06.05.2009 | St. Lukas 20, 27-40 (Mittwoch nach Jubilate)

MITTWOCH NACH JUBILATE – 6. MAI 2009 – PREDIGT ÜBER ST. LUKAS 20,27-40

Da traten zu ihm einige der Sadduzäer, die lehren, es gebe keine Auferstehung, und fragten ihn und sprachen: Meister, Mose hat uns vorgeschrieben (5.Mose 25,5-6): »Wenn jemand stirbt, der eine Frau hat, aber keine Kinder, so soll sein Bruder sie zur Frau nehmen und seinem Bruder Nachkommen erwecken.« Nun waren sieben Brüder. Der erste nahm eine Frau und starb kinderlos. Und der zweite nahm sie und der dritte; desgleichen alle sieben, sie hinterließen keine Kinder und starben. Zuletzt starb auch die Frau. Nun in der Auferstehung: wessen Frau wird sie sein unter ihnen? Denn alle sieben haben sie zur Frau gehabt. Und Jesus sprach zu ihnen: Die Kinder dieser Welt heiraten und lassen sich heiraten; welche aber gewürdigt werden, jene Welt zu erlangen und die Auferstehung von den Toten, die werden weder heiraten noch sich heiraten lassen. Denn sie können hinfort auch nicht sterben; denn sie sind den Engeln gleich und Gottes Kinder, weil sie Kinder der Auferstehung sind. Dass aber die Toten auferstehen, darauf hat auch Mose gedeutet beim Dornbusch, wo er den Herrn nennt Gott Abrahams und Gott Isaaks und Gott Jakobs (2.Mose 3,6). Gott aber ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden; denn ihm leben sie alle. Da antworteten einige der Schriftgelehrten und sprachen: Meister, du hast recht geredet. Und sie wagten nicht mehr, ihn etwas zu fragen.

Irgendwann helfen auch alle Künste der Medizin nicht mehr weiter: Unser Körper verfällt, wird schwächer, die Organe arbeiten nicht mehr richtig, und dann ist irgendwann der Punkt erreicht, an dem das ganze System seinen Betrieb einstellt: Wir atmen ein letztes Mal, und dann ist Schluss. Es dauert nicht lange, dann setzt die Leichenstarre ein, und bald danach fängt derselbe Körper, mit dem wir in unserem Leben so viel unternommen, so viel erfahren, so viel gefühlt haben, fängt dieser selbe Körper an zu vergammeln, bis schließlich nichts mehr von ihm übrig bleibt. Erde zu Erde, Asche zu Asche, Staub zum Staub – die Worte der alten Bestattungsformel bringen es auf den Punkt, was auch mit dem Körper, mit dem wir jetzt im Augenblick hier noch in dieser Kirchenbank sitzen, einmal passieren wird.
Und dann – was ist dann? Tot ist tot, so sagen die einen. Das Leben ist nun einmal ein natürlicher Prozess, der einen Anfang und ein Ende hat, und das war es dann. Was für eine unsinnige Vorstellung ist es, anzunehmen, dass aus einem Stück vergammelndem Fleisch noch einmal neues Leben entstehen könnte! Blicken wir stattdessen den Tatsachen lieber nüchtern ins Auge, und genießen wir das Leben, solange wir es noch können! Und da sind die anderen, die meinen, so einfach könne man es sich nun doch auch nicht machen: Irgendwie müsse es nach dem Tod doch weitergehen, irgendwie müssten wir da doch weiterleben, irgendwie so geistig. Und dann nimmt man gerne auch Berichte mit Interesse zur Kenntnis, wie Menschen, die schon klinisch tot waren, bestimmte Nahtoderfahrungen gemacht haben, tröstet sich im Angesicht des Todes eines lieben Menschen damit, dass der schon irgendwie jetzt woanders weiterleben wird, auf einem Wölkchen sitzen und auf uns herabblicken wird, oder wie auch immer man sich das vorstellen mag.
Und genau damit sind wir nun schon mitten drin in der Predigtlesung des heutigen Abends: Da hat Jesus es hier auch mit Leuten zu tun, für die mit dem Tod alles aus war: Ja, genau das glaubten allen Ernstes die Sadduzäer, gleichsam die Priesterkaste am Tempel in Jerusalem. Verbindlich für sie war nur, was in den Fünf Büchern Mose stand – und da war beim ersten Hinschauen tatsächlich nicht allzu viel von einem Leben nach dem Tod die Rede. Doch Jesus widerspricht ihnen ganz energisch – allerdings nicht so, wie sich viele das heutzutage wünschen und vorstellen: Jesus redet nicht davon, dass es nach dem Tod doch irgendwie weitergeht, dass wir nach dem Tod irgendwie weiterleben, geistig eben, als unsterbliche Seele oder so ähnlich. Damit käme er ja auf dem heutigen religiösen Markt noch ganz gut an, würden auch Esoterik-Fans von seinen Worten begeistert sein. Doch stattdessen redet Jesus hier allen Ernstes von der Auferstehung der Toten, ja, von der Auferstehung derer, die gestorben sind, deren Leichnam irgendwo in einem Grab vor sich dahinmodert oder von dem, menschlich gesprochen, doch mittlerweile gar nichts mehr übriggeblieben ist, weil die Würmer längst ganze Arbeit geleistet haben.
Natürlich fällt es nicht schwer, den Glauben an die Auferstehung der Toten irgendwie lächerlich zu machen: Die Sadduzäer versuchten es damals mit dem Verweis auf die Leviratsehe: Wenn ein Mann einer Frau starb, ohne dass er mit ihr zuvor ein Kind gezeugt hatte, dann war der Bruder des verstorbenen Mannes verpflichtet, mit dieser Frau ein Kind zu zeugen, das dann wiederum als Kind des verstorbenen Bruders galt. Die Sadduzäer spielen das Spielchen hier mal durch, schildern den gewiss ein wenig an den Haaren herbeigezogenen Fall einer Frau, an der sich sieben verschiedene Männer nacheinander versuchen, ohne mit ihr ein Kind zu zeugen. Ja, was würde nun bei der Auferstehung geschehen? Würde die Frau mit einem Mal einen Harem von sieben Männern haben? Was für eine lächerliche Vorstellung! Also ist der Gedanke an eine leibliche Auferstehung doch nun wirklich völliger Quatsch! Heute gebraucht man stattdessen zumeist andere Einwände gegen die Auferstehung: Wie soll man sich das denn bloß vorstellen: Sollen denn da im Himmel nur lauter Greise, lauter Leute mit amputierten Gliedmaßen und daneben vielleicht noch ein paar frühverstorbene Kinder herumlaufen? Was für eine merkwürdige Gesellschaft wäre das! Ja, hoffentlich fällt das himmlische Hochzeitsmahl dann auch entsprechend gebissträgerfreundlich aus!
Jesus lässt sich hier im Gespräch mit den Sadduzäern nicht auf eine Diskussion zu diesem konstruierten Beispiel einer Leviratsehe ein, und er fängt auch nicht an, mit uns über das genaue Aussehen derer zu diskutieren, die ins Leben der Auferstehung eingegangen sind. Ganz selbstverständlich setzt er stattdessen dieses neue Leben der Auferstehung einfach voraus, redet so selbstverständlich davon, weil er es kennt, weil ihm die Welt bekannt ist, an der Menschen jetzt schon leibhaftig Anteil gewonnen haben, obwohl nach unserem menschlichen Zeitverständnis ihr Leichnam immer noch im Grab liegt oder längst vergangen ist. Von „jener Welt“, von dieser ganz anderen Welt redet er, die unseren Blicken, die auch unseren Vorstellungsmöglichkeiten noch ganz und gar entnommen ist. Nein, Jesus enthält sich hier aller kitschigen Beschreibungen und Vorstellungen dieses Lebens der Auferstehung. Nur zweierlei macht er hier deutlich:
Zum einen zeigt er: Das Leben, das uns nach unserem Tod erwartet, ist nicht einfach eine Verlängerung unseres irdischen Lebens in die Zukunft. Das Leben in jener Welt, von der er hier spricht, ist kein großer Zombie-Treff, nicht einfach bloß eine weitere Ehrenrunde vor unserem endgültigen Aus. Sondern dieses Leben, das uns erwartet, ist ein Leben, in dem der Tod endgültig hinter uns liegt, uns nie mehr bedrohen, nie mehr unser Leben in irgendeiner Weise einschränken wird. Es ist ein Leben, das so viel wunderbarer sein wird als das jetzige, dass selbst das höchste Glück, das zwei Menschen hier auf Erden in ihrer Liebe zueinander, in einer Ehe erfahren, bei weitem hinter dem zurückbleibt, was dann einmal kommen wird. Ja, es ist in der Tat richtig: Wenn am Ende einer Ehe einer der beiden Ehepartner stirbt, dann geht es nicht darum, dass die beiden darauf hoffen können, ihre Ehe nun im Himmel noch weiter fortzusetzen. Doch das ist eben gerade kein trauriger Gedanke, sondern eine wunderbare Hoffnung, dass beide in diesem neuen Leben die gemeinsame Erfahrung einer Freude erwartet, die alle Freuden dieses Lebens noch einmal unendlich überbieten wird. Leben ohne Bedrohung des Todes, Leben in der unmittelbaren Schau Gottes wie die Engel, als Kinder Gottes, die endgültig nichts mehr daran hindert, in der Gemeinschaft mit Gott zu leben, ja, leibhaftiges Auferstehungsleben, in dem wir wieder wir selber sein werden und das doch noch unsere kühnsten Träume überbieten wird, weil es das Leben der neuen Schöpfung sein wird – das ist es, was uns erwartet, worauf wir uns freuen dürfen.
Und damit sind wir schon beim Anderen, was Christus den Sadduzäern, was er auch uns hier vor Augen stellt: Die Teilhabe an diesem neuen Leben, an dieser neuen Welt Gottes ist kein automatischer Prozess. Wir leben nicht darum nach unserem Tod weiter, weil wir irgendeinen unsterblichen Kern in uns tragen, weil nun mal jeder nach seinem Tod in den Himmel kommt. Sondern teilhaben an diesem Leben der Auferstehung werden allein die, so betont es Christus hier, die von Gott gewürdigt werden, jene Welt zu erlangen und die Auferstehung von den Toten. Gott allein entscheidet, wer von den Toten aufersteht, wer an diesem neuen Leben teilhaben darf. Nein, er weckt uns nicht zu diesem neuen Leben auf, weil wir dessen würdig wären, weil wir es verdient hätten mit unseren anständigen Leben, mit unseren guten Werken. Sondern er macht uns, die wir es gerade nicht verdient haben, würdig, in dieses neue Leben einzugehen. Und darum, so schildert es Christus hier, ist es so entscheidend wichtig, dass wir unser Leben auf ihn ausrichten, der allein uns an diesem neuen Leben teilzugeben vermag, dass wir in seiner Gemeinschaft leben, ja, in der Gemeinschaft mit ihm, Christus, selber, der die Auferstehung und das Leben ist. Ihm, das heißt in ihm, in seiner Gemeinschaft leben wir seit dem Tag unserer Taufe, mit ihm werden wir verbunden im Heiligen Mahl, er ist es, der uns durch sein Wort die Augen und Ohren öffnet für diese Welt, die uns sonst verschlossen bliebe, ja die Augen und Ohren öffnet für ihn selbst, durch den allein wir in diese Welt gelangen.
Ja, lächerlich mag es klingen, dass wir einmal wieder auferstehen sollen, nachdem alles bei uns verfallen, alles verwest sein wird. Doch genauso lächerlich klang es damals, als die Frauen vom Grab Jesu zurückkehrten und behaupteten, Jesus sei auferstanden. Aber dann erwies sich eben diese scheinbar so lächerliche Vorstellung als Wahrheit, als die wichtigste Botschaft der Weltgeschichte überhaupt, als die Grundlage für all das, was Jesus uns auch hier in unserer Predigtlesung schildert. Was wir uns vorstellen können, was uns vernünftig erscheint, ist eben nicht alles. Gott ist größer als unser mickriger Schädel, er ist nicht ein Gott der Toten, sondern ein Gott der Lebenden, er, der alles Leben geschaffen hat und auch die neue Schöpfung heraufführen wird. Die scheinbar so lächerliche Auferstehung der Toten, sie hat schon begonnen – und auch wir werden sie erleben, mit Leib und Seele, weil wir zu ihm, Christus, gehören, weil er uns Anteil gibt an seinem Leben, das auch uns einmal unsterblich machen wird und in dem wir tatsächlich Gott selber schauen werden – wie die Engel! Amen.