11.01.2009 | St. Matthäus 3, 13-17 (Taufe Christi)

TAUFE CHRISTI – 11. JANUAR 2009 – PREDIGT ÜBER ST. MATTHÄUS 3,13-17

Zu der Zeit kam Jesus aus Galiläa an den Jordan zu Johannes, dass er sich von ihm taufen ließe. Aber Johannes wehrte ihm und sprach: Ich bedarf dessen, dass ich von dir getauft werde, und du kommst zu mir? Jesus aber antwortete und sprach zu ihm: Lass es jetzt geschehen! Denn so gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen. Da ließ er's geschehen. Und als Jesus getauft war, stieg er alsbald herauf aus dem Wasser. Und siehe, da tat sich ihm der Himmel auf, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube herabfahren und über sich kommen. Und siehe, eine Stimme vom Himmel herab sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.

Vor einigen Tagen habe ich mir aus dem Internet Open Office heruntergeladen. Das ist ein Paket, das Programme für Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Powerpoint-Präsentationen und vieles mehr enthält. Genauer gesagt heißt das Paket Open Office 3.0, das heißt: Es handelt sich um eine weiterentwickelte, verbesserte Fassung gegenüber den Vorgängerfassungen. Angefangen hatte alles mal mit Open Office 1.0; darin steckte schon das wesentliche Konzept von Open Office, und vieles von dem, was damals Open Office 1.0 bot, ist auch immer noch in Open Office 3.0 enthalten. Aber dann wurde im Laufe der Zeit manches ergänzt und verbessert; schließlich erschien Open Office 2.0 – und nun sind wir seit einigen Monaten bei Open Office 3.0 angekommen, das noch einmal eine Reihe von Verbesserungen und Ergänzungen enthält, die vorher bei Open Office 1.0 und 2.0 noch nicht zu finden waren. Ja, mit Open Office 3.0 bin ich nun wieder auf dem neusten Stand – und das Beste ist: Das alles gibt es im Internet ja kostenlos!
So ähnlich wie mit Open Office ist das auch mit der Taufe. Da feiern wir heute das Fest der Taufe Christi; ja, da ist im Heiligen Evangelium von der Taufe des Johannes und von der Taufe Christi die Rede, und wir merken: Das hat alles schon irgendwie auch mit dem zu tun, was wir heute Morgen hier im Gottesdienst erlebt haben, als M. getauft wurde. Aber zugleich merken wir: Ganz dasselbe ist das auch wieder nicht, was damals dort am Jordan geschah und was heute hier an unserem Taufstein geschehen ist. Ja, ich wage einmal den Vergleich mit Open Office und möchte euch mithilfe dieses Vergleichs nun versuchen zu erklären, in was für einem Verhältnis diese Taufen eigentlich zueinander stehen. Schauen wir uns also die drei Taufen an:

- die Taufe 1.0
- die Taufe 2.0
- die Taufe 3.0

I.

Wie kam Johannes der Täufer eigentlich damals auf die Idee, Leute zu taufen? Antwort: Wir wissen es nicht. Gewiss, auch im Judentum gab es Reinigungsriten, dass man regelmäßig in ein rituelles Reinigungsbad stieg, um auf diese Art und Weise die innere Bereitschaft zur Umkehr zu Gott zum Ausdruck zu bringen und so in der rechten Weise vor Gott dazustehen. Aber diese Reinigungsriten waren nicht einmalig, sondern wurden regelmäßig durchgeführt, und vor allem nahm sie jeder Mensch für sich selber vor; da gab es keinen Täufer, der einen anderen taufte, sondern man stieg eben selber in dieses Reinigungsbad, wenn man dies wollte, ohne dass man in diesem Zusammenhang irgendein öffentliches Bekenntnis abgelegt hätte. Nein, all das war noch gar keine Taufe, auch keine Taufe 1.0; das war nur das Umfeld, in dem Johannes der Täufer tätig war.
Seine Taufe ist nun noch einmal etwas ganz Anderes: Sie steht in unmittelbarem Zusammenhang mit seiner Verkündigung: Johannes der Täufer kündigt an, dass bald Gott selber erscheinen wird und dass vor ihm niemand wird bestehen können, der nicht nach seinem Willen gelebt hat. Gott kommt, um die Menschen zu richten – und ohne Vergebung der Schuld gibt es keine Möglichkeit, in diesem Gericht Gottes zu bestehen. Und so ruft Johannes der Täufer die Menschen zur Umkehr und zur Taufe: Sie sollen bekennen, dass auch sie Gottes Gericht verdient haben, und sich als Ausdruck ihrer Bereitschaft zur Umkehr taufen lassen. Wer dann von Johannes im Jordan untergetaucht wurde, dem wusch Gott selber die ganze Schuld seines Lebens ab, der war damit vorbereitet auf den Tag des Kommens Gottes. Wie gesagt: Wie der Johannes genau auf die Idee mit der Taufe im Jordan gekommen ist, das wissen wir nicht. Aber wir wissen: Das war nicht einfach eine persönliche verrückte Idee von ihm; nein, Gott selber hatte ihn doch zu seinem Propheten gemacht, hatte ihn berufen und gesandt und sein Wort und sein Tun an das Wort Johannes des Täufers und an das, was er tat, gebunden: Ja, wenn Johannes der Täufer Menschen im Jordan untertauchte, dann galt das tatsächlich bei Gott, dann war das nicht bloß ein nettes religiöses Spektakel, sondern wirkte sich aus im Verhältnis dieser Menschen zu Gott. Ja, auch diese Taufe 1.0, die Johannes der Täufer da im Jordan spendete, war schon eine dolle Sache!

II.

Und nun schildert uns St. Matthäus im Heiligen Evangelium des heutigen Tages, wie Jesus von Galiläa zu Johannes an den Jordan kommt, um sich von ihm diese Taufe spenden zu lassen, diese Taufe, mit der Sünder ihre Schuld vor Gott eingestehen und sich von ihr reinwaschen lassen, diese Taufe, die die Täuflinge auf das Kommen Gottes vorbereiten sollte. Jesus kommt, um sich taufen zu lassen – das scheint doch ziemlich überflüssig, wenn nicht gar unsinnig zu sein; nein, diese Taufe 1.0, die scheint für Jesus doch überhaupt nicht zu passen: Wieso soll er sich denn auf das Kommen Gottes und auf sein Gericht vorbereiten, wenn er doch selber der kommende Gott, selber der Richter ist? Er hat doch in diesem Gericht nun wirklich nichts zu befürchten: Zum einen, weil er der Richter ist, und zum anderen, weil er selber sich gerade nicht von Gott abgewandt hat, gerade keine Sünde ihm, Johannes, bekennen könnte. Und genauso sieht es auch Johannes der Täufer selber: „Ich bedarf dessen, dass ich von dir getauft werde, und du kommst zu mir?“ Du müsstest mich taufen – aber wieso sollte ich dich denn taufen? Das geht doch gar nicht! Doch Jesus besteht darauf, dass er von Johannes getauft wird. Nein, damit leugnet er gerade nicht, dass er der Kommende ist, den Johannes angekündigt hatte; aber er macht deutlich, wie er kommt, wie er sein Gericht vollzieht: So, dass er sich selber ganz auf die Seite der Sünder stellt, von ihnen nicht mehr zu unterscheiden ist, so, dass er die Schuld der ganzen Welt auf sich nimmt, um gerade so alle Gerechtigkeit zu erfüllen.
Und so gibt Johannes schließlich nach und tauft Jesus. Doch indem er ihn, den kommenden Gott, tauft, wird aus dieser Taufe mit einem Mal noch etwas ganz Anderes und Neues: Ja, sie ist und bleibt Bußtaufe, eine Taufe für Menschen, die Gottes Vergebung brauchen, um in seinem Gericht bestehen zu können. Aber in dem Augenblick, als Jesus im Wasser des Jordans untergetaucht wird, öffnet sich ihm der Himmel: Gottes Geist kommt auf ihn herab, ganz sanft und behutsam, wie eine Taube zur Landung ansetzt, und eine Stimme aus dem Himmel erklärt, wer er, Jesus, ist: „Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.“
Das ist also das Neue an dieser Taufe, die uns St. Matthäus hier schildert: In dieser Taufe empfängt der Täufling den Heiligen Geist und wird von Gott selber zum Kind Gottes erklärt. Ja, das alles gab es bei der Taufe des Johannes sonst nicht; das ist schon das ganz Besondere, was diese Taufe, die Taufe Jesu, gleichsam die Taufe 2.0, ausmacht.

III.

Aber nun haben die Taufen 1.0 und 2.0 einen entscheidenden Nachteil für uns: Wir kommen an diese Taufen nicht heran; wir können von ihnen keinen Gebrauch machen. Die Taufe des Johannes, sie endete damals schon, als Jesus zu ihm kam, als er mit seiner Wirksamkeit begann. Da hatte Johannes seinen Dienst getan, zu dem ihn Gott berufen hatte, den Dienst des Vorläufers für Christus, für den Stärkeren, der nach ihm kommen sollte. Jetzt, wo er, Jesus, da war, konnte es nicht mehr darum gehen, sich im Jordan untertauchen zu lassen, jetzt konnte es nur noch darum gehen, ihm, Jesus, nachzufolgen und auf ihn zu hören. Die Taufe 1.0 ist also längst ausgelaufen. Und die Taufe 2.0 – auf die haben wir von uns aus überhaupt kein Anrecht. Sie war nur für Jesus selber bestimmt. Denn bei dieser Taufe Jesu wurden ja keine neuen Fakten geschaffen. Es war ja nicht so, dass Jesus vorher nur ein netter Mensch gewesen war und dann in der Taufe mit einem Mal von Gott adoptiert wurde und sich nun „Sohn Gottes“ nennen lassen durfte. Nein, Sohn Gottes war er vom ersten Augenblick seiner irdischen Existenz an, als der Heilige Geist bereits auf Maria herabgekommen war und sie überschattet hatte. Was nun in der Taufe im Jordan geschah, war nur eine Bestätigung dessen, was auch vorher schon galt. Und insofern können wir auch mit der Taufe 2.0 erst einmal nichts anfangen, denn keiner von uns ist schon von Geburt an Sohn Gottes oder Tochter Gottes gewesen; keiner von uns war schon von Anfang an untrennbar mit Gott verbunden. Ja, dringend nötig hätten es alle Menschen, Kinder Gottes zu werden, Gottes Geist zu empfangen. Aber mit der Taufe 2.0 ist das nicht möglich.
Doch genau das ist der Sinn und das Ziel des Weges, den Jesus am Tag seiner Taufe im Jordan antritt. Alles, was er tut und erleidet, zielt darauf, dass am Ende eben allen Menschen widerfahren kann, was ihm allein damals am Jordan widerfuhr. Ja, alles, was er auf seinem weiteren Weg tut und erleidet, zielt einzig und allein ab auf die Taufe 3.0, die Taufe, zu deren Spendung er seine Jünger nach seiner Auferstehung aussendet.
Jesus macht sich nun mit seiner Taufe daran, alle Gerechtigkeit zu erfüllen. Wie ein Magnet zieht er alle Schuld und alles Leid der Menschen auf sich, schleppt sich damit ab, bis schließlich am Kreuz das Unfassbare geschieht: Der, der hier die Stimme des Vaters hört: „Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe“, derselbe, der hier diese Stimme hört, schreit nun dort am Kreuz: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ So erfüllt Jesus alle Gerechtigkeit, so sorgt er dafür, dass seine Taufe auch zu unserer Taufe wird. Ja, sein Weg geht weiter: Er endet nicht am Kreuz, er führt aus dem Grab heraus in das neue, unzerstörbare Leben der Auferstehung. Und erst als er, Jesus, auferstanden ist, kann er die Taufe, die uns gilt, die Taufe 3.0, in Kraft setzen, denn sie verbindet die, die diese Taufe empfangen, so eng mit ihm, Jesus, dass sie an seinem ganzen Lebensgeschick Anteil erhalten und damit auch an seinem Tod und an seiner Auferstehung.
„Gehet hin in alle Welt und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ – Diese Worte des auferstandenen Christus haben wir heute Morgen wieder gehört bei der Taufe von M., ja, da haben wir sie wieder live mitbekommen: Die Taufe, die uns gilt, die mehr ist als die Taufe des Johannes, ja, die uns sogar noch mehr bringt als die Taufe, die Jesus damals im Jordan empfing.
Ja, auch für die Taufe, die M. heute Morgen empfangen hat, die wir alle miteinander empfangen haben, auch für die Taufe gilt, was bereits für die Taufe Johannes des Täufers galt: Diese Taufe können wir uns nicht selber spenden; die vollzieht ein anderer an uns: der Pastor, der in Wirklichkeit doch nur Werkzeug Gottes, Werkzeug Jesu Christi selber ist. Und diese Taufe ist nicht bloß eine nette, harmlose Zeremonie, nicht bloß eine nette Willkommensfeier bei der Aufnahme in die Gemeinde. Es geht auch und gerade bei der Taufe 3.0, bei M.s Taufe und unserer Taufe, darum, dass alles von uns abgewaschen wird, was uns daran hindern könnte, in Gottes kommendem Gericht zu bestehen. Ja, gerettet worden sind wir in der Taufe, gerettet worden ist M. heute Morgen, gerettet worden ist ein jeder von uns an dem Tag, als auch über seinen Kopf das Taufwasser floss.
Und für M.s Taufe und unser aller Taufe gilt zugleich auch, was Jesus in seiner eigenen Taufe erfuhr: Da hat sich heute Morgen, auch wenn wir dies nicht gleich sehen konnten, auch über diesem Taufstein der Himmel geöffnet, als das Wasser über M.s Kopf rann, da hat Gott der Vater selber erklärt: M. ist mein liebes Kind, an dem ich mich freue, das ich unendlich lieb habe. Ja, das hat Gott gesagt, weil M. in der Taufe mit Christus, seinem Herrn, ganz eng verbunden wurde, sodass Gott zugleich Christus sah und sieht, wenn er auf M. sieht, und von daher nichts an M. entdecken konnte und kann, was bei ihm nicht in Ordnung wäre. Und der Heilige Geist ist zugleich im Wasser der Taufe zu M. gekommen, hat nun in ihm Wohnung genommen, wird jetzt auch weiter an ihm und in ihm arbeiten, wie an und in uns allen, die wir getauft sind. Ja, all das steckt in dem scheinbar so schlichten Geschehen der Taufe drin, das wir eben beobachten konnten. Und durch die Verbindung mit Christus wurde M. wie uns allen zugleich ein neues, unvergängliches Leben geschenkt, das auch der Tod nicht zerstören kann, eben das Leben, das der auferstandene Christus in sich trägt. Ja, auch das ist eine entscheidend wichtige Gabe der Taufe, die nun auch für uns bestimmt ist, die uns gilt, weil Christus selber sie in Kraft gesetzt hat mit seinem Tod und seiner Auferstehung.
Und das Allerbeste ist: Diese Taufe, die für dich bestimmt ist, die du mehr brauchst als irgendetwas Anderes in deinem Leben, die hast du ganz umsonst bekommen, die bekommt jeder Mensch ganz umsonst: Open Source, offene Quelle. Du musst sie nicht kaufen, du musst sie dir nicht mit einem anständigen Leben verdienen; Gott schenkt sie dir, öffnet die Quellen des Lebens ganz weit für uns Menschen, will keinem Menschen den Zugang dazu versperren.
Freue dich darum von Herzen über deine Taufe, die dir gilt, die Christus mit seiner Taufe erst möglich und wirksam gemacht hat, freue dich über die vielen Geschenke, die in diesem Paket deiner Taufe drin stecken. Und glaube ja nicht, du müsstest irgendwann noch einmal nach einer verbesserten Version Ausschau halten, glaube nicht, es käme irgendwann noch einmal von Gott ein Angebot, das mehr und Besseres enthält als das, was er dir in deiner Taufe hat zukommen lassen. Es gibt keine Taufe 4.0 und wird auch in Zukunft keine Taufe 4.0 geben, keine Geistestaufe, die die Wassertaufe überbieten könnte, keine Erfahrung, kein Gefühl, das größer oder wichtiger wäre als das, was dir in deiner Taufe längst schon geschenkt worden ist. Was Gott dir in deiner Taufe geschenkt hat, das ist perfekt, daran muss er nicht noch einmal herumbasteln. Ja, was er dir dort geschenkt hat, das reicht: Das reicht, damit sich auch dir der Himmel einmal endgültig öffnen wird und du den selber mit eigenen Augen sehen wirst, dessen Stimme Jesus damals bei seiner Taufe hören durfte und der es dir heute wieder neu zusagt: Du bist getauft, und darum bist du mein liebes Kind, an dem ich Wohlgefallen habe. Amen.