18.03.2009 | St. Johannes 6, 55 (3. Fastenpredigt zum Thema „7 Wochen mit“: Das Heilige Abendmahl)

MITTWOCH NACH OKULI – 18. MÄRZ 2009 – DRITTE FASTENPREDIGT ZUM THEMA „7 WOCHEN MIT“: DAS HEILIGE ABENDMAHL (ST. JOHANNES 6,55)

Denn mein Fleisch ist die wahre Speise, und mein Blut ist der wahre Trank.

Heute Morgen habe ich wieder einmal mit einem Taufunterricht für einen jungen Erwachsenen begonnen. Noch stehe ich in dem Unterricht natürlich ganz am Anfang; aber irgendwann in der kommenden Zeit werde ich dann natürlich auch auf das Heilige Abendmahl zu sprechen kommen. Ja, wie soll ich einem Menschen, der die letzten dreißig Jahre nicht den geringsten Bezug zum Heiligen Abendmahl hatte, irgendwie nahebringen, dass das Heilige Abendmahl für ihn, für sein Leben künftig etwas Schönes und Wichtiges ist? Nein, da kann ich mich ja nicht darauf zurückziehen, dass ich sage, dass Jesus das Heilige Abendmahl nun mal eingesetzt hat und gesagt hat, dass wir das nun mal so tun sollen, wie er es befohlen hat. Das klänge dann eher nach „Augen zu und durch“, würde diesem Menschen vermutlich nicht besonders helfen, zu diesem Sakrament einen besonderen Bezug zu gewinnen.
Warum ist das Heilige Abendmahl für uns etwas so Schönes und Wichtiges, warum stellt das eigentlich für uns solch eine Glaubensstärkung dar? Bevor wir versuchen, mit anderen über dieses Thema zu reden, ist es gut und sinnvoll, wenn wir zunächst einmal für uns selber wieder neu Klarheit gewinnen über das Sakrament und seine Bedeutung für unser Leben. Und genau dazu soll uns eben auch die Aktion „7 Wochen mit“ helfen, die wir in diesen Wochen in unserer Kirche begehen und die uns dazu anleiten soll, noch einmal neu den Reichtum der Quellen des Heils wahrzunehmen, aus denen wir jetzt in der Fastenzeit, aber natürlich auch darüber hinaus in unserem Leben immer wieder schöpfen dürfen. Und so wollen wir uns dem Heiligen Abendmahl heute Abend unter drei Aspekten nähern:
Im Heiligen Abendmahl geht es zunächst einmal um unser Gottesverhältnis. Das klingt erst einmal ziemlich nichtssagend, denn um unser Gottesverhältnis geht es letztlich auch in allen Religionen. Aber genau da liegt nun auch schon der Knackpunkt: Es gibt eine auch hier in unserem Land ziemlich weit verbreitete Religiosität, wonach das Verhältnis zwischen uns und dem lieben Gott erst mal grundsätzlich ganz in Ordnung ist: Der liebe Gott ist ein netter, gütiger Mann mit viel Humor und Verständnis, und wir sind einigermaßen anständige Menschen, mit denen der liebe Gott eigentlich ganz zufrieden sein kann und bei denen er nur von Zeit zu Zeit mal ein wenig mahnend den Zeigefinger heben muss, wenn da in unserem Leben mal was nicht so ganz in Ordnung war. Und daneben gibt es dann eine andere Variante der Religiosität, wonach der liebe Gott vielleicht doch nicht ganz so harmlos ist und wir vielleicht doch auch nicht ganz so in Ordnung sind und wir darum zusehen müssen, dass wir dieses Verhältnis wieder einigermaßen ins Lot bringen. Und das kann dann auf ganz unterschiedliche Weise geschehen: Etwa dadurch, dass ich mich dem großen Gott unterwerfe und mich selber ganz klein mache und dazu versuche, einige Grundregeln einzuhalten, die er aufgestellt hat, wie dies etwa im Islam geschieht. Oder ich kann versuchen, alle möglichen blutigen oder unblutigen Opfer darzubringen, wie viele Religionen dies praktizieren und wie dies in einer etwas hygienischeren Variante auch in unserer Volksfrömmigkeit geschieht, wenn man meint, man könne den lieben Gott mit einer Mischung aus anständigem Verhalten, Nächstenliebe und Spendenbereitschaft für einen guten Zweck einigermaßen bei Laune halten.
Doch die Heilige Schrift macht uns deutlich: So wird das alles nichts. Unser Verhältnis zum lieben Gott ist weder einigermaßen in Ordnung noch bloß ein bisschen angeknackst, dass wir das mit den entsprechenden Maßnahmen wieder reparieren oder stabilisieren könnten. Getrennt sind wir Menschen von Gott, getrennt von ihm werden wir schon geboren, ja, so radikal, dass wir von uns aus überhaupt nicht dazu in der Lage sind, an diesem Zustand auch nur irgendetwas zu ändern. Wir haben kein natürliches Gottesverhältnis und können von uns aus auch dieses Verhältnis nicht begründen, und wenn wir uns auch noch so viele fromme Gedanken über Gott machen und noch so anständig leben.
Nein, Gott allein kann zwischen sich und uns ein Verhältnis herstellen – und genau das hat er getan in der Sendung seines Sohnes Jesus Christus, in der Hingabe seines Sohnes am Kreuz, durch die er alles weggenommen hat, was ein Verhältnis zwischen uns und ihm unmöglich machte. Und genau darum geht es nun auch im Heiligen Abendmahl: Gott setzt uns zu sich in ein Verhältnis, weil er weiß, dass das nicht bloß ganz nett für uns ist, wenn wir ein Verhältnis zu ihm haben, sondern weil er weiß, dass daran unser Leben und sein Gelingen schlechthin hängt. Gott will, dass unser Leben nicht in der Verhältnislosigkeit endet, und so ergreift er Maßnahmen, die wir niemals ergreifen könnten. Nein, er serviert uns nicht einen Katalog von Vorschriften, die wir einhalten müssen; er verlangt nicht, dass wir uns ihm unterwerfen und uns vor ihm ganz klein machen, sondern er macht genau das Gegenteil: Gott macht sich für uns ganz klein, so winzig klein, dass er sich uns nähern kann, in den Gestalten von Brot und Wein. Gott, von dem wir vor unserer Taufe ganz und gar getrennt waren, verbindet sich dadurch wieder neu mit uns, so eng, wie es überhaupt nur geht, dadurch, dass er nun durch das Heilige Abendmahl in uns lebt, dass es da nichts gibt, was uns noch irgendwie von ihm trennen könnte. Das Heilige Abendmahl – es ist von daher das genaue Gegenteil zur Unterwerfung unter den überaus großen Gott des Islam, das genaue Gegenteil zu aller menschlichen Religiosität: Gott wird klein und lässt uns ganz groß herauskommen als Menschen, in denen er lebt, wenn Christus mit seinem Leib und Blut in uns Wohnung nimmt. Ja, es geht im Heiligen Mahl um unser Gottesverhältnis.
Im Heiligen Abendmahl geht es zweitens schlicht und einfach um Leben, um Leben, das diesen Namen wirklich verdient.
Gerade in unserer heutigen Zeit haben ja viele Menschen ein Gespür dafür, wie wichtig Essen und Trinken für unser Leben ist, nein, nicht bloß, dass wir irgendetwas essen und trinken, damit wir nicht verhungern und verdursten, sondern was wir essen und trinken. Essen und trinken wir das Falsche, so erkennen sie, dann werden wir davon krank; essen und trinken wir das Richtige, so kann uns das Gesundheit und ein langes Leben sichern. Mitunter kann daraus sogar ein richtiger Gesundheitskult werden, bei dem Menschen dem Essen und Trinken eine entscheidende Bedeutung für ihr Leben zumessen. Doch selbst wenn es sicher richtig ist, dass das, was wir essen und trinken, auf unsere Gesundheit, vielleicht auch auf unsere Lebensdauer einen Einfluss hat, ändert das doch nichts daran, dass wir uns selbst mit dem allergesündesten Essen und Trinken nicht vor dem Tod schützen können, dass wir uns dennoch Tag für Tag dem Tod entgegenessen.
Um Essen und Trinken geht es auch im Heiligen Mahl. Nein, dieses Essen und Trinken senkt in aller Regel nicht unseren Blutdruck oder unseren Cholesterinspiegel; doch in Wirklichkeit bringt dieses Essen und Trinken mehr für unser Leben als alle noch so gesunden Lebensmittel. Denn im Brot und im Wein des Heiligen Mahles empfangen wir nicht weniger als den lebendigen Christus leibhaftig, seinen Leib und sein Blut, und mit ihm empfangen wir ein Leben, das auch der Tod nicht zerstören kann. Das Heilige Abendmahl ist das einzige Lebensmittel, das diesen Namen wirklich in einem umfassenden Sinne verdient: „Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der hat das ewige Leben, und ich werde ihn am jüngsten Tage auferwecken“, so formuliert es Christus selber. Ja, das Leben, das uns im Heiligen Mahl geschenkt wird, ist das Leben der Auferstehung, nicht bloß irgendein geistiges Weiterleben nach dem Tod. Und darum ist das Heilige Mahl auch nicht bloß irgendetwas Geistiges, sondern darin geht es tatsächlich um unseren Leib, um unseren Körper, der Christus nicht bloß irgendwie geistig, sondern leibhaftig empfängt. Der auferstandene Christus lebt in mir, in meinem sterblichen Körper – und eben darum wird er diesen Leib dann auch einmal auferwecken: ganz neu, ganz verklärt, und doch so, dass ich es selber sein werde mit Leib und Seele, der einmal für immer sehen wird, was mir hier schon im Sakrament geschenkt wird. Leben, stärker als der Tod – das wird uns hier im Heiligen Mahl gegeben, und darum ist es so wichtig, dass wir diese Arznei, dieses Heilmittel der Unsterblichkeit auch regelmäßig empfangen, dass Christus immer wieder in uns Wohnung nimmt, uns prägt und vorbereitet auf den Tag, an dem wir einmal in der Kraft dieser Speise und dieses Tranks für immer teilhaben werden an dem Freudenmahl in Gottes Reich.
Und damit sind wir schon beim Dritten: Es geht im Heiligen Abendmahl immer wieder um unsere Zukunft. Wenn wir an unsere Zukunft denken, dann mögen wir zunächst einmal an unseren Arbeitsplatz denken, ob der noch sicher ist, wir mögen denken an unsere spätere Rente, wir mögen daran denken, was aus unseren Kindern, aus unserer Familie wohl einmal werden wird, ja, wir mögen vielleicht auch daran denken, was aus dieser Erde wohl insgesamt einmal werden wird angesichts der bedrückenden Zukunftsszenarien, die uns fast täglich vor Augen gestellt werden. Nein, all diese Gedanken an unsere irdische Zukunft sollen ja nicht verharmlost werden, auch nicht durch das Heilige Abendmahl. Aber zugleich stellt die Teilnahme am Heiligen Abendmahl immer wieder von Neuem eine ganz wichtige und heilsame Horizonterweiterung dar: Wenn wir hier am Altar das Sakrament empfangen, dann nehmen wir eben schon teil an dem Freudenmahl im Reich Gottes, dann wird unsere Zukunft schon Gegenwart, unsere Zukunft, die weit über unsere Rente, weit über alle Klimakatastrophen hinausreicht, unsere Zukunft, die uns in unserer Taufe eröffnet wurde und die uns in der Tat strahlend hell entgegenleuchtet: „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit“, so lautet das Bekenntnis, das in unserer Sakramentsliturgie vorgesehen ist und das wir nun auch in unserer Gemeinde künftig zumindest immer wieder einmal singen wollen. Dem wiederkommenden Christus feiern wir gleichsam entgegen, dem Tag, an dem er selber einmal einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen wird, eine neue Welt, in der wir einmal endgültig keine Zukunftssorgen mehr haben werden. Ja, wir feiern ihm, Christus, seiner Wiederkunft entgegen – und empfangen ihn, denselben kommenden Christus doch schon jetzt und hier im Heiligen Mahl. Wir werden hier nicht auf eine bessere Zukunft vertröstet, sondern diese Zukunft bricht jetzt schon an, lässt uns auch all das, was wir hier und jetzt erleben, noch einmal in einem neuen Licht sehen.
„Mein Fleisch ist die wahre Speise, und mein Blut ist der wahre Trank“, so sagt es uns Christus im Johannesevangelium zu. Nein, es geht hier im Heiligen Mahl nicht bloß darum, dass wir hier etwas spielen, dass wir uns hier etwas vorstellen oder uns an etwas erinnern. Sondern hier geht es um Realität, um letzte Wirklichkeit, ganz unabhängig von dem, was wir uns einzubilden vermögen. Wahre Speise und wahrer Trank: Ja, es ist Realität, dass du hier mit Christus, dem lebendigen Gott, verbunden wirst; es ist Realität, dass du hier ein Leben bekommst, das auch dein leiblicher Tod nicht zu zerstören vermag; es ist Realität, dass auch heute Abend für dich hier wieder die Zukunft beginnt, wenn du wieder von Neuem deinem wiederkommenden Herrn begegnest und er dabei nicht weniger als den ganzen Himmel mitbringt. Ach, wie reich ist diese Quelle, aus der wir hier am Altar immer wieder schöpfen dürfen – nicht nur in den sieben Wochen der Fastenzeit! Amen.