29.09.2010 | Offenbarung 12,7-12 | St. Michaelis

Zwanzig Jahre ist es nun schon wieder her, dass der Eiserne Vorhang in Europa zerriss, dass der Kalte Krieg zwischen West und Ost ein Ende fand und Deutschland schließlich wieder vereinigt wurde. Ach, was hatten die Menschen damals vor zwanzig Jahren für große Hoffnungen! Sie hofften darauf, dass nun weltweit eine große Friedenszeit anbrechen würde, dass die Zeit der Kriege und Konflikte endgültig zu Ende gehen würde. Doch nun nach zwanzig Jahren erleben wir, wie diese Hoffnungen zerplatzt sind, wie an die Stelle alter Konflikte neue Konflikte getreten sind. Ach, können diese Konflikte und Kriege nicht endlich mal ein Ende haben?! Gut dreißig Jahre ist es nun schon her, dass in Camp David in den USA ein Abkommen zwischen Israel und Ägypten unterzeichnet wurde, das endlich Frieden im Nahen Osten verhieß. Nun, mehr als dreißig Jahre später, wird wieder verhandelt, ohne dass man in den vergangenen dreißig Jahren dem Frieden irgendwie näher gekommen wäre. Ach, kann dieser Konflikt im Nahen Osten nicht endlich mal ein Ende haben?! Nächstes Jahr haben wir hier in Berlin wieder eine Kirchensynode unserer Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche. Wieder wird es um dieselben Themen gehen, um die es seit mehr als 30 Jahren in unserer Kirche geht, wieder wird es knappe Abstimmungen geben, wieder wird man damit rechnen müssen, dass auch nach dieser Synode die Kämpfe genauso weitergehen werden wie zuvor. Ach, kann denn nicht wenigstens in der Kirche endlich mal Ruhe und Frieden einkehren?

Schwestern und Brüder, die Wünsche und Sehnsüchte nach Frieden in der Welt und in der Kirche – sie sind nur zu verständlich und nur allzu berechtigt, und wir tun gut daran, in diesen Bemühungen um Frieden auch nicht nachzulassen. Und doch tun wir in all dem erst recht gut daran, nicht den Blick hinter die Kulissen zu vergessen, den uns der Seher Johannes in der Epistel des heutigen Festtags ermöglicht. Ja, wir tun gut daran, nicht zu vergessen, mit was für einem ungebetenen Eindringling wir es in dieser Welt und besonders auch in der Kirche zu tun haben: mit dem Teufel.

Nein, der Teufel eignet sich nicht bloß als Haupt- oder Nebendarsteller in irgendwelchen Grusel-Horror-Schockern im Kino, und er steckt auch nicht bloß im Detail. Sondern, so macht es uns St. Johannes hier in unserer Epistel deutlich, ohne den Teufel zu berücksichtigen, können wir gar nicht recht verstehen, was in unserer Welt letztlich abgeht. Jawohl, der Teufel tobt sich in dieser Welt aus, so stellt es St. Johannes hier ganz nüchtern fest. Und er kennt nur ein Ziel: Gottes gute Ordnungen durcheinanderzubringen, Menschen von Gott abzubringen und vor allem auch die Kirche durcheinanderzubringen. Ein „Diabolos“, ein Durcheinanderwerfer, ist er, so formuliert es St. Johannes hier. Nein, der schaut nicht ruhig zu, wenn in dieser Welt irgendwo Frieden einzuziehen scheint. Der wird schon seine Mittel finden, um diesen Frieden empfindlich zu stören. Dem gelingt es immer wieder, Menschen einzureden, dass das eigene Volk, die eigene Nation so wichtig ist, dass man dazu bereit sein muss, dafür auch Kriege zu führen, andere Völker, ja, Minderheiten im eigenen Land zu bekämpfen, wenn nicht gar auszurotten. Wenn im Nahen Osten die Vernunft zu siegen droht, wenn Feinde dazu bereit werden, einander die Hand zum Frieden zu reichen, dann wird der Teufel schon genügend Fanatiker auf allen Seiten mobilisieren, die versuchen, diesen Frieden zu verhindern und zu torpedieren. Und erst recht hat er genügend Tricks auf Lager, um zu verhindern, dass in der Kirche Frieden einzieht, dass man sich in der Kirche nur noch gemeinsam auf die Verkündigung des Evangeliums besinnt und Streit durch gemeinsames Hören auf das Wort der Heiligen Schrift überwindet. Da weiß er schon, wie er es am besten anstellt, in der Kirche Verwirrung beim Verständnis der Heiligen Schrift anzurichten, Intrigen zu schmieden, Menschen davon abzuhalten, sich auf das Entscheidende zu besinnen. Ja, trickreich, wie er ist, vermag er seine Zwecke und Ziele in der Kirche mitunter sogar dadurch durchzusetzen, dass er Frieden einkehren lässt – Frieden, der dadurch entsteht, dass man diejenigen zum Verstummen bringt, die noch auf die unverbrüchliche Gültigkeit des Wortes Gottes pochen. Viele weitere Tricks hat der Durcheinanderwerfer noch auf Lager: Er vermag Menschen mit falscher Lehre, ja mit falschen Religionen zu verwirren, er bringt Christen in ihrem persönlichen Leben zu Fall, veranlasst sie dazu, das Evangelium mit ihrem Verhalten zu verdunkeln und Menschen daran irre werden zu lassen. Er sorgt dafür, dass Christen in vielen Teilen unserer Erde verfolgt und unterdrückt werden, und er sorgt dafür, dass in anderen Teilen Menschen die Frage nach Gott und Christus weithin überhaupt nicht mehr ernst nehmen und es schon für verwerflich halten, wenn jemand behauptet, Christus sei die Wahrheit für alle Menschen. Kurzum: Er, der Widersacher, der Teufel, scheint, so hat es den Eindruck, der wahre Chef, der große Sieger in Kirche und Welt zu sein.

Genau diesen Eindruck hatten damals auch die Christen in Kleinasien, an die der Seher Johannes seine Worte schrieb. Bedrängt wurden sie in ihren Gemeinden von innen durch Irrlehrer und von außen durch den Druck eines scheinbar übermächtigen Staates, dessen Kaiser sich anschickte, sich selber als Gott verehren zu lassen. Es schien wirklich nur eine Frage der Zeit zu sein, bis der Teufel diesem kleinen Häuflein von Christen endgültig den Garaus bereitet hatte.

Doch nun weitet der Seher Johannes den Christen damals in den kleinen Gemeinden in Kleinasien und uns heute Abend in unserer kleinen Schar hier in Zehlendorf den Blick: Was sie erleben, was wir erleben, ist in Wirklichkeit nur das letzte Aufbäumen, das letzte Zucken eines Verlierers, der den entscheidenden Kampf längst verloren hat. Nein, es ist nicht mehr fraglich, wer einmal das letzte Wort in dieser Welt und über diese Welt sprechen wird: Das wird nicht der Widersacher Gottes, das wird Christus allein sein. Es ist nicht mehr fraglich, ob diese Welt nicht vielleicht doch am Ende einfach nur im Chaos versinken wird. Der, der sich dies wünschen würde, ist von den Schaltzentralen der Macht endgültig verbannt worden. Gewiss, mit seinem großen Zorn vermag er noch eine Menge anzurichten, unterschätzen wir ihn ja nicht. Solange diese Erde besteht, wird es auf ihr Kriege und Unfrieden geben, werden Menschen sich gegeneinander aufhetzen lassen. Solange diese Erde besteht, wird es auch in der Kirche keinen dauerhaften Frieden geben. Der Teufel guckt nicht einfach zu, wenn es in einer Kirche, wenn es in einer Gemeinde gut läuft und in ihr Frieden herrscht; er wird nichts unversucht lassen, um dagegen vorzugehen. Vergessen wir das nicht, auch nicht in unserer Gemeinde! Aber er kommt eben doch letztlich nicht gegen Christus an. Nein, das gilt nicht bloß für das Ende der Zeiten, an dem die kurze Zeit, die dem Teufel noch bleibt, einmal endgültig beendet sein wird. Schon jetzt erleidet der Teufel immer und immer wieder ganz konkrete Niederlagen, Sonntag für Sonntag neu, wenn Menschen in der Heiligen Taufe seiner Gewalt entrissen und Eigentum Jesu Christi werden, wenn Menschen sich mit dem Bekenntnis ihres Glaubens wieder neu auf die Seite ihres Herrn Jesus Christus stellen, wenn sie durch die Gabe des Leibes und Blutes ihres Herrn so eng mit Christus verbunden werden, dass der Teufel da nicht mehr dazwischen passt.

Ja, nüchtern sollen wir sein als Christen und den Teufel nicht aus unseren Überlegungen ausklammern. Aber zugleich dürfen wir jetzt schon in jedem Gottesdienst einstimmen in das Siegeslied, das im Himmel schon unaufhörlich erklingt: Das Lied, das Christus als den Sieger über Sünde, Tod und Teufel preist, das Lied, in das wir auch mit unseren Liedern und Chorälen immer und immer wieder mit einstimmen. Scheinbar kommt dieser Gesang noch viel zu früh, scheinbar ist der Kampf doch noch gar nicht entschieden. Doch wer der Sieger in diesem Kampf sein wird, steht schon jetzt so fest, dass wir die Siegesgesänge tatsächlich jetzt schon anstimmen können, dass wir keine Angst mehr zu haben brauchen, dass diese Siegesgesänge jemals noch wieder verstummen werden.

Und wenn uns nach solchen Siegesgesängen jetzt noch so gar nicht zumute ist, dürfen wir es doch wissen: Die Engel Gottes, sie singen diese Lieder schon jetzt für uns mit, laden uns ein, in ihren Gesang mit einzustimmen, ja auch jetzt gleich wieder bei der Feier des Heiligen Mahls. Ja, sie wissen, was sie da singen, sie haben doch für uns gekämpft und kämpfen weiter, dass der böse Feind keine Macht an uns findet. Nein, die Kämpfe, die für unsere Zukunft wirklich entscheidend sind, die werden nicht von irgendwelchen Generälen und auch nicht von irgendwelchen Debattenrednern im Parlament ausgefochten. Die Kämpfe, die für unsere Zukunft wirklich entscheidend sind, die haben schon stattgefunden – und das Ergebnis ist eindeutig: Michael und seine Engel haben gewonnen und durch sie Christus selber. Das Nachtreten des Teufels ist fies, gewiss; am Sieg selber aber kann er nichts mehr ändern. Darum, Schwestern und Brüder: Bleibt nur dran an ihm, dem Sieger! Amen.