24.06.2011 | St. Johannes 3,22-30 | Tag der Geburt St. Johannes des Täufers

Dass sich der Einsatz von Plagiaten einfach nicht gehört und eine höchst unfeine Angelegenheit ist, ist uns in den vergangenen Monaten am Beispiel einiger Spitzenpolitiker eindrücklich vor Augen gestellt worden. Das macht man einfach nicht, geistiges Eigentum anderer Menschen zu klauen und es als eigene Idee auszugeben und daraus dann auch noch persönliche Vorteile zu ziehen! Ja, Plagiate bringen nicht nur den, der sie verwendet, in Verruf, wenn er denn erwischt wird, sondern die Verwendung von Plagiaten kann auch denjenigen, die auf diese Weise beklaut werden, beträchtlichen finanziellen Schaden zufügen. Deutsche Unternehmer und Erfinder, die ihre Produkte irgendwann völlig originalgetreu, nur mit chinesischen Schriftzeichen versehen, in anderen Teilen der Erde wiederfinden, wissen davon ein Lied zu singen.

Um einen scheinbaren Plagiatsstreit geht es auch in der Predigtlesung des heutigen Johannistages: Da hatte ein gewisser Johannes ben Zacharias ein faszinierendes Erfolgsmodell entwickelt: Er war in die Wüste gezogen, hatte dort gepredigt und hatte dann diejenigen, die sich von seiner Predigt zur Umkehr hatten rufen lassen, im Jordan getauft. Das kam unheimlich gut an; die Leute strömten in großen Scharen zu ihm, und die Taufe, sie wurde zu seinem Markenzeichen, so dass man ihn, Johannes, sogar schon mit dem Spitznamen „der Täufer“ belegte.

Doch irgendwann ebbte dieser Strom offenbar deutlich ab, und es dauerte nicht lange, da hatten die Mitarbeiter von Johannes auch herausgefunden, woran das lag, dass die Leute bei ihm, Johannes, nun nicht mehr Schlange standen: Da war ein Plagiator namens Jesus am Werk: Der hatte sich selber bei Johannes taufen lassen und hatte es dabei dem Johannes offenbar abgeguckt, wie man das mit dem Taufen macht. Und nun hatte dieser Jesus seine eigene Taufstelle eröffnet – und aus für die Mitarbeiter des Johannes unerfindlichen Gründen hatte der mit seinem abgekupferten Unternehmen mehr Erfolg als der scheinbare Erfinder. Das konnte man dem doch nicht einfach durchgehen lassen; dagegen musste man doch etwas unternehmen, ihn daran hindern, sein Konkurrenzgeschäft weiter zu betreiben, und sei es durch die Androhung von Schadensersatzklagen!

Doch Johannes selber reagiert ganz anders als erwartet: Der springt nicht voller Empörung auf, engagiert keinen Rechtsanwalt, startet auch keine Internetkampagne gegen den Plagiator. Sondern der freut sich allen Ernstes über das, was da gerade geschieht, freut sich über das, was Jesus da macht, ja, freut sich allen Ernstes darüber, dass ihm die Leute weglaufen und stattdessen zu ihm, Jesus, gehen. „Auf meine Taufe habe ich kein Copyright“, so erklärt es Johannes seinen Jüngern, „die ist keine Erfindung von mir. Was ich getan habe, habe ich gleichsam nur als Subunternehmer getan, im Auftrag eines anderen, ja, ganz konkret im Auftrag dieses Jesus, für den ich die ganze Zeit gearbeitet habe. Der kann mir gar nichts wegnehmen, denn es war die ganze Zeit sein Unternehmen, für das ich im Einsatz war. Mit dem, was ich getan habe, wollte ich nicht Karriere machen, wollte mir keinen Namen machen, wollte damit erst recht keine Marke gründen und damit Geld verdienen. Sondern was ich gemacht habe, gerade auch mit meinem Taufen, zielte letztlich immer wieder nur auf eines: ihn, Jesus, ganz groß rauskommen zu lassen, zu dem jetzt die Leute strömen. Alles, was ihr jetzt erlebt, läuft genau so ab, wie es sein sollte, da gibt es keinen Grund zum Eingreifen, ganz im Gegenteil: Ich kann jetzt mit meiner Arbeit aufhören; jetzt ist die Zeit gekommen, in der alle nur noch auf den einen schauen sollen, auf ihn, Jesus.“

Einen sehr anschaulichen, wenn für uns auch etwas ungewohnten Vergleich gebraucht Johannes in diesem Zusammenhang: Er bezeichnet sich als Freund eines Bräutigams. Der Bräutigamsfreund hatte damals in Israel eine ganz besondere Aufgabe: Er begleitete das Brautpaar nach der Hochzeitsfeier in sein Brautgemach und stellte sich vor die Tür und hörte zu, wie sich das Brautpaar nun drinnen in seinem Bett in der Hochzeitsnacht vergnügte. Und wenn er dann die Schreie freudiger Erregung aus dem Schlafzimmer vernahm, konnte er gehen: Die Ehe war dort drinnen offenbar vollzogen worden; jetzt war seine besondere Ehrenaufgabe erfüllt. Um den Anbruch der Freudenzeit geht es also bei dem, was die Jünger des Johannes da entdeckt haben, nicht um ein Plagiat.

Um Jesus als den Christus geht es Johannes dem Täufer in dem, was uns der Evangelist St. Johannes hier berichtet; darum geht es ihm, ihn, Jesus, ganz groß herauskommen zu lassen. Und genau darum geht es auch heute an diesem St. Johannistag: Wir feiern an diesem Tag nicht, was für ein großer und bedeutender Mensch doch dieser Johannes der Täufer gewesen ist, sondern wir feiern an diesem Tag das Kommen unseres Herrn Jesus Christus in diese Welt, seine Wirksamkeit, seinen Lebenseinsatz für uns, auf den der Täufer damals schon mit den Worten hinwies: „Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt!“ Ein Christusfest ist dieser Tag, genau ein halbes Jahr vor Weihnachten, genau in dieser Woche, in der nun die Tage allmählich wieder kürzer zu werden beginnen: Er, Christus, er ist das Licht der Welt; er leuchtet, und wir können uns nur von seinem Licht bescheinen lassen.

Um Christus geht es, ihn feiern wir, ihn preisen wir, ganz gewiss. Doch geht es in dem, was wir eben in unserer Predigtlesung gehört haben, auch um uns? Nein und ja.

Es geht insofern nicht um uns, als wir nicht an der Stelle, an dem Wendepunkt stehen, an dem Johannes der Täufer damals stand. Diese Position macht ihn in der Heiligen Schrift, ja in der Weltgeschichte überhaupt einmalig, dass er der Vorläufer des kommenden Christus ist, dass er die Geschichte des Alten Testaments gleichsam an ihr Ziel führt, in jeder Hinsicht ganz dicht dran an den, in dem das Alte Testament seine Erfüllung findet. In dieser Funktion ist Johannes nicht austauschbar, nicht ersetzbar, behält er für immer seinen besonderen Platz.

Doch lernen können auch wir von ihm, dass auch wir als Kirche kein Unternehmen sind, das für seinen eigenen Vorteil, für seinen eigenen Erfolg arbeitet und eifersüchtig darauf achtet, dass ihm ja niemand anders die Ideen klaut. Wir haben als Kirche nur eine Aufgabe und nur ein Ziel: Menschen auf ihn, Christus, hinzuweisen, sie an ihn heranzuführen, dorthin, wo er sich finden lässt: in seinem Wort, in seiner Taufe, in seinem Heiligen Mahl. Wir arbeiten dabei nicht auf eigene Rechnung, es geht nicht darum, dass wir daraus einen Gewinn ziehen – und umgekehrt haben wir von daher auch nicht das Recht dazu, den Auftrag, der uns anvertraut ist, zu verändern, nur damit möglicherweise unsere Erfolgsaussichten als Gemeinde, als Kirche steigen. Wenn unsere Aufgabe darin besteht, allein auf das hinzuweisen, was er, Christus, gesagt hat, und all unser Handeln nach seinem Befehl zu vollziehen, dann müssen wir es schon getrost ihm überlassen, wenn er uns dabei Weisungen hinterlassen hat, die den Menschen heute nicht unbedingt einleuchten mögen, wenn er uns zu tun und zu verkündigen heißt, was vielen heute unsinnig erscheinen mag. Er muss wachsen, wir müssen abnehmen mit unserem Besserwissen, mit unserer Versuchung, uns selber in den Vordergrund zu schieben, Menschen an uns, an unsere Person, an unsere Gemeinschaft zu binden.

Und wenn wir dann sehen, dass etwa in anderen Gemeinden oder in anderen Kirchen auch verkündigt und getan wird, was wir auch verkündigen und tun – dann haben wir keinen Grund, uns zu ärgern, selbst dann nicht, wenn Menschen dabei sich diesen anderen Gemeinden und Kirchen anschließen, die wir auch gerne bei uns gehabt hätten. Hauptsache, sie werden auf Christus gewiesen und an ihn gebunden, werden dort, wo sie sind, im Vertrauen auf Christus und keinen sonst gestärkt. Was uns bleibt, ist, selber so treu und ohne Abstriche auf Christus hinzuweisen, wie uns das möglich ist. Und dabei haben wir dann durchaus auch das Recht, es kritisch anzumerken, wenn Menschen in anderen Gemeinschaften nicht allein auf Christus gewiesen und an ihn gebunden werden, sondern ihr Blick auf Christus durch alles mögliche Andere in Lehre und Praxis anderer Kirchen getrübt wird. Doch nie sollen und dürfen wir andere Kirchen, andere Christen als Konkurrenz, geschweige denn als Plagiatoren betrachten. Was wir tun und verkündigen, stammt nicht von uns, ist uns von Christus genauso anvertraut wie anderen Kirchen und Gemeinden auch. Rechenschaft werden wir dafür ablegen müssen, wie wir mit diesen anvertrauten Pfunden umgegangen sind, ganz gewiss. Doch zugleich dürfen wir uns auch jetzt schon darüber freuen, wenn Menschen auch außerhalb unserer Gemeinde zu Christus geführt und an ihn gebunden werden. Es geht auch bei uns nicht um Zahlen, erst recht nicht um finanziellen Erfolg. Es geht allein um ihn, den Herrn der Kirche, der uns immer wieder an seiner Freude Anteil gibt. Und darum dürft auch ihr euch gerne immer wieder als Plagiatoren hier im Gottesdienst betätigen, dürft von hier Ideen klauen und mitnehmen und meinetwegen auch gerne gleich die ganze Predigt an andere weiterreichen. Ich erhebe darauf kein Copyright. Es ist doch nicht mein Wort, das ich weitersage. Kopiert als kräftig, was ihr hier bei uns vorfindet – aber bitte nur mit dem einen Ziel: Ihn, Christus, und nicht etwa seine Boten groß zu machen. Denn er muss wachsen, ich aber muss abnehmen. Amen.