09.04.2012 | 1. Korinther 15,50-58 | Ostermontag

Nachher geht’s los. Wir fahren mit unseren Konfirmanden und den Mitarbeitern, insgesamt mit 40 Leuten, zu unserer Konfirmandenfreizeit nach Heldrungen. Das ist schon ein ganz schönes Unternehmen, das da nun wieder vor uns liegt, und das gleich nach der Osternacht mit den acht Taufen und manch anderem, was so in letzter Zeit in unserer Gemeinde stattgefunden hat. Und da kommen dann natürlich auch Fragen, bei mir und bei euch gleichermaßen, hoch: Lohnt sich dieser ganze Einsatz denn eigentlich; bringt der denn was? Wäre es nicht für uns viel schöner, wenn wir einfach mal Ruhe in die Gemeinde hineinbekämen, unter uns blieben, gemeinsam mit denen, die schon über viele Jahre gezeigt haben, dass ihnen an der Gemeinde liegt? Ja, lohnt sich dieser ganze Einsatz an Zeit und Geld und Kraft eigentlich? Ist die Gefahr nicht allzu groß, dass diejenigen, die von unserem Einsatz profitieren, am Ende doch nur absahnen, die Vorteile hier in der Gemeinde nutzen und danach dann wieder wegbleiben? Ist die ganze Arbeit, ist der ganze Aufwand, den wir hier betreiben, letztlich nicht doch vergeblich?

Solche Fragen stellte man sich damals offenkundig auch schon in der Gemeinde in Korinth, so entnehmen wir es den Versen unserer heutigen Predigtlesung. Ja, Paulus hält es ausdrücklich für nötig, eben dies den Korinthern noch einmal zu versichern: Eure Arbeit ist nicht vergeblich in dem Herrn; steckt nicht auf, sondern nehmt immer mehr zu in dem Werk des Herrn, begnügt euch nicht damit, den Status quo irgendwie zu sichern. Und wie Paulus das gegenüber den Korinthern begründet, das ist auch für uns heute ganz aktuell, und eben dies wollen wir uns nun noch einmal genauer anschauen:
Normalerweise sind Geheimnisse ja eben darum Geheimnisse, weil sie nicht weitererzählt werden sollen und auch nicht weitererzählt werden. Ein Geheimnis, das jeder kennt, ist eigentlich kein Geheimnis mehr, möchte man meinen.

Wenn der Apostel Paulus jedoch von einem Geheimnis spricht, dann meint er in gewisser Weise genau das Gegenteil: Die Geheimnisse, von denen er in seinen Briefen spricht, die sind ausdrücklich dazu da, dass sie weitererzählt werden, dass die, die diese Geheimnisse schon kennen, sie eben gerade nicht für sich behalten. Geheimnisse sind sie nicht deshalb, weil nur eine kleine auserwählte Schar sie kennt, sondern weil sie ihren Ursprung in Gott haben, weil der uns zu erkennen gibt, worauf wir von uns aus niemals gekommen wären und was eigentlich völlig außerhalb unseres Horizonts liegt.

Ein solches Geheimnis ist eben auch die Auferstehung der Toten am Ende der Zeiten. Darauf würden wir von uns aus niemals kommen, dass sich so etwas einmal ereignen wird, etwas, wovon wir selber ganz direkt betroffen sein werden, auch wenn wir uns das jetzt noch überhaupt nicht vorstellen können. Unser menschlicher Lebenshorizont reicht ja zunächst einmal nur sehr viel kürzer: Selbst das Ende unseres irdischen Lebens klammern wir oft genug gerne aus, leben am liebsten nur im Jetzt, machen uns nur darüber Gedanken, was wir jetzt brauchen, was jetzt Spaß macht, was jetzt gerade dran ist.

So ganz stimmt das aber natürlich auch nicht. Wir ahnen zugleich sehr wohl etwas von der Endlichkeit unseres Lebens, ahnen etwas davon, dass es nicht immer so weitergehen wird in unserem Leben wie jetzt, sind von daher getrieben von der Angst, etwas zu verpassen. Möglichst viel mitnehmen wollen wir in der Zeit, die uns bleibt, und wenn wir an das Ende denken, dann hoffen wir, uns auf irgendeine Weise doch Unsterblichkeit sichern zu können, Unsterblichkeit dadurch, dass auch nach unserem Tod Menschen immer noch an uns denken und uns nicht vergessen.

Doch den Horizont unseres jetzigen, irdischen Lebens überschreiten wir mit all unseren Gedanken, die wir uns über das Ende unseres Lebens machen mögen, nicht – wie sollten wir auch? Wir können von uns aus nicht weiterblicken, können höchstens mit Interesse die Schilderungen von Menschen lesen, die schon einmal klinisch tot gewesen waren und in dieser Zeit erstaunliche Erfahrungen gemacht haben, Erfahrungen, die dem Glauben, mit dem Tod sei alles aus, ganz und gar widersprechen. Doch selbst solche Nahtoderfahrungen, Erfahrungen von einem langen Tunnel mit einem hellen Licht an dessen Ende, bleiben auch immer noch innerhalb des begrenzten Horizonts unseres menschlichen Vorstellungsvermögens.

Paulus hingegen erzählt uns hier ein Geheimnis. Und dieses Geheimnis besagt, dass mit dem Tod nicht alles aus ist, dass es aber nach dem Tod auch nicht bloß irgendwie weitergeht, dass wir nach unserem Tod nicht bloß irgendwie geistig weiterleben und als Seelchen oder Engelchen durch die Gegend flattern. Sondern Paulus spricht hier davon, dass wir in der Tat einmal leibhaftig auferstehen werden, wenn wir gestorben sind, und dass wir verwandelt werden, wenn Christus zu unseren Lebzeiten noch wiederkommen sollte.

Auferstehung, Verwandlung – nein, da können wir nicht auf Erfahrungswerte aus der Vergangenheit zurückgreifen, um uns vorstellen zu können, was das einmal bedeuten wird. Sobald wir es doch versuchen, uns das irgendwie vorzustellen oder zu erklären, sieht das Ergebnis jedes Mal ziemlich kitschig oder lächerlich aus. Paulus spricht es hier sehr deutlich aus: Fleisch und Blut können das Reich Gottes nicht ererben – das heißt: Was da auf uns zukommt, ist etwas absolut Neues, etwas, was man nicht aus der Vergangenheit ableiten kann. Sehr behutsam formuliert Paulus darum, was man über dieses ganz Neue sagen kann: Man kann sagen, dass wir einmal leibhaft auferstehen werden, dass wir wieder einen Leib, einen Körper haben werden, dass wir damit wieder wir selber sein werden. Aber darüber hinaus kann man nur sagen, dass dieser Auferstehungsleib, in dem wir einmal leben werden, entgrenzt sein wird, dass er nicht im Laufe der Zeit abbauen, einem erneuten Sterben entgegengehen wird, sondern dass er unsterblich, unverweslich, eben verwandelt  sein wird. Auf einen einzigen Erfahrungswert können wir allerdings doch zurückgreifen: Eben auf die Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus, die wir nun in diesen Tagen in besonderer Weise feiern. Da haben es die Jünger selber erfahren: Christus ist nicht bloß irgendwie geistig auferstanden, er lebt erst recht nicht bloß in der Erinnerung der Jünger oder in seinen Worten weiter. Sondern das Grab war leer, er selber konnte von seinen Jüngern angerührt, angefasst werden, war dazu in der Lage, wieder Speise zu sich zu nehmen – und war doch zugleich offenbar nicht mehr an Zeit und Raum gebunden. Darin, in der Auferstehung Jesu, gründet also das Geheimnis, das Paulus den Christen in Korinth und damit auch uns mitteilt.

Und dieses Geheimnis, das ist so wunderbar, so beglückend, so Mut machend, dass wir es in der Tat nicht verschweigen, sondern weitererzählen sollen, wo wir es nur können. Weil Christus uns dieses Geheimnis anvertraut hat, sollen und dürfen wir es Menschen aus allen Völkern weitererzählen, sollen und dürfen wir nichts unversucht lassen, um Menschen mit dieser großartigen Botschaft zu erreichen:
Wenn ihr euch damit begnügt, euch ein paar zusätzliche virtuelle Leben im Internet, bei Computerspielen zu besorgen, dann wisst ihr ja gar nicht, was ihr verpasst, was in Wirklichkeit doch vor euch liegt. Wenn ihr denkt, ihr könntet euch dadurch unsterblich machen, dass ihr eine Familie gründet, einen Freundeskreis habt, vielleicht sogar ein Haus baut, dann blickt ihr viel zu kurz. Wenn ihr glaubt, ihr hättet für Christus keine Zeit, weil es doch so viel Wichtigeres für euch im Leben zu tun gibt, als seiner Einladung zu folgen, dann merkt ihr gar nicht, wie ihr euch damit selber eure Zukunft abschneidet.

Nein, das mit der Verwandlung, mit der Auferstehung ist eben kein natürlicher Prozess, der am Ende einem jeden Menschen irgendwie bevorsteht. Natürlich und normal ist in der Tat, dass das Leben eines Menschen mit dem Tod zu Ende geht. Das ist so, weil wir Menschen die Folgen zu tragen haben, die wir uns mit unserer Abwendung von Gott eingebrockt haben. Auferstehung, Verwandlung – sie sind untrennbar verbunden mit Christus allein, damit, dass wir in ihm leben und er in uns, dass wir Anteil erhalten an seinem Auferstehungsleben.

Genau darum ging es in den vergangenen Wochen immer wieder im Taufunterricht, wie wichtig es ist, mit Christus verbunden zu sein durch die Taufe, durch sein Heiliges Mahl. Und genau darum wird es jetzt auch in dieser Woche bei der Konfirmandenfreizeit gehen, dass sich dies, Gott geb’s, ganz tief unseren Konfirmanden einprägt, was es bedeutet, Christi Leib und Blut im Heiligen Mahl empfangen zu dürfen, das Heilmittel der Unsterblichkeit und Unverweslichkeit. Darum wird es gehen, dass unsere Konfirmanden noch einmal neu erfahren, wie wichtig es für sie ist, durch das Heilige Mahl an Christus dranzubleiben, ja, durch die Teilnahme am Heiligen Mahl ihr Leben bestimmen zu lassen.

Denn keiner von uns weiß, wie lange es noch dauern wird, bis die letzte Posaune erschallen wird, bis Christus, der auferstandene Herr, den Schleier vor unseren Augen wegreißen wird und wir ihn, den Sieger über den Tod, werden mit eigenen Augen erkennen können. Keiner von uns weiß, wie lange es noch dauern wird, bis für alle sichtbar und erkennbar sein wird, wie sich die Gemeinschaft mit Christus, die wir hier und jetzt im Heiligen Mahl erfahren, dann einmal auswirkt, wenn wir in einem Augenblick, ganz plötzlich, verwandelt werden. Wir haben keine Gewähr, dass wir die Begegnung mit Christus hier und jetzt irgendwann auf später verschieben können, dass dann immer noch Zeit genug bleibt. Wahnsinn wäre es, jetzt auf sie zu verzichten, angesichts dessen, was Paulus uns hier in seinem Geheimnis ankündigt.

Ob es etwas bringt, wenn wir dies den Konfirmanden, den Gemeindegliedern insgesamt, ja auch den Menschen außerhalb unserer Gemeinde nahebringen? Menschlich gesprochen mögen wir manchmal denken, das habe ja doch alles keinen Zweck; menschlich gesprochen können wir nicht ausschließen, dass schließlich der eine oder andere Konfirmand ein Stück Pizza immer noch für begehrenswerter hält als die Speise des Heiligen Mahles, dass der eine oder andere Jugendliche eine Fete am Wochenende doch für wichtiger hält, als dort dabei zu sein, wo wir auf unsere Auferstehung, auf unsere Verwandlung vorbereitet werden, ja, dass auch so mancher Erwachsene so vor sich hinlebt, als ob es gar kein Ziel, keine Vollendung in der Gemeinschaft mit Christus gäbe.

Und doch haben wir keinen Grund, deshalb zu resignieren. Es ist Ostern; Christus, der auferstandene Herr, lebt. Er hat den Tod zur Strecke gebracht, hat ihm seine Macht geraubt – und er ist auch dazu in der Lage, Menschen für sich zu gewinnen, bei denen wir mit unseren menschlichen Möglichkeiten längst an unsere Grenzen gestoßen sind. Weil Christus, der Sieger, in unserer Mitte ist, darum lohnt sich wirklich jeder Einsatz in der Gemeinde, lohnt sich jeder Taufunterricht, jede Konfirmandenfahrt – und jeder Gottesdienst sowieso. Was uns bevorsteht, wozu wir einladen dürfen, ist so unfasslich schön und großartig, dass niemand davon ausgeschlossen sein soll, dass wir niemanden aufgeben sollen, weil es bei ihm oder ihr ja doch keinen Zweck hat.

Darum, meine lieben Brüder und Schwestern, seid fest, unerschütterlich und nehmt immer zu in dem Werk des Herrn, weil ihr wisst, dass eure Arbeit nicht vergeblich ist in dem Herrn. Denn dieser Herr, er lebt, er ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden. Halleluja! Amen.