11.10.2009 | St. Markus 12, 28-34 (18. Sonntag nach Trinitatis)

18. SONNTAG NACH TRINITATIS – 11. OKTOBER 2009 – PREDIGT ÜBER ST. MARKUS 12,28-34

Und es trat zu Jesus einer von den Schriftgelehrten, der ihnen zugehört hatte, wie sie miteinander stritten. Und als er sah, dass er ihnen gut geantwortet hatte, fragte er ihn: Welches ist das höchste Gebot von allen? Jesus aber antwortete ihm: Das höchste Gebot ist das: »Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der Herr allein, und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und von allen deinen Kräften« (5.Mose 6,4-5). Das andre ist dies: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst« (3.Mose 19,18). Es ist kein anderes Gebot größer als diese. Und der Schriftgelehrte sprach zu ihm: Meister, du hast wahrhaftig recht geredet! Er ist nur "einer," und ist kein anderer außer ihm; und ihn lieben von ganzem Herzen, von ganzem Gemüt und von allen Kräften, und seinen Nächsten lieben wie sich selbst, das ist mehr als alle Brandopfer und Schlachtopfer. Als Jesus aber sah, dass er verständig antwortete, sprach er zu ihm: Du bist nicht fern vom Reich Gottes. Und niemand wagte mehr, ihn zu fragen.

Vor einigen Monaten fuhr ein knallroter Doppeldeckerbus auf einer Route quer durch Deutschland jeweils ins Zentrum verschiedener Großstädte. Seine Beschriftung war schon von Weitem zu erkennen: „Es gibt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keinen Gott. Ein erfülltes Leben braucht keinen Glauben.“ In anderen Ländern in Europa war es Atheistenverbänden gelungen, für solche Botschaften Werbeflächen an den Bussen des öffentlichen Personennahverkehrs anzumieten. In Deutschland hatten sich die BVG und die Verkehrsgesellschaften anderer Städte darauf verständigt, ihre Busse für diese Aktion nicht zur Verfügung zu stellen. So blieb den Atheisten nichts Anderes übrig, als selber privat einen Bus anzumieten und mit ihm quer durch Deutschland zu fahren. Doch dabei waren sie nicht allein: Einige Christen hatten von der geplanten Aktion der Atheisten Wind bekommen und kurzerhand auch einen Bus angemietet. Auf dem hatten sie den Spruch angebracht: „Und wenn es ihn doch gibt …“. Mit diesem Bus fuhren sie die ganze Zeit hinter dem Atheistenbus her, parkten hinter ihm, wenn die Mitarbeiter des Atheistenbusses ausstiegen, um für ihre Anliegen zu werben, und verteilten ihre eigenen Werbeschriften für Gott. Hier in Berlin, wo die Tour startete, versuchte der Atheistenbus noch, vor dem Christenbus zu fliehen, und parkte nicht, wie zuvor medienwirksam angekündigt, vor dem Brandenburger Tor, weil er nicht gemeinsam mit dem Christenbus von den Medien fotografiert und gefilmt werden wollte. Im weiteren Verlauf der Tour gaben die Atheisten dann schließlich auf und fanden sich damit ab, dass der Christenbus immer hinter ihnen herfuhr – nicht ohne seufzend festzustellen, dass das Wort „Christenverfolgung“ für sie jetzt eine ganz neue Bedeutung erhalten habe.

Ja, das war in der Tat eine witzige, gelungene Aktion der Christen, mit der die Atheisten überhaupt nicht gerechnet hatten. Aber in Wirklichkeit ging es den Christen natürlich nicht bloß darum, Menschen davon zu überzeugen, dass es Gott gibt, dass es ihn doch gibt, auch wenn viele Menschen heute seine Existenz bestreiten. Denn damit, dass Menschen anerkennen, dass es da oben vielleicht doch einen Gott gibt, wäre in Wirklichkeit noch nicht viel gewonnen; nein, dadurch wird ein Mensch noch nicht zu einem Christen, dass er an Gott glaubt, dass er glaubt, dass es Gott gibt.

Und damit, Schwestern und Brüder, sind wir nun schon mitten drin im Heiligen Evangelium dieses Sonntags. Nein, da treffen nicht zwei Gegner mit unterschiedlichen Weltanschauungen aufeinander, Jesus und die Juden, sondern da schildert uns St. Markus im Gegenteil große Harmonie, große Übereinstimmung zwischen dem, was Jesus glaubt und verkündigt, und dem, was ein frommer jüdischer Schriftgelehrter hier als Zentrum seines Glaubens bestimmt. Ja, sie beide, Jesus und der Schriftgelehrte, sie sind beide darin einig, dass das nicht die entscheidende Frage des Glaubens ist, ob es Gott gibt. Sondern beide miteinander stimmen sie darin überein, dass der Glaube an Gott, den sie beide miteinander teilen, eine ganz konkrete Gestalt hat. Der Glaube an Gott ist

- Glaube an einen bestimmten Gott
- Glaube, der das ganze Leben umfasst
- Glaube, der die Liebe zum Nächsten einschließt

I.

Schwestern und Brüder, sprechen wir es ruhig ganz offen aus: Die Atheisten haben mit dem Spruch auf ihrem Bus ja eigentlich völlig recht, zumindest zu 99,9%. In den ersten Jahrhunderten der Kirche lautete die Anklage, die gegen viele Christen erhoben wurde, immer wieder auf Atheismus. Ja, viele Christen sind als angebliche Atheisten schließlich auch hingerichtet worden. Wie kamen die Richter darauf, Christen wegen ihres Atheismus zu verurteilen? Ganz einfach: Diese Christen hatten sich geweigert, den römischen oder griechischen Göttern zu huldigen, hatten sich auch geweigert, den römischen Kaiser als Gott zu verehren. Ja, sie hatten behauptet, dass es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit diese Götter alle nicht gibt, dass es den Jupiter nicht gibt und die Artemis auch nicht und dass der Kaiser Domitian auch kein Gott ist. Seite an Seite standen die Christen also damals mit den Atheisten, und da stehen sie auch heute noch.

Nein, es ist nicht so, dass es in unserer Gesellschaft gleichsam zwei Gruppen gibt: die einen, die an Gott glauben, und die anderen, die nicht an Gott glauben. So einfach ist das nicht. Denn in Wirklichkeit glaubt eben jeder Mensch an einen Gott. Die Frage ist nicht, ob ein Mensch an Gott glaubt, sondern an welchen Gott ein Mensch glaubt, denn, so hat es Martin Luther sehr eindrücklich formuliert: Woran du dein Herz hängst, das ist dein Gott. Das, was für dich im Leben das Wichtigste ist, was dein Leben und Handeln bestimmt, das ist dein Gott. Und da gibt es dann Menschen, bei denen fällt ihr Gott ziemlich materiell aus; für die ist beispielsweise Geld das, woran ihr Herz hängt, was das Wichtigste in ihrem Leben ist, das, worum ihre Gedanken, ihr Reden, ihr Handeln kreisen. Früher oder später werden sie allerdings feststellen müssen, dass ihnen ihr ganzes Geld, ihr ganzer Besitz schließlich doch nicht helfen kann, dass sie sich damit nicht freikaufen können von Schuld, von Krankheit, ja am Ende vom Tod. Ja, über diesen Gott kann man sich in der Tat nur lustig machen. Und das könnte man nun durchspielen, woran Menschen ihr Herz so alles hängen, wovon sie ihr Leben bestimmen lassen. Ziemlich lächerliche Götter kommen dabei immer wieder heraus – Götter, bei denen man in der Tat geneigt ist, sich einen Bus anzumieten und mit ihm durch die Gegend zu fahren, um die Leute aufzuklären, dass diese Götter nichts taugen, ja, am Ende uns nicht zu retten vermögen: nicht das Geld, nicht das Hobby, nicht das Häuschen im Grünen, nicht die Karriere, auch nicht die Familie, so nett sie auch sein mag.

Aber selbst bei den unsichtbaren Göttern muss man den Atheisten ja weitestgehend Recht geben. Ich glaube das auch nicht, dass es einen Gott gibt, der früher ein Mensch war, sich dann allmählich zu einem Gott weiterentwickelt hat und jetzt in der Nähe eines Planeten namens Kolob wohnt, wie das die Mormonen behaupten. Ich gestehe: Das halte ich für Quatsch. Ich glaube auch nicht an einen lieben Vater überm Sternenzelt, der irgendwo da oben in der Hängematte liegt und von Zeit zu Zeit gütig lächelnd auf diese Erde herabblickt. Ich glaube nicht an einen Aufpassergott, der sich als Erziehungshelfer einsetzen lässt, um Kinder ein wenig einzuschüchtern. Und ich glaube auch nicht an ein höheres Wesen. Nein, dadurch, dass ein Mensch behauptet, er glaube auch an Gott, steht der mir nicht unbedingt näher als ein Atheist. Sondern es geht immer wieder von Neuem um die Frage: An was für einen Gott glaubst du eigentlich?

Und da geben Jesus und der Schriftgelehrte hier gemeinsam dieselbe Antwort: Wir glauben an den Gott, der das Volk Israel erwählt hat, der sich in der Geschichte dieses Volkes zu erkennen gegeben hat, der nicht bloß ein Gedankenkonstrukt religiös interessierter Leute ist, sondern der zu seinem Volk in seinem Wort geredet hat und redet. Ja, Schwestern und Brüder, das ist schon zutiefst bemerkenswert, was St. Markus hier in diesen Versen schildert: Jesus rezitiert hier selber aus ganzem Herzen das jüdische Glaubensbekenntnis, das bis heute ein frommer Jude jeden Tag betet, das Sch’ma Jisrael: „Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der Herr allein.“ 99,9% aller Götter, die den Anspruch erheben, Götter zu sein, die Herzen und Gewissen von Menschen binden, sind in Wirklichkeit gar keine. Es gibt nur einen wahren Gott: Ihn, den Gott Israels.

Und eben mit diesem Bekenntnis stellen wir uns bis heute gemeinsam mit Jesus immer wieder an die Seite des jüdischen Volkes. „Ich glaube an den einen Gott“, so haben wir es eben wieder miteinander gebetet. Nein, wir glauben als Christen eben nicht an drei Götter, wie uns dies die Muslime immer wieder fälschlich unterstellen. Wir glauben nur an einen Gott, an den Gott Israels. Und dieser Gott Israels ist zugleich unverkennbar und einmalig, den kann man nicht verwechseln mit einem selbstgebastelten Kuschelgott, der alles schön und richtig findet, was man in seinem Leben so macht. Den kann man nicht verwechseln mit dem lieben Vater überm Sternenzelt, der mit unserem Leben so direkt eigentlich gar nichts zu tun hat und auch gar nicht zu tun haben will.

Nein, diesen Gott Israels, diesen Gott, an den auch wir glauben, den „gibt“ es nicht bloß. Damit würden wir über ihn viel zu wenig gesagt haben. Sondern diesem Gott verdankst du dein Leben, und dieser Gott wird dich einmal am Ende auch ganz konkret nach deinem Leben fragen. Ja, vor dem solltest du in der Tat nicht die Augen verschließen, vor diesem einen, ganz bestimmten Gott.

II.

Schwestern und Brüder: In einem weiteren Punkt stehen uns die Atheisten mit ihrem Bus näher als so manche Menschen, die sich selber für gottgläubig halten. Da haben diese Leute, die den Atheistenbus gechartert haben, eine Weltanschauung. Und diese Weltanschauung ist ihnen so wichtig, dass sie sich dafür einsetzen, dass die verbreitet wird, dass sie dafür Geld, Zeit und Kraft aufwenden. Ja, ihr Glaube, dass es keinen Gott gibt, prägt und bestimmt ihr Leben, das sollten eben auch die Menschen mitbekommen, mit denen sie auf dieser Tour ins Gespräch kamen.

Ja, das gehört in der Tat auch umgekehrt mit zum Glauben an Gott dazu, auch zum Glauben an den einen, wahren Gott, so macht es Jesus hier im Heiligen Evangelium deutlich: dass ich ihn, den Herrn, liebe von ganzem Herzen, von ganzer Seele, mit dem ganzen Verstand und allen Kräften.

Und das ist ja irgendwo auch ganz logisch und selbstverständlich: Glaube an Gott heißt eben nicht bloß, dass ich mir so meine Gedanken darüber mache, ob es diesen Gott gibt, so wie ich mir vielleicht meine Gedanken darüber mache, ob es den Yeti im Himalaya gibt oder nicht. Glaube an Gott heißt nicht bloß, dass ich ganz unverbindlich zur Kenntnis nehme, dass dieser Gott existiert, ja vielleicht durchaus auch dieser Gott, an den Juden und Christen glauben. Sondern Glaube an Gott heißt, so zeigt es uns Jesus hier, ihn, Gott, zu lieben. Und wenn ich jemanden liebe, dann ist er mir natürlich wichtig in meinem Leben, dann werde ich tun, was ich kann, um mit ihm zusammen zu sein, dann werde ich tun, was ich kann, um ihn immer besser kennenzulernen, dann werden meine Gedanken, meine Worte immer wieder um ihn kreisen. Wirkliche Liebe kann man nicht dosieren, wirklich lieben kann man nicht mit halbem Herzen. Das gilt für die Liebe zu Menschen, und das gilt erst recht für die Liebe zu Gott: Alles, was unser Menschsein ausmacht, alle Kräfte und Fähigkeiten sind bei solcher Liebe beteiligt: unser Herz, das immer wieder danach sucht, was für uns im Leben das Wichtigste ist, unsere Seele, die immer wieder auf der Suche danach ist, ihre Sehnsüchte gestillt zu bekommen, unser Verstand, der nachdenkt über den, der uns so wichtig ist, ja, unsere Kräfte, unsere Begabungen – alles das ist mit dabei, wenn wir Gott lieben. Und Gott selber, er macht uns diese Liebe zu ihm doch so leicht; der präsentiert sich uns doch nicht als Fiesling, nicht als abstoßendes Monster, das zu lieben uns von vornherein unmöglich wäre; der will uns doch im Gegenteil immer wieder so mit seiner Liebe umfangen, dass es doch eigentlich für uns so leicht sein müsste, auch ihn zu lieben. 

Und doch müssen wir immer wieder beschämt feststellen, dass von dieser Liebe zu Gott in unserem Leben oftmals nur so wenig zu erkennen ist, dass wir da oftmals in unserem Alltag sehr viel näher an der Seite der Atheisten zu stehen kommen, als wir dies eigentlich möchten, dass wir so oft Entscheidungen treffen, so oft uns verhalten, als ob es diesen Gott, der uns doch eigentlich so ans Herz gewachsen sein sollte, gar nicht gäbe. Nein, was scheinbar so logisch und selbstverständlich ist, das muss uns in Wirklichkeit immer wieder neu vor Augen gestellt werden, daran haben wir unser Leben lang zu lernen. Wie gut, dass Jesus und der Schriftgelehrte uns hier diesen Dienst erweisen!

III.

Aber dann fügt Jesus an das eine erste und größte Gebot gleich noch ein zweites an: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Neulich habe ich in einer pseudowissenschaftlichen Zeitschrift gelesen, das sei die große Neuerung, mit der Jesus in seiner Verkündigung über das Alte Testament hinausgegangen sei, dass er das Gebot der Nächstenliebe verkündigt habe. Was für ein Quatsch! Jesus zitiert auch hier das Alte Testament, bringt auch hier nicht etwas vor, dem der Schriftgelehrte nicht von ganzem Herzen zustimmen könnte.

Liebe zu Gott, die kann nicht ohne Folgen bleiben, die wirkt sich selbstverständlich aus im Verhältnis zum Nächsten, in der Liebe zu ihm. Ich kann nicht behaupten, ich würde an Gott glauben, ich sei Christ, und gleichzeitig mein Herz vor der Not des Nächsten verschließen. Ich kann nicht behaupten, ich würde an Gott glauben, ich sei Christ, und zugleich meine Nächstenliebe nur auf ganz bestimmte Menschen, vielleicht auch auf ganz bestimmte Bevölkerungsgruppen beschränken. Nein, der Maßstab meiner Liebe zu anderen Menschen soll und darf nicht sein, für wie liebenswert ich sie halte, was sie für mich getan haben, was sie in ihrem Leben so alles gemacht haben. Sondern der Maßstab meiner Liebe zu anderen Menschen soll einzig und allein die Liebe sein, die ich mir selber gegenüber hege. Was ich für mich selber erhoffe und wünsche, das soll ich dann auch den Menschen zukommen lassen, mit denen ich in meinem Alltag zu tun habe. Wenn ich es nicht mag, dass andere hinter meinem Rücken über mich reden, dann werde ich dies selber eben auch nicht tun. Wenn ich nicht möchte, dass andere Menschen mir mit Vorurteilen begegnen, mich gleich in bestimmte Schubladen stecken, dann werde ich dies selber entsprechend auch nicht tun. Ja, lieben soll ich sie, so erwartet es mein Herr und Gott von mir, weil er mich und auch sie doch auch völlig vorbehaltlos geliebt hat und noch liebt.

So sieht er also aus, der Glaube an Gott, den Jesus und der Schriftgelehrte in herzlicher Eintracht teilen. Und doch endet das Evangelium zugleich mit einem sehr zurückhaltenden Satz Jesu: Als er merkt, dass der Schriftgelehrte erkannt hat, dass die Liebe zu Gott und die Liebe zum Nächsten das Wichtigste im Glauben sind, wichtiger als alle Opfer im Tempel, da nimmt Jesus ihn nicht einfach in seine Jüngerschar auf, sondern stellt lediglich fest: „Du bist nicht fern vom Reich Gottes.“

Warum diese Zurückhaltung? Ganz einfach: Weil die Erkenntnis des Willens Gottes für unser Leben eben nicht zugleich auch schon heißt, dass wir diesen Willen Gottes in unserem Leben auch einhalten. Im Gegenteil, so haben wir es eben gemerkt, als wir bedacht haben, was Jesus eigentlich unter Glauben an Gott versteht: Wir scheitern immer wieder an diesem Willen Gottes, lieben ihn nicht von ganzem Herzen, lassen unser Leben, unser Denken, unser Verhalten eben immer wieder nicht von ihm bestimmen, lieben auch unseren Nächsten immer wieder nicht wie uns selbst. Ja, Gottes Willen zu kennen ist das eine – ins Reich Gottes zu kommen, ist das andere. Und in das kommt man eben nicht dadurch, dass man alle Gebote Gottes einhält, auch nicht dadurch, dass man wenigstens die wichtigsten beiden, das eine Doppelgebot der Liebe einhält. Das schafft nämlich keiner. Sondern ins Reich Gottes kommt man nur durch ihn, Christus, der unendlich mehr ist als ein Lehrer des Gesetzes, der nicht weniger ist als unser Retter, ja, der nicht weniger ist als der eine wahre Gott, der sich aus Liebe zu uns ganz und gar hingibt, bis in den Tod, damit wir nicht bloß nahe dran sind am Reich Gottes, sondern tatsächlich in dieses Reich aufgenommen werden. Ja, aufgenommen worden sind wir in das Reich Gottes, nicht etwa, weil wir besser wären als jener Schriftgelehrte hier im Evangelium, weil wir Gott und unseren Nächsten mehr geliebt hätten als er – ach, was die Liebe zu dem einen Gott angeht, können wir uns gewiss von so manchem Juden noch etwas vormachen lassen! Und doch stimmt es natürlich zugleich: Wer durch die Taufe in das Reich Gottes aufgenommen worden ist, wer ihn, Christus, als den wahren Gott erkennt, als den, in dem sich der Gott Israels endgültig zu erkennen gegeben hat, für den gewinnt auch der Glaube noch einmal eine ganz besondere Gestalt: Der glaubt eben nicht mehr bloß an „Gott“ allgemein, sondern an Christus, seinen Herrn; der liebt den, der sein Leben für ihn am Kreuz geopfert hat und damit uns als seine Nächsten geliebt hat, wie wir dies niemals könnten. Ja, durch ihn, Christus, durch seine Liebe zu uns sind wir drin im Reich Gottes, nicht bloß nahe davor. Ist das nicht wunderbar, dass wir solch einen liebenswerten Gott haben? Amen.