03.05.2009 | St. Johannes 14, 1-13 (Tag der Heiligen Apostel St. Philippus und St. Jakobus D.J.)

TAG DER HEILIGEN APOSTEL ST. PHILIPPUS UND ST. JAKOBUS D.J. (ORDINATION BERND STAEGE) – 3. MAI 2009 – PREDIGT ÜBER ST. JOHANNES 14,1-13

Euer Herz erschrecke nicht! Glaubt an Gott und glaubt an mich! In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen. Wenn's nicht so wäre, hätte ich dann zu euch gesagt: Ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten? Und wenn ich hingehe, euch die Stätte zu bereiten, will ich wiederkommen und euch zu mir nehmen, damit ihr seid, wo ich bin. Und wo ich hingehe, den Weg wisst ihr. Spricht zu ihm Thomas: Herr, wir wissen nicht, wo du hingehst; wie können wir den Weg wissen? Jesus spricht zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich. Wenn ihr mich erkannt habt, so werdet ihr auch meinen Vater erkennen. Und von nun an kennt ihr ihn und habt ihn gesehen. Spricht zu ihm Philippus: Herr, zeige uns den Vater und es genügt uns. Jesus spricht zu ihm: So lange bin ich bei euch und du kennst mich nicht, Philippus? Wer mich sieht, der sieht den Vater! Wie sprichst du dann: Zeige uns den Vater? Glaubst du nicht, dass ich im Vater bin und der Vater in mir? Die Worte, die ich zu euch rede, die rede ich nicht von mir selbst aus. Und der Vater, der in mir wohnt, der tut seine Werke. Glaubt mir, dass ich im Vater bin und der Vater in mir; wenn nicht, so glaubt doch um der Werke willen. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer an mich glaubt, der wird die Werke auch tun, die ich tue, und er wird noch größere als diese tun; denn ich gehe zum Vater. Und was ihr bitten werdet in meinem Namen, das will ich tun, damit der Vater verherrlicht werde im Sohn. Was ihr mich bitten werdet in meinem Namen, das will ich tun.

Seit einigen Jahren erfreut sich ein neues Schmuckstück in unserem Land wachsender Beliebtheit: die Ehrennadel. Eine Ehrennadel in Bronze kann man beispielsweise bekommen, so zeigt es ein kurzer Blick ins Internet, wenn man zehn Jahre lang im Blasmusik-Kreisverband Zollernalb Klarinette gespielt oder zwölf Jahre lang im Tischtennisclub Willstätt in der Ortenau die Tischtenniskelle geschwungen hat. Und sogar eine Ehrennadel in Gold kann man ergattern, wenn man im Ortsverein des Deutschen Roten Kreuzes in Münchweier-Wallburg zehnmal Blut gespendet oder sich längere Zeit als Atemschutzausbilder bei der Freiwilligen Feuerwehr in Schopfheim engagiert hat.
Heute wirst du, lieber Bernd, zum Pastor im Ehrenamt ordiniert. Ist das auch so eine Art von religiöser Form der Ehrennadelverleihung? Wirst du am heutigen Tage ausgezeichnet für langjähriges Ausharren in der Kirche trotz mancher Enttäuschungen oder für treue Lektorendienste in der Gemeinde und im Kirchenbezirk? Bekommst du heute einen Titel, mit dem man endlich was hermachen kann, endlich andere mal so richtig beeindrucken kann? O – Sie sind ein richtiger leibhaftiger Pastor? Ach, wie interessant!
Nein, dir wird heute keine Ehrennadel ans Revers gesteckt, weder in Bronze noch in Silber noch in Gold, sondern dir wird heute in diesem Gottesdienst eine Stola umgelegt. Und eine Stola ist eben kein Schmuckstück, auch wenn sie noch so hübsch aussehen mag, und auch kein Ehrenabzeichen, sondern sie ist Symbol des Joches Christi, das dir heute auferlegt wird und das du von heute an bis ans Ende deines Lebens tragen wirst. Ehrenamtlich tätige Mitarbeiter können nach dem Empfang diverser Ehrennadeln irgendwann mal ihre ehrenamtliche Tätigkeit beenden und sich vielleicht einem anderen Hobby, einer anderen Beschäftigung widmen. Das Joch, das dir heute von Christus auferlegt wird, das wirst du von nun ab dein Leben lang nicht mehr los, ganz gleich, ob du für deine Dienste eine Bezahlung erhältst oder nicht. Nein, nicht belohnt und geehrt wirst du am heutigen Tag, sondern unwiderruflich in die Pflicht genommen; ein Amt wird dir auferlegt, für dessen Ausübung du dich einmal vor dem Richterstuhl Christi wirst verantworten müssen.
Und darum tust du gut daran, heute Nachmittag nicht mit stolzgeschwellter Brust hier an den Altar zu treten, sondern mit schlotternden Knien, weil du ahnst, dass dir heute ein Amt anvertraut wird, dessen du nicht würdig bist und das deine Kräfte und Möglichkeiten bei weitem übersteigt. Nein, nicht als Macher kommst du heute hierher nach vorne, nicht als einer, der es schließlich doch noch geschafft hat, erst recht nicht als einer, dem nun nachträglich doch noch Gerechtigkeit widerfahren ist oder eine Würdigung, die ihm zusteht. Sondern du trittst hierher nach vorne als einer, der selber nicht mehr weiter weiß, der selber nicht mehr weiter kann, ja, als einer, dessen Herz erschrocken ist und sich fürchtet.
Doch gerade dann, wenn dir so richtig aufzugehen beginnt, was heute Nachmittag eigentlich mit dir geschieht, gerade dann, wenn du merkst, was dir hier eigentlich aufgehalst wird, darfst du nun auch den Trost des heiligen Evangeliums am Tag der Apostel Philippus und Jakobus vernehmen, den Trost, der uns allen miteinander und dir heute an diesem Tag deiner Ordination in ganz besonderer Weise gilt.
„Euer Herz erschrecke nicht!“ – So ruft es Christus uns allen, so ruft es Christus dir, lieber Bernd, in dieser Stunde in besonderer Weise zu. Das Joch, das dir heute Nachmittag auferlegt wird, das soll dich gerade nicht zu Boden drücken und dich fertig machen, sondern es verweist dich zugleich und vor allem auf den Herrn, in dessen Gemeinschaft du diesen Dienst versehen darfst, der in deinem Dienst gegenwärtig ist, auf den alles ausgerichtet sein soll und darf, was du in diesem Dienst tust, und der allein auch für den Erfolg all dessen verantwortlich ist, was durch dich in diesem Dienst geschieht. Darum, dass Menschen am Ende ihres Lebens bei Gott ankommen, dort für immer bei ihm zu Hause sein und bleiben sollen, dass sie ihr Leben nicht verfehlen, darum soll es in dem Dienst, der dir ab heute anvertraut ist, gehen. Menschen zu Gott führen – nein, das kannst du nicht, so wenig, wie du selber zu Gott kommen kannst. Sondern das geht alles nur durch Christus, so stellt er, unser Herr, es uns hier in den Worten des heiligen Evangeliums so eindrücklich vor Augen. Und darum ermutigt dich dein Herr hier zu dreierlei:

- Predige Christus allein!
- Höre auf Christus allein!
- Überlasse alles Christus allein!

I.

Einen hochkompetenten Menschen bekommt die Kirche heute in deiner Person als ihren Diener geschenkt. Du hast ein Theologiestudium erfolgreich abgeschlossen, du hast eine Heilpraktikerausbildung erfolgreich abgeschlossen, du hast dich gerade auch im Gebiet der Psychologie weitergebildet, ja, du hast damit mancherlei Voraussetzungen, die du für deinen künftigen Dienst gut gebrauchen kannst und hoffentlich auch in vielfältiger Weise einzusetzen vermagst. Aber über all dem darfst du als künftiger Pastor, dürfen wir alle miteinander niemals übersehen, was eigentlich dein Auftrag, deine Aufgabe ist: Christus allein zu predigen. Nein, deine Aufgabe besteht nicht darin, bei Menschen irgendwelche religiösen Erfahrungen hervorzurufen. Deine Aufgabe besteht nicht darin, in den Gottesdiensten, die du leiten wirst, den Zuhörern religiöse Wellness-Angebote zu machen, dass die sich so richtig wohlfühlen und immer auch nett finden, was du ihnen sagst. Deine Aufgabe besteht auch nicht darin, ein religiöser Experte zu sein, der mit den Menschen geistreiche Gespräche über spirituelle Fragen führt. Denn Menschen werden nicht dadurch in die Gemeinschaft mit Gott geführt, dass sie sich ihre eigenen klugen Gedanken über Gott machen oder der Religion im Allgemeinen positiv gegenüberstehen und einige Vertreter von Gottes Bodenpersonal vielleicht auch ganz nett finden. Menschen werden nicht dadurch in die Gemeinschaft mit Gott geführt, dass man ihnen hilft, ihren eigenen Weg zu Gott zu gehen. Nein, nur einen Weg gibt es zu Gott, nur einen, der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist: Er, Jesus Christus, der Sohn des lebendigen Gottes, er, in dem Gott selber zu uns Menschen gekommen ist, er, der mit dem Vater eins ist und in dessen Angesicht allein das Angesicht des Vaters zu erkennen ist, das Angesicht des Gottes, der sich in Christus allein endgültig zu erkennen gegeben hat.
Lass dich darum durch die Stola, die dir heute umgelegt wird, daran erinnern, wer allein der Herr ist, dem du zu dienen und den du zu verkündigen hast: Er, Christus, allein. Lass ihn in deinen Predigten immer ganz im Zentrum stehen, stelle den Menschen vor Augen, wer er für sie ist und was er für sie getan hat. Nimm ihnen die Illusion, sie könnten ohne ihn, Christus, an Gott herankommen, könnten ohne die Gemeinschaft mit ihm, Christus, ein Verhältnis der friedlichen Koexistenz mit einem höheren Wesen dort oben pflegen. Und tröste sie vor allem damit, dass du sie immer und immer wieder auf Christus verweist, dass er, Christus, allein alle Schuld ihres Lebens auf sich genommen und weggetragen hat, dass er, Christus, alle Macht des Bösen gebrochen und besiegt hat, ja, dass er mit seiner Auferstehung auch dem Tod seine Endgültigkeit genommen hat. Ja, tröste sie damit, dass er, Christus, das Leben in Person ist, das diesen Namen wirklich verdient, tröste sie damit, dass dieser Christus nicht bloß ein Gedanke ist, sondern wir mit ihm leibhaftige Gemeinschaft im Heiligen Mahl haben dürfen, Anteil bekommen dürfen an seinem Leib und Blut, dem Heilmittel der Unsterblichkeit. Nein, du sollst künftig keine Vorträge über Christus halten, sondern Christus selber austeilen in seinem Wort, im vollmächtigen Zuspruch der Vergebung und im Sakrament des Altars. So führst du Menschen in die Gemeinschaft mit Gott, so lässt du sie teilhaben am ewigen Leben, nicht, weil du das irgendwie so gut könntest, sondern weil dieser lebendige Christus selber dich dazu nunmehr in seinen Dienst nimmt.

II.

Zum apostolischen Amt der Wortverkündigung und der Sakramentsverwaltung wirst du heute hier am Altar geweiht. Ganz schön große Fußtapfen sind das, in die du da heute trittst, möchte man meinen. Doch wie tröstlich ist es, dass St. Johannes uns hier im heiligen Evangelium die Apostel gerade nicht als Supermänner und Glaubenshelden schildert, sondern als Leute, die auch am Ende ihres gemeinsamen irdischen Weges mit Jesus immer noch auf dem Schlauch stehen, immer noch so vieles nicht verstanden haben, immer noch Zurechtweisung und Hilfestellung benötigen. Der heilige Thomas hat keine Ahnung davon, wo Jesus hingeht und wo entsprechend der Weg verläuft, den er gehen soll, und der Philippus wünscht sich immer noch, Gott mal ganz direkt sehen zu können, ohne zu bemerken, dass der Gott, den er zu schauen wünscht, direkt leibhaftig vor ihm steht.
Ja, in die Nachfolge dieser Apostel trittst du, lieber Bernd, heute ein, in die Nachfolge von Leuten, die eben keine Alleskönner und Alleswisser waren, die für ihren Dienst nicht besonders qualifiziert und geeignet waren, sondern die schlicht und einfach von Christus in diesen Dienst gerufen wurden, ja von ihm zu diesem Dienst befähigt wurden. Als Frager und Zuhörer werden die Apostel hier gekennzeichnet, als Leute, die selber genau wissen, dass sie nicht alles wissen, und als Leute, die sich von Christus, durch sein Wort, die Antworten geben lassen, die sie brauchen.
Und genau in diesem Sinne sollst und darfst auch du dieses eine, von Christus gestiftete Amt der Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung führen, lieber Bernd: Dass du immer wieder von Neuem auf Christus und sein Wort hörst, dass du dieses Wort zum Maßstab all dessen machst, was du selber glaubst und andere lehrst. Nein, du brauchst nicht als Alleswisser vor die Menschen zu treten, denen du das Wort Gottes verkündigst. Aber die Leute sollen schon dir anmerken, woher du deine Weisheit schöpfst, worauf deine Verkündigung beruht, woran allein du dich orientierst, was für dich allein maßgeblich ist: nicht deine persönlichen Einsichten und Gefühle, nicht die Erwartungen, die andere in der Gemeinde oder in der Gesellschaft an dich richten, sondern allein dieses Wort Christi, allein, was er dir zu predigen und zu tun geboten hat.
Lass das Hören auf das Wort des Herrn darum immer wieder dein weiteres Amtsleben bestimmen, lass dieses Wort dir immer lieber und vertrauter werden, damit du nicht auf dem Schlauch stehenbleibst, damit du dich auch nicht von irgendwelchen Meinungsumfragen oder Abstimmungsmehrheiten beeindrucken lässt. Hör auf ihn, deinen Herrn, dann bist du in rechter Weise Nachfolger der Apostel!

III.

Aber nun sollst du künftig als Pastor natürlich auch etwas tun, ja, sollst große Werke tun, so formuliert es Christus selber hier im Heiligen Evangelium. Gewiss, dir bleibt es als Pastor im Ehrenamt vorläufig erspart, am Ende des Jahres Kirchenberichte und Gemeindestatistiken erstellen zu müssen, zu zeigen, was du im vergangenen Jahr alles so getan hast. Die Versuchung, auf angebliche Erfolge deiner Arbeit zu schielen, die Gefahr, dich für die Effektivität deines Handelns in irgendeiner Weise rechtfertigen zu müssen, ist bei dir in der kommenden Zeit vielleicht nicht ganz so gegeben wie bei denen, die für ihre Arbeit in der Kirche ja auch ein entsprechendes Gehalt bekommen. Und doch wird sich auch dir in deinem künftigen Dienst immer wieder die Frage stellen, ob das denn was bringt, was du da tust, ob das wirklich ankommt bei den Leuten oder ob die Mühe, die du in die Erarbeitung von Predigten steckst, die Zeit, die du dir zur Anreise zu Gottesdiensten nimmst, sich am Ende vielleicht gar nicht wirklich lohnt.
Ja, Christus erwartet so einiges von dir, er kündigt an, dass du sogar noch größere Werke tun wirst als die, die er selber in der Zeit seines irdischen Wirkens vollbracht hat. Doch er erklärt auch gleich, warum du solch große Werke tun wirst: Nicht, weil du solch ein großartiger, fähiger Mensch wärest, ein mitreißender Prediger, ein beliebter Seelsorger, ein Liturg mit besonderer Ausstrahlung. Sondern die Werke, die du tun wirst, die wird er, Christus, selber durch dich vollbringen, weil er durch seinen Heiligen Geist auch in deinem Dienst am Werke sein wird. „Nehmet hin den Heiligen Geist“ – So hatte Christus damals seinen Jüngern nach seiner Auferstehung den Heiligen Geist mitgeteilt. „Nimm hin den Heiligen Geist“ – Dieses Wort Christi gilt nun heute auch dir, wenn dir nun gleich in der Ordination die Gnadengabe des Heiligen Geistes für deinen Dienst mitgeteilt wird. In der Kraft dieses Geistes sollst und darfst du deinen Dienst versehen – und das heißt: Du darfst es ihm, Christus, allein auch überlassen, was aus diesem deinen Dienst wird, in welcher Weise er dich gebraucht, um Menschen zu erreichen und selig werden zu lassen. Tu alles nur in seinem Namen, predige ihn allein, höre auf ihn allein, und dann überlasse auch alles ihm allein. Nein, dein Herz braucht nicht zu erschrecken! Amen.