03.06.2012 | Epheser 1,3-14 | Trinitatis

Stellt euch mal vor, ihr säßet vor einem Richter, und der würde euch auffordern, darüber zu sprechen, was es für euch bedeutet, dass der Gott, an den ihr glaubt, der dreieinige Gott ist, und warum das für euch wichtig ist, dass ihr gerade an diesen dreieinigen Gott glaubt. Was würdet ihr dann zu sagen haben?

Schwestern und Brüder, diese Vorstellung ist gar nicht so weit an den Haaren herbeigezogen. Unsere Brüder und Schwestern aus dem Iran, die müssen damit rechnen, dass ihnen in ihren Interviews nach der Stellung des Asylantrags oder in ihren Gerichtsverhandlungen unter anderem auch diese Frage gestellt wird. Doch nicht nur bei solchen Verfahren kann es uns passieren, dass wir auf unseren Glauben an den dreieinigen Gott angesprochen werden. Neulich klingelte es bei mir an der Tür, und draußen standen zwei junge Damen, bei denen ich schon auf den ersten Blick merkte, dass die von den Zeugen Jehovas kommen mussten. Leider war ich gerade auf dem Sprung und musste dringend weg; so konnte ich mich auf ihre Einladung, mit ihnen über die frohe Botschaft zu sprechen, leider nicht einlassen. Wenn ich es getan hätte, dann wären wir mit Sicherheit auch sehr schnell beim Glauben an den dreieinigen Gott gelandet, den die Zeugen Jehovas vehement ablehnen. Da hätte ich ihnen dann schon gerne mal mit ein wenig Bibelstudium auf die Sprünge geholfen. Doch nicht nur der Islam und die Zeugen Jehovas lehnen das Bekenntnis zum dreieinigen Gott ab; auch unsere heutigen Zeitgenossen können mit diesem Bekenntnis in aller Regel überhaupt nichts anfangen. Die kommen sich schon religiös vor, wenn sie überhaupt an so etwas wie eine höhere Macht glauben – aber sich zum dreieinigen Gott zu bekennen, darauf würden sie im Traum nicht kommen; das wäre dann doch allzu abgefahren für sie. Manche haben dann vielleicht auch noch irgendwelche pseudowissenschaftliche Literatur gelesen, in der behauptet wird, der Glaube an den dreieinigen Gott sei eine Erfindung der Kirche im vierten Jahrhundert, und meinen, schon allein von daher sich mit dem Thema „Dreieinigkeit“ gar nicht befassen zu müssen. Und wir – können wir all denen etwas entgegensetzen, für die es nur absurd erscheint, an den dreieinigen Gott zu glauben? Oder ist dieser Glaube an den dreieinigen Gott auch für uns so etwas wie ein christliches Erbstück, das wir irgendwo in Ehren halten, aber ansonsten in irgendeine Ecke unseres Lebens packen und es dort im Laufe der Zeit verstauben lassen? Ja, was sollen wir denn mit diesem Glauben an den dreieinigen Gott eigentlich anfangen?

Wie gut, dass wir da gerade die Worte unserer heutigen Predigtlesung gehört haben. Ja, ich weiß, wahrscheinlich fühlen sich die meisten von euch von diesen Worten erst einmal ein wenig erschlagen, wenn sie sie denn überhaupt verstanden haben: So viele tiefgründige Worte, so eng zusammengepackt in zwölf Versen, die im Griechischen einen einzigen langen Satz bilden. Doch wenn wir uns die Mühe machen, uns diesen gewaltigen Satz einmal genauer anzuschauen, dann werden wir schnell eine Entdeckung nach der anderen machen. Dann werden wir nicht nur merken, dass es absoluter Blödsinn ist zu behaupten, die Kirche habe den Glauben an den dreieinigen Gott erst im vierten Jahrhundert erfunden, sondern dann werden wir auch schnell merken, dass dieser Glaube an den dreieinigen Gott tatsächlich sehr direkt mit unserem Leben zu tun hat, dass wir tatsächlich eine Menge erzählen können, wenn wir danach gefragt werden, warum der Glaube an ihn, den dreieinigen Gott, für uns so wichtig ist.

Wenn wir von Gott erzählen wollen, dann stoßen wir allerdings schnell auf ein ganz grundlegendes Problem: Wir Menschen wissen heutzutage zumeist gar nicht mehr, wer eigentlich Gott ist, ja, was es eigentlich bedeutet, dass Gott wirklich Gott ist. Ja, das gilt leider oft genug auch für uns Christen. Wir reden von Gott, als ob er einfach nur ein nettes Small Talk-Thema ist, mehr nicht, reden vom dreieinigen Gott, als ob er uns ebenso direkt betrifft wie die Geburt eines sechsbeinigen Kalbs: Kurios, interessant, aber mehr auch nicht. Ja, Schwestern und Brüder: Wir wissen nicht mehr, was es eigentlich bedeutet, dass Gott wirklich Gott ist. Sonst würden wir über seine Existenz nicht so diskutieren, wie man über die Existenz des Yeti im Himalaya diskutieren mag, sonst würden wir gar nicht auf die Idee kommen, es nur mit einem Schulterzucken zu quittieren, dass Gott uns jeden Sonntag neu zu seinem Fest einlädt. Wer ist schon Gott, dass der sich anmaßt, in die Gestaltung meines Lebens, vielleicht gar in die Gestaltung meines Wochenendes einzugreifen!

Doch Gott ist Gott. Das heißt: Dass du lebst, verdankst du ihm, dass du atmest, verdankst du ihm, dass du dich bewegen kannst, verdankst du ihm. Keine Sekunde deines Lebens könntest du ohne ihn sein, keine Möglichkeit gibt es für dich, ihm zu entkommen, nicht jetzt, und erst recht nicht am Ende deines Lebens, wenn er dich einmal nach deinem Leben fragen wird. Gott ist Gott. Das heißt: Es gibt letztlich nur eine wirklich entscheidende Frage in deinem Leben: Wie dieser Gott zu dir steht, und wie du zu ihm stehst. Wenn Gott Gott ist, dann kann es nichts Dringenderes geben, als eben auf diese Frage eine Antwort zu bekommen.

Und eben damit sind wir nun schon beim dreieinigen Gott, sind wir bei dem, was uns der Apostel Paulus über diesen dreieinigen Gott mitzuteilen hat:
Als erstes macht er uns hier deutlich: Liebe ist es, was das Verhältnis zwischen Gott und dir bestimmt, Liebe ist es, was Gott selbst ausmacht und was ihn dazu veranlasst, mit uns Menschen in Verbindung zu treten. Gott ist in sich vollendete Gemeinschaft, und er möchte auch uns in seine Gemeinschaft als seine Kinder aufnehmen. Auf die Idee ist er nicht erst gekommen, als er sich angeschaut hat, dass wir ja vielleicht doch ganz nette, anständige Menschen sind. Da er in unser Herz zu schauen vermag, wäre er auf diesem Wege auf diese Idee sowieso nicht gekommen, uns zu seinen Kindern zu machen. Nein, Gott hat sich schon dafür entschieden, uns zu seinen Kindern zu machen, „ehe der Welt Grund gelegt war“, so schreibt es St. Paulus hier. Noch bevor es diese Erde gab, hatte Gott schon den Entschluss gefasst, dich nicht nur zu erschaffen, sondern dich für immer in seiner Gemeinschaft leben zu lassen. So groß ist seine Liebe zu dir.

Was diese Worte des Apostel Paulus bedeuten, ist mir in der vergangenen Woche noch einmal neu aufgegangen, als ich im Koran gelesen habe. Da sagt Allah in der 19. Sure, es würden erst einmal alle Menschen ohne Ausnahme in die Hölle kommen. Aber dann würde er einige von ihnen, die in ihrem Leben besonders gottesfürchtig waren, am Ende doch aus der Hölle herausholen und den Rest dort weiter schmoren lassen. Der dreieinige Gott ist ein anderer Gott. Der bestimmt nicht erst einmal alle Menschen für die Hölle und rettet dann ein paar, sondern der wollte von Ewigkeit an für dich nur eines: mit dir in Liebe verbunden zu sein – in alle Ewigkeit. Wenn wir also bekennen: Ich glaube an den dreieinigen Gott, dann bekennen wir zunächst und vor allem: Ich glaube an den Gott, der die Liebe ist und dessen Liebe mir gilt.

Doch nun hat Gott sich eben nicht bloß damit begnügt, diesen Entschluss zu fassen, dass du einmal sein Kind werden sollst, sondern er hat auf den Entschluss auch Taten folgen lassen: Er wusste und weiß, dass wir Menschen von uns aus nicht dazu in der Lage sind, uns auf ihn, Gott, hinzubewegen, und so hat er sich auf uns zu bewegt, ist zu uns gekommen in Christus, seinem Sohn. In ihm hat er gezeigt, was es heißt, dass er die Liebe ist, hat es uns gezeigt, indem er sich selber für uns in den Tod dahingegeben hat, für uns gestorben ist, um alles auf sich zu nehmen, was uns von ihm, Gott, trennen könnte. In ihm, Christus, hat Gott gezeigt, dass er die Liebe ist, auch wenn die Erfahrungen, die wir in unserem Leben machen, dem oft genug erst einmal zu widersprechen scheinen. Fakten geschaffen hat Gott durch Jesus Christus in unserer Welt, in unserer Geschichte, Fakten, die für uns, für unser Leben ganz direkt von Bedeutung sind: Der Tod des Sohnes Gottes am Kreuz bedeutet auch für uns die Erlösung, die Vergebung der Sünden, den direkten Zugang zu Gott. Gott ist kein ferner Gott, bei dem wir nur darüber spekulieren könnten, wie er zu uns steht, kein ferner Gott, dessen Urteil über unser Leben offen ist und bleibt. Nein, in Christus haben wir die Erlösung, haben wir die Vergebung der Sünden. Gottes Liebesoffensive – sie reicht direkt in unser Leben hinein: In Christus sind wir jetzt schon zu Erben eingesetzt, zu Erben, denen der Reichtum des Lebens zusteht, den Gott für uns vorgesehen hat.

Doch nun fehlt noch ein letzter entscheidender Schritt, den der Apostel hier am Schluss seines großen Lobpreises der göttlichen Liebe markiert: Wichtig ist, dass wir von dem, was Gott für uns vorgesehen, ja, was er für uns getan hat, nun auch erfahren, dass wir davon etwas hören. Ja, mehr noch: Wichtig ist, dass uns dieses wunderbare Geschenk der Liebe Gottes nun auch direkt in unserem Leben erreicht, dass Gott das ganz konkret in unserem Leben festmacht, was er damals schon in Christus für uns getan hat. Und eben dies nennt der Apostel Paulus hier „Versiegelung mit dem Heiligen Geist“ – und meint damit nichts Anderes als unsere Heilige Taufe. Da hat Gott sich mit uns durch seinen Heiligen Geist verbunden, da ist seine Bewegung der Liebe auf uns zu schließlich ganz an ihrem Ziel angekommen. Ohne Jesus Christus wüssten wir nichts von dem liebenden Gott, der unser Vater sein will, und ohne den Heiligen Geist könnten wir nicht Jesus Christus als unseren Herrn und Retter erkennen, könnten nicht an ihn glauben und uns zu ihm bekennen.

Doch seit wir auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes getauft worden sind, steht es fest: Gottes Liebe ist in unserem Leben angekommen, so fest und verbindlich, so unwiderruflich wie ein unverbrüchliches Siegel. Und wenn wir davon reden, können wir gar nicht anders, als damit zugleich auch von dem dreieinigen Gott zu sprechen.

Ach, was sage ich: Von dem dreieinigen Gott zu sprechen, das ist eigentlich gar nicht so passend. Singen sollten wir, jubeln sollten wir, dass eben dieser Gott, der Anfang und Ziel unseres Lebens ist, so hinter uns her ist, dass uns seine Liebe so uneingeschränkt gilt, dass er sich uns so ohne Wenn und Aber als liebender Gott zu erkennen gegeben hat, ja sich als liebender Gott für uns hingegeben hat. Wenn wir Gott loben, weil er der dreieinige Gott ist, ein „glühender Backofen voller Liebe“, wie ihn Martin Luther genannt hat, wenn wir Gott so loben, dann erfüllen wir eben damit die Bestimmung unseres Lebens. Ja, darin liegt der Sinn und das tiefste Glück unseres Lebens, „dass wir etwas seien zum Lob seiner Herrlichkeit“, wie Paulus es hier formuliert. Sinn und Bestimmung deines Lebens liegen nicht darin, dass du in deinem Leben möglichst viel leistest, dass du möglichst gute Schulnoten vorweisen kannst, dass du möglichst viele Erfolge vorweisen kannst, möglichst viel verdienst, möglichst hoch hinaufsteigst auf der Karriereleiter. Sinn und Bestimmung deines Lebens liegen überhaupt nicht in dem, was du tust. Sondern Sinn und Bestimmung deines Lebens liegen darin, dass du erkennst, dass du von Gott bedingungslos geliebt bist durch Jesus Christus, und dass dich die Freude darüber immer wieder dazu bewegt, Gott zu loben – hier im Gottesdienst, aber auch mit dem, was du in deinem Alltag, gerade auch für andere Menschen tust. Was du hier in der Gemeinde alles machen magst, was du in deiner Familie tust, was du darüber hinaus Menschen tust, die auf deine Zuwendung angewiesen sind: Alles machst du, weil dein Leben ein Lob Gottes ist, ein Lob dieses Gottes, der dich immer schon in seiner Liebe wollte, der für dich gestorben ist und der dich in der Taufe mit dem Heiligen Geist, dem Geist seiner Liebe überschüttet hat, dir versprochen hat, dich in deinem Leben niemals mehr fallen zu lassen, was du auch an Schwerem durchmachen magst. Ja, es ist ein Geschenk, dass wir an ihn, den dreieinigen Gott, glauben dürfen, allen Einwänden zum Trotz! Ja, davon kann man am Ende tatsächlich nur noch singen! Amen.

Predigtlied: ELKG 232,1-4+11