16.12.2009 | St. Lukas 3, 15-20 (Mittwoch nach dem 3. Sonntag im Advent)

MITTWOCH NACH DEM DRITTEN SONNTAG IM ADVENT – 16. DEZEMBER 2009 – PREDIGT ÜBER ST. LUKAS 3,15-20

Als aber das Volk voll Erwartung war und alle dachten in ihren Herzen von Johannes, ob er vielleicht der Christus wäre, antwortete Johannes und sprach zu allen: Ich taufe euch mit Wasser; es kommt aber einer, der ist stärker als ich, und ich bin nicht wert, dass ich ihm die Riemen seiner Schuhe löse; der wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen. In seiner Hand ist die Worfschaufel, und er wird seine Tenne fegen und wird den Weizen in seine Scheune sammeln, die Spreu aber wird er mit unauslöschlichem Feuer verbrennen. Und mit vielem andern mehr ermahnte er das Volk und verkündigte ihm das Heil. Der Landesfürst Herodes aber, der von Johannes zurechtgewiesen wurde wegen der Herodias, der Frau seines Bruders, und wegen alles Bösen, das er getan hatte, fügte zu dem allen noch dies hinzu: er warf Johannes ins Gefängnis.

Was kann, was darf eine Gemeinde von einem Pastor, von einem Prediger des Evangeliums erwarten? Darum ging es in der Epistel dieses Dritten Sonntags im Advent; darum ging es auch in der Predigt von Pastor Neumann, in der er uns eindrücklich vor Augen stellte, was es heißt, dass ein Pastor Haushalter über Gottes Geheimnisse ist.
Was kann, was darf eine Gemeinde von einem Pastor, von einem Prediger des Evangeliums erwarten? Genau darum geht es auch in der Predigtlesung des heutigen Abends. Dabei gibt es allerdings durchaus wichtige Unterschiede zwischen der Epistel des vergangenen Sonntags und den Worten aus dem Lukasevangelium die wir eben gehört haben: Der Apostel Paulus beschäftigt sich mit diesem Thema sehr direkt, redet als jemand, der bereits von Christus selber damit beauftragt ist, seine frohe Botschaft weiterzusagen. Die Worte unserer heutigen Predigtlesung sind dagegen ein Bericht über die Tätigkeit eines Verkündigers – und zwar eines einmaligen Verkündigers, dessen Amt und Auftrag auch für immer einmalig sind und bleiben werden: Denn Johannes der Täufer war der eine Vorbote vor dem Auftreten unseres Herrn Jesus Christus selbst, hatte die einmalige Aufgabe, auf den hinzuweisen, der direkt nach ihm kommen sollte. Aber die Erwartungen, die die Menschen damals an seinen Dienst richteten, die entsprechen doch sehr den Erwartungen, die auch heute Menschen immer wieder an Prediger des Evangeliums richten. Und entsprechend können wir von Johannes dem Täufer und seinem Umgang mit diesen Erwartungen lernen, was auch wir von Predigern des Evangeliums erwarten können, was ihr von Predigern des Evangeliums erwarten könnt. Zweierlei kennzeichnet den Dienst Johannes des Täufers hier bei St. Lukas:

- Er bindet die Hörer nicht an seine Person
- Er verkündigt Gericht und Evangelium

I.

Der Johannes hatte es damals offenbar drauf, so würde es heute ein außen stehender Beobachter vielleicht formulieren. Wenn der da am Jordan stand, predigte und taufte, dann strömten die Menschen in großen Scharen zu ihm: Fromme genauso wie Zöllner, Soldaten und einfache Leute, die unter der Gewaltherrschaft der Römer litten. Alle wurden sie angezogen von der Predigt dieses Mannes in seinem Kamelhaarmantel, ja, mehr noch, sie wurden nicht bloß davon angezogen, sondern diese Predigt löste bei den Menschen, die Johannes hörten, ganz besondere Hoffnungen und Erwartungen aus: Sehnsüchtig wartete man im jüdischen Volk doch nun schon seit langem darauf, dass Gott ihm endlich den verheißenen Christus, den verheißenen Retter seines Volkes senden würde. Und nun predigte einer in Vollmacht, taufte Menschen zur Vergebung ihrer Sünden, bereitete sie damit vor auf Gottes großes Kommen. Ja, das musste er doch sein, der Messias, der Retter, so dachten die Menschen, die um ihn herumstanden und ihm zuhörten. Voll Erwartung waren sie, so betont es St. Lukas, und diese Erwartungen und Hoffnungen, die projizieren sie nun auf Johannes. Nein, sie wagen es noch nicht einmal, diese Erwartungen laut auszusprechen; sie denken nur in ihrem Herzen, dass dieser Johannes doch vielleicht tatsächlich der Christus sein könnte. Doch Johannes ahnt, was die Leute denken, und so beendet er gleich von vornherein alle Spekulationen: Nein, er ist nicht der Christus, er ist nur der Vorläufer dessen, der kommen wird, um mit dem Heiligen Geist und mit Feuer zu taufen. Nicht an ihn sollen die Menschen ihre Hoffnungen hängen, sondern an den, auf den er hinweist und hinter den er in seinem Dienst ganz zurücktreten will.
Was Johannes der Täufer damals am Jordan erfuhr und wie er darauf reagierte, das bleibt auch für uns heutzutage ganz aktuell. Nein, natürlich dürften nur die wenigsten Zuhörer eines Pastors auf die Idee kommen, dass der vielleicht der wiedergekommene Herr Christus sein könnte. Aber die Gefahr besteht auch heute, dass Gemeindeglieder ihren Glauben, ihr Vertrauen ganz an einen bestimmten Verkündiger, an einen ganz bestimmten Pastor hängen, vom Verhältnis zu ihm gleichsam ihr Gottesverhältnis bestimmen lassen. Sie kommen, um diesen Pastor zu hören, sie bleiben weg, wenn dieser Pastor nicht da ist, und erst recht, wenn dann irgendwann einmal ein Nachfolger kommt, der es angeblich mit dem Vorgänger so gar nicht aufnehmen kann. Ja, gefährlich ist es, wenn Pastoren, wenn Prediger ihre Gemeinde, ihre Zuhörer an sich binden, angebliche Erfolge sich selber und ihrem eigenen Tun zuschreiben, wenn es ihnen womöglich gar schmeichelt, wenn Menschen sich an sie klammern.
Ja, von Johannes können alle Boten des Evangeliums immer wieder neu lernen, dies eine ganz klar herauszustellen: Ich bin es nicht; erwartet nichts von mir, von meiner Person, erwartet alles von dem, auf den ich hinweise. Wer es ist, der auf Christus hinweist, das ist eigentlich ganz egal; Hauptsache, Christus, der kommende Herr, wird gepredigt und nicht die Befindlichkeit dessen, der auf ihn hinweisen soll. Und wenn das klar ist, dann gilt allerdings in einem ganz anderen Sinne, dass die, die auf die Predigt eines Pastors hören, in diesem Boten tatsächlich Christus selber hören und begegnen. Denn Christus bindet in der Tat sein Wort an ihr Wort, lässt sich durch die, die ihn verkündigen, selber repräsentieren, will seiner Gemeinde nicht unmittelbar, sondern durch diesen Dienst, der die Versöhnung predigt, begegnen. Mögen wir dies alle miteinander von daher immer neu lernen, von der Person des Verkündigers abzusehen und doch im Verkündiger zugleich Christus zu hören und anzunehmen!

II.

Doch nun erfahren wir hier in unserer Predigtlesung noch von einer ganz anderen Erwartung, die damals an Johannes und seine Verkündigung gerichtet wurde: Geschildert wird uns hier die Erwartung des Landesfürsten Herodes, der nicht wollte, dass Johannes sich in seiner Predigt in seine persönlichen Angelegenheiten einmischte, der nicht wollte, dass Johannes in seiner Predigt seinen Ehebruch beim Namen nannte.
Doch Johannes lässt sich auch durch diese Erwartungshaltung nicht beeindrucken: Er predigt nicht, was der Landesfürst gerne hören möchte, er mogelt sich auch nicht an dem heißen Thema vorbei, nennt im Gegenteil Sünde offen beim Namen, ja kündigt dem Herodes ganz offen Gottes Gericht an, wenn der nicht umkehrt. Und dafür muss Johannes dann auch die Konsequenzen erleiden: Herodes lässt ihn ins Gefängnis werfen, versucht, ihn auf diese Weise mundtot zu machen.
Dabei bezog sich Johannes in seiner Verkündigung gar nicht bloß auf den Landesfürsten Herodes, und er ritt erst recht nicht bloß auf dem sechsten Gebot herum und ergötzte sich daran, dessen Übertretungen anprangern zu können. Nein, Gottes Gericht steht nicht bloß einigen besonderen moralischen Dreckschweinen bevor. Alle Menschen, so macht es Johannes deutlich, werden sich einmal Gottes letztem Gericht unterziehen müssen, diesem Gericht, das kein Geringerer als der kommende Messias, der kommende Christus vollziehen wird: Er wird die Spreu vom Weizen trennen, wie Johannes das mit einem damals leicht verständlichen Bild aus der Landwirtschaft umschrieb: Zu diesem Zweck benutzte man damals eine kleine Schaufel, eine sogenannte Worfschaufel: Mit der warf man den geernteten Weizen in die Luft, und der Wind blies dann die leichte Spreu weg; nur die schweren Weizenkörner fielen wieder zu Boden.
Dieses Gericht anzukündigen, Schwestern und Brüder, ist auch heute noch die Aufgabe derer, die Christus mit der Verkündigung seines Wortes betraut hat. Nein, Gottes Gericht anzukündigen, das ist nicht schön, das ist nicht nett. Und erst recht ist es unangenehm, wenn man als Verkündiger dann möglicherweise auch noch ganz konkret werden soll, sich womöglich auch noch zum Thema „Ehebruch“ äußern soll. Nein, heutzutage muss man in unserem Land nicht mehr damit rechnen, ins Gefängnis geworfen zu werden, wenn man sich über den Familienstand von Kanzlerinnen und Kanzlern oder wahlweise Bundesaußenministern äußert. Aber wenn wir womöglich sehr direkt in einer Predigt auf eine Sünde angesprochen werden, die unser Leben unmittelbar betrifft und von der wir vielleicht auch gar nicht lassen wollen, dann mag uns vielleicht das Vorgehen des Landesfürsten Herodes damals gegen den Johannes gar nicht mehr so ganz unsympathisch erscheinen. Und entsprechend groß ist die Versuchung des Verkündigers, bei bestimmten Themen dann doch lieber den Mund zu halten, doch lieber nur zu predigen, was den Leuten passt und was sie gut finden. Doch dadurch, dass Gottes Gericht verschwiegen wird, fällt es ja nicht aus; doch wenn die Menschen, die dieses Gericht betrifft, nicht gewarnt werden, haben sie eben auch gar keine Chance, auf dieses kommende Gericht rechtzeitig zu reagieren und umzukehren. Es geht schon im Leben eines jeden Menschen darum, ob es hohl ist, hohl wie Spreu, die der Wind verweht, oder ob es den einzigen Inhalt hat, der ihm wirklich Gewicht zu verleihen vermag: ihn, Christus, selber, der unser Leben erfüllt und ihm damit den Inhalt schenkt, der uns allein am Ende in diesem Gericht bestehen lässt.
Nein, Johannes ist ja kein Weltuntergangsprophet, und er kündigt eben nicht nur das kommende Gericht an. Sondern, so betont es St. Lukas hier ausdrücklich: Er verkündigte dem Volk das Heil. Im Zentrum seiner Verkündigung steht nicht der Untergang derer, die sich dem Ruf zur Umkehr, dem Ruf zum Glauben an den kommenden Christus verweigern. Sondern im Zentrum seiner Verkündigung steht dieser kommende Christus selber, steht die Gabe seiner Taufe, die Gabe seines Heiligen Geistes, in dessen Kraft allein wir an ihn, Christus, glauben, zu ihm umkehren können. Nein, diese frohe Botschaft ist eben gerade nicht eine nettere Variante im Vergleich zu der wenig erfreulichen Gerichtspredigt. Diese frohe Botschaft leugnet nicht, dass Gottes Gericht kommt. Aber sie verkündigt eben, durch wen wir in diesem Gericht gerettet werden: durch ihn, Christus, der selber am Kreuz Gottes Gericht bis zur letzten Konsequenz erleidet, damit uns der Zorn Gottes nicht trifft. Ja, diese frohe Botschaft besagt, dass Gott selber zu uns kommt, um uns zu retten, dass wir sein Kommen nicht zu fürchten brauchen, sondern uns von Herzen darauf freuen dürfen. Denn wir kennen ihn, den Retter, begegnen ihm auch heute Abend wieder hier in diesem Gottesdienst.
Beides hat Johannes damals den Menschen verkündigt: Gottes Gericht und die frohe Botschaft von dem, der kommt und mit dem Heiligen Geist und mit Feuer tauft. Gericht und Evangelium – genau das sollt und dürft auch ihr von Predigern des Evangeliums erwarten, dass sie eben dies euch verkündigen. Das ist keine überzogene Erwartungshaltung, sondern dazu sind die da, die im Auftrag Christi zu euch gesandt sind. Möge diese Botschaft auch bei euch, ja bei uns allen immer wieder neu die Bereitschaft zur Umkehr und die Freude des Glaubens hervorrufen! Amen.