehen. So ist das Leben – und so geht das Leben schließlich auch zu Ende: Es war es ja immer so, dass Menschen geboren werden und Menschen sterben; das ist nun mal der Rhythmus der Natur!

Wenn wir heute Ostern feiern, dann feiern wir jedoch gerade nicht das Frühlingserwachen, das ewige Stirb und Werde oder die Neugeburt der Natur nach der Kälte des Winters. Wir feiern nicht etwas, was es schon immer gab, keine allgemeine Wahrheit, auf die man mit etwas Nachdenken auch selber hätte kommen können, auch nicht die allgemeine Wahrheit, dass es nach dem Tod für uns Menschen ja doch wohl irgendwie weitergehen muss. Sondern wir feiern ein absolut einmaliges, nicht vorhersagbares, nicht ableitbares Ereignis, das es vorher so nicht gegeben hatte und bis zum heutigen Tag hier auf Erden nicht noch einmal gegeben hat und das sich eben darum übrigens auch von vornherein einer naturwissenschaftlichen Überprüfung entzieht.

Nun brauchen uns ungewöhnliche, ja einmalige Ereignisse, die irgendwo in der Welt geschehen sind, nicht unbedingt zu interessieren. Wenn irgendwo in China ein Sack Reis zwanzig Meter durch die Gegend hüpfen würde, wäre dies sicherlich auch ein sehr ungewöhnliches Ereignis; aber das wäre für uns nicht unbedingt ein Grund zum Feiern. Doch dieses einmalige Ereignis, das wir heute am Ostermorgen feiern, das hat in der Tat mit unserem Leben zu tun, so sehr, dass es zu einem entscheidenden Faktor wird, wenn es darum geht, zu bestimmen, was eigentlich in unserer Zukunft geschehen wird. Ja, um diesen Osterfaktor, der unsere Zukunft bestimmt, der uns noch einmal ganz andere, tragfähige Voraussagen für unsere Zukunft machen lässt, soll es heute in dieser Predigt gehen – denn um ihn geht es auch in der alttestamentlichen Lesung dieses heutigen Festtags.

Die Frau, deren Lied wir eben gehört haben, hatte von der Auferstehung Jesu Christi noch keine Ahnung. Sie freute sich damals über ein anderes Wunder des Lebens, darüber, dass sie, die unfruchtbare Frau, doch noch ein Kind zur Welt gebracht hatte. Doch sie freut sich nicht einfach darüber, dass sie Glück gehabt hat, dass es ihr nun gut geht, sondern sie weiß genau, wem sie dieses unfassliche Wunder des Lebens zu verdanken hat: ihm, ihrem Gott. Der vermag zu tun, was Menschen unmöglich zu sein scheint, ja, der durchbricht Grenzen und Mauern, die wir Menschen in der Tat nicht überwinden können, kann machen, wozu wir Menschen ganz grundsätzlich nicht in der Lage sind und auch niemals in der Lage sein werden. Diesen Gott bejubelt Hanna, der tötet und lebendig macht, der hinab zu den Toten führt und wieder herauf. Nun ja, das mit dem Töten bekommen wir Menschen leider auch immer wieder ganz gut hin, so können wir es Tag für Tag mit Entsetzen im Fernsehen miterleben. Aber das mit dem Lebendigmachen, das bleibt allein Gottes Spezialität, das schafft keiner von uns.

Und genau um diesen Gott, den Hanna da besingt, geht es nun auch zu Ostern, geht es bei dem Wunder aller Wunder, geht es bei der Auferstehung Jesu Christi. Das war kein natürlicher Prozess, der sich jedes Jahr im Frühling vollzieht, sondern die Auferstehung Jesu Christi fand statt, weil der Gott, der dazu in der Lage ist zu töten und lebendig zu machen, genau das in unserer Welt, in unserer Geschichte gemacht hat, nicht um seinen Sohn gleichsam im letzten Moment von einer gescheiterten Mission in dieser Welt rauszuholen und zu retten, sondern um damit nicht weniger als die Zukunft der ganzen Menschheit, der ganzen Welt zu verändern.

„Der Herr tötet und macht lebendig, führt hinab zu den Toten und wieder herauf.“ – Genau das ist der Osterfaktor, der unsere Zukunft noch einmal ganz neu bestimmt. Denn wenn ich diesen Osterfaktor einbeziehe in meine Vorhersagen, was in der Zukunft geschehen wird, dann kann ich dir jetzt etwas vorhersagen, das genauso sicher eintreffen wird wie früher oder später dein Tod: Ich kann dir vorhersagen, dass auch du einmal wie Christus auferstehen wirst, weil der Herr, der Christus zu den Toten hinab- und wieder heraufgeführt hat, auch dich einmal auferwecken wird, genau, wie er Christus von den Toten auferweckt hat. Nein, auch das ist keine Horrornachricht für Rentenversicherungsträger. Wenn du einmal von Gott lebendig gemacht werden wirst, dann wirst du keine Rente mehr brauchen und erst recht keine Pflegestufe beantragen müssen, dann wirst du leben ohne Ende, ohne Krankheit, ohne Angst vor Mächten, die dich bedrohen, ohne Schmerzen, ohne Abschied, ohne Tod.

Damit kannst du rechnen, nicht bloß zu 80%, nicht bloß höchstwahrscheinlich, sondern sogar noch gewisser als damit, eines Tages einmal sterben zu müssen. Denn dass der Osterfaktor auch für die Berechnung deiner Zukunft gilt, das steht fest seit dem Tag, an dem Gott dich eben dies schon in deinem Leben hat erfahren lassen, dass er tötet und lebendig macht, das steht fest seit dem Tag, an dem du mit Christus gestorben und auferstanden bist in deiner Taufe. Seitdem kannst du dein Leben noch einmal ganz anders planen, ganz anders als Menschen, die von diesem Osterfaktor in ihrem Leben nichts wissen.

Jawohl, dieser Osterfaktor, der wirkt sich jetzt schon aus bei dir: Wenn du weißt, dass deine Lebensperspektive viel weiter reicht als bloß die siebzig oder neunzig Jahre hier auf Erden, wenn’s denn hochkommt, dann brauchst du keine Angst mehr zu haben, du würdest hier im Leben etwas verpassen, würdest nicht genügend mitbekommen. Gott hat deine Karriere schon fest geplant, deine Karriere, die dich einmal in allerhöchste Positionen befördern wird, bis direkt vor Gottes Thron. Was du hier auf Erden verdient, was du hier auf Erden für Titel erworben hast, das wird einmal bei deinem letzten großen Karrieresprung überhaupt keine Rolle mehr spielen; der Osterfaktor allein wird’s möglich machen, ja, er, Gott wird’s möglich machen, der ein besonderes Faible dafür hat, gerade die Kleinen, die Armen, die im Leben scheinbar Gescheiterten ganz groß rauszubringen, während diejenigen, die hier auf Erden viel hatten, viel Besitz, viel Einfluss, viel Macht, einmal werden lernen müssen, dies alles loszulassen, weil man die ganz große Karriere bei Gott eben nur mit ganz leeren Händen antreten kann.

Der Osterfaktor wirkt sich aus bei dir, jawohl, jetzt schon. Sonst würdest du heute Morgen nicht hier in der Kirche sitzen, wenn du nicht wüsstest: Hier bricht die Zukunft schon an, hier begegne ich heute schon dem auferstandenen Herrn, den ich einmal mit eigenen Augen schauen werde, hier wird sein unzerstörbares Leben auch schon mein Leben, wenn ich seinen Leib und sein Blut im Heiligen Mahl empfange. Ja, der Osterfaktor wirkt sich aus bei dir – bis hin in deinen Terminkalender, dass andere Termine mit einem Mal gar nicht mehr so wichtig erscheinen, wenn du doch schon mit dabei sein kannst, wenn die Zukunft Gegenwart wird, wenn der Himmel auf die Erde kommt im Sakrament des Altars.

Und der Osterfaktor wirkt sich aus, wann immer du von einem geliebten Menschen Abschied nehmen musst. Da brauchen wir bei einer Beerdigung eben nicht bloß Rückschau zu halten, brauchen nicht bloß wehmütig an das zurückzudenken, was einmal war. Nein, der Herr tötet und macht lebendig, führt hinab zu den Toten und wieder herauf, jawohl, auch diesen Menschen, der da nun im Sarg vor uns liegt. Von seiner Zukunft dürfen wir sprechen und singen, dürfen nach vorne schauen und nicht bloß nach hinten, wenn wir an ihn denken, dürfen uns freuen auf das gemeinsame Leben mit ihm, das uns noch bevorsteht.

Ja, der Osterfaktor wirkt sich aus, wie er sich auch damals schon bei Hanna ausgewirkt hat. Die hat gesungen und gejubelt, hat gestaunt über das neue Selbstwertgefühl, das ihr Gott mit seinem Eingreifen vermittelt hat. Ja, auch du hast allen Grund, ein gesundes Selbstbewusstsein zu haben, hast allen Grund, dich zu freuen, nicht bloß heute an diesem Ostermorgen, sondern jeden Tag von neuem: In dein Leben hat Gott eingegriffen, ganz persönlich, hat dich bei deinem Namen gerufen, hat es bei dir Ostern werden lassen, als er dich in der Taufe vom ewigen Tod gerettet hat.

Gewiss, das eine kann ich dir für dein Leben auch schon voraussagen: Ohne Sterben, ohne Tod wirst du vermutlich nicht in das neue Leben gelangen, das seit deiner Taufe dir schon gilt. Vermutlich sage ich, denn zu dem Osterfaktor gehört eben auch, dass dieser auferstandene Christus der Geschichte dieser Welt irgendwann einmal ein Ende setzen wird, sichtbar wiederkommen wird, genauso wenig berechenbar, genauso einmalig, wie damals seine Auferstehung erfolgt ist. Doch solange seine Wiederkunft noch ausbleibt, ist der Weg ins Leben genau derselbe wie der, den Christus selber gegangen ist: durch Leiden und Tod hindurch ins Leben der Auferstehung. Ja, Gott kann unsere menschlichen Zukunftsplanungen manchmal ganz schön durcheinanderwirbeln. Auch davon singt Hanna in ihrem Lied.

Doch Gott geht es nicht um das Wirbeln als solches. Durch was für Höhen und Tiefen er uns in unserem Leben auch führt: Das Ziel steht fest, und dieses Ziel heißt nicht Tod, sondern Leben, heißt nicht Asche, sondern Neuschöpfung, heißt nicht Trauer, sondern höchstes Glück. So wird er sich auswirken, der Osterfaktor, auch in deinem Leben.

Dass morgen wieder die Sonne aufgehen wird, steht nur höchstwahrscheinlich fest. Aber dass du auferstehen wirst, dass du für immer mit Christus leben wirst, das steht felsenfest. Der Osterfaktor garantiert es. Denn der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden! Halleluja! Amen.