19.07.2012 | 1. Korinther 12,12-18 | Do. nach dem 6. Sonntag nach Trinitatis

Die Kirche ist keine Facebook-Party. In letzter Zeit erhalte ich über Facebook immer wieder Einladungen zu irgendwelchen Veranstaltungen, unter denen ich mir mitunter herzlich wenig vorstellen kann. Wenn ich Lust hätte, könnte ich da hingehen, wenn ich keine Lust habe, sage ich ab – oder ich reagiere auch gar nicht auf die Einladung.

So ähnlich stellen sich das nicht wenige Leute ja auch mit der Kirche vor: Die ist ein Veranstaltungsort, an dem manchmal ganz interessante Events stattfinden, zu denen man mitunter auch noch persönlich eingeladen wird. Und wenn man dann Lust hat, kann man da ja mal hingehen, oder man macht sich vielleicht die Mühe, zu erklären, warum man dort nicht hingehen will oder kann – oder man reagiert einfach gar nicht auf die Einladung. Vielleicht ist später ja mal ein Angebot dabei, das einem zusagt.

Doch die Kirche ist eben keine Facebook-Party, so macht es uns der Apostel Paulus in der heutigen Abendlesung deutlich. Sie ist etwas völlig Anderes: Sie ist Leib Christi, so schreibt es St. Paulus hier. Das heißt als erstes: Die Kirche entsteht nicht dadurch, dass Menschen mit gleichen Interessen sich zusammenfinden und etwas Gemeinsames veranstalten. Die Existenz der Kirche hängt nicht davon ab, dass Menschen Lust haben auf Religion. Sondern die Kirche ist schon längst da, bevor ich mir Gedanken darüber mache, ob ich mich zu einem Gottesdienst oder zu einer anderen Veranstaltung einfinde, ja, mehr noch: Auch ich selber gehöre schon längst zu ihr, bevor ich darüber nachdenke, ob ich mich in der Gemeinde mal wieder blicken lassen soll oder nicht. Die Kirche ist eine Realität, weil Christus, der leibhaftig auferstandene Herr, eine Realität ist, weil sein Leib schon längst Gegenwart ist, bevor wir auch nur darüber nachgedacht haben. Und in diesen Leib sind auch wir bereits eingefügt worden am Tag unserer heiligen Taufe, mit den Worten des Apostels: „Wir sind durch einen Geist alle zu einem Leib getauft.“ Du bist als getaufter Christ ein Glied am Leib Christi, ob du es wahrhaben willst oder nicht, ob du die Kirche für eine Eventagentur hältst oder nicht. Du hängst in diesem Leib Christi mit drin, hast deine Aufgaben, hast deine Bedeutung auch für die anderen, mit denen du durch die Taufe zu dem einen Leib Christi verbunden worden bist.  Darum ist deine Taufe, ist überhaupt jede Taufe niemals bloß eine Privatangelegenheit für die, die getauft werden, und vielleicht noch für ihre Familie. Sondern jede Taufe ist ein Fest für die ganze Gemeinde, die ganze Kirche, weil in der Taufe wieder ein Glied in den Leib Christi eingefügt wird. Darum feiern wir auch ganz bewusst unsere Taufen hier in unserer Gemeinde im Gottesdienst der Gemeinde, damit ja nicht der Eindruck entstehen kann, die Taufe sei nur eine Familienfeier und habe mit dem Leib Christi als ganzem eigentlich gar nichts zu tun.

Zu einem Leib sind wir in der Kirche Jesu Christi zusammengefügt. Es gibt nicht mehrere Leiber Christi, nicht einen deutschen und einen russischen und einen persischen Leib Christi, nicht einen Leib Christi für die Besserverdienenden und einen für die Sozialhilfeempfänger, nicht einen Leib Christi für Ur-SELKies und einen Leib Christi für neu Hinzugekommene. Sondern das ist das Faszinierende am Leib Christi, dass wir in ihn alle gemeinsam eingebunden sind, dass jeder dort seinen Platz hat, dass jeder für den anderen da, für den anderen wichtig ist. Der Leib Christi hat keinen Blinddarm, den man schnell mal wegoperieren kann, ohne dass diesem Leib anschließend wirklich etwas fehlen würde.

Sichtbar, erkennbar wird das immer wieder schon bei der Feier des Heiligen Mahls: Da knien hier am Altar Menschen nebeneinander, die völlig unterschiedliche Lebensgeschichten haben, die auf völlig unterschiedlichen Wegen hier in unserer Gemeinde gelandet sind, Menschen, die möglicherweise kaum gemeinsame Hobbys oder Interessen haben, deren Mentalität sehr unterschiedlich sein mag, Menschen, die im normalen Alltag ansonsten kaum voneinander Notiz nehmen würden, geschweige denn, dass sie gemeinsam etwas miteinander unternehmen würden. Doch hier am Altar empfangen sie alle miteinander den einen Leib des Herrn und werden so immer wieder aufs Neue zu dem einen Leib Christi zusammengeschlossen.

Die Unterschiedlichkeit derer, die hier am Altar den Leib und das Blut des Herrn empfangen, wird dadurch natürlich nicht aufgehoben. Im Gegenteil: Sie ist für uns als Gemeinde ein großes Glück, so zeigt es uns der Apostel hier. Es gibt nicht bloß einen bestimmten Typ von Christ, an den sich alle anderen dann anpassen müssten. Furchtbar wäre es, wenn in der Gemeinde alle wie der Pastor wären – ich glaube, eine solche Gemeinde würde ich selber am allerwenigsten aushalten können. Furchtbar wäre es, wenn jemand sagen würde: Ich bin doch ganz anders als der Pastor, also passe ich vermutlich gar nicht in diese Gemeinde. Gott sei Dank, dass du ganz anders bist, dass du ganz andere Gaben hast. Gott sei Dank, dass ihr euch alle so sehr voneinander unterscheidet, denn gerade weil ihr so unterschiedlich seid, könnt ihr füreinander da sein, könnt einander dienen mit den Gaben, die euch geschenkt sind. Wir brauchen die ganz verschiedenen Glieder in der Gemeinde: solche, mit einer langen Glaubenserfahrung und tiefer Glaubenseinsicht, und solche, die den christlichen Glauben ganz neu entdeckt haben und sich über diese Neuentdeckung noch von Herzen freuen können. Wir brauchen Menschen, die mitdenken können, Menschen, die gut reden und andere einladen können, und wir brauchen Menschen, die ganz praktisch mit anpacken, wir brauchen Menschen, die einfach ganz still mit ihrem Leben von Christus Zeugnis ablegen und damit vielleicht noch viel missionarischer wirken als so mancher Vielredner. Und wir brauchen nicht zuletzt Menschen, die für unsere Gemeinde beten, die für all die vielen Menschen beten, die nun Glieder unserer Gemeinde geworden sind oder es auch schon ganz lange sind. Bei manchen Gliedern fällt uns das sofort auf, dass wir sie brauchen. Doch Paulus macht deutlich: Wir brauchen wirklich jeden und jede, auch die, zu denen wir persönlich vielleicht erst einmal gar keinen Zugang haben mögen, die uns vielleicht eher nerven mögen. Gott weiß, warum er uns auch diese Menschen in die Gemeinde geschickt hat – und sei es nur, dass sie uns den Dienst erweisen, dass wir unsere christliche Liebe und Geduld an ihnen üben.

Ja, alle miteinander werdet ihr gebraucht – angefangen schon damit, dass ihr mit eurem Kommen den anderen Mut macht, auch dabei zu sein und dabei zu bleiben hier in der Kirche. Ja, wenn Glieder dem Leib Christi ihren Dienst verweigern, dann tut das dem Leib Christi weh, und wo sie ihren Dienst versehen, und sei es einfach auch dadurch, dass sie da sind, sich nicht ausklinken, da stärkt das den Leib Christi. Eben so dienen Glieder am Leib Christi einander, helfen einander dadurch, auf dem Weg zum Ziel, zum ewigen Leben zu bleiben. Gerade dazu ist der Leib Christi da – und eben auch darum ist die Kirche etwas ganz Anderes als eine Facebook-Party. Amen.